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Ärzte Woche

28.09.2018 | Tekal

Ein Achterl in Ehren

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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The Lancet hat gesprochen: Auch kleinste Mengen Alkohol sollen bereits ungesund sein. Medizin-Kabarettist Dr. Ronny Tekal über das drohende Aus für den gesunden Schlummertrunk.

Wenn man einem Patienten empfiehlt, abzuspecken, sich körperlich zu betätigen, mit dem Rauchen aufzuhören, höchstens ein Gläschen Rotwein zu trinken, sich regelmäßig untersuchen zu lassen und die Medikamente einzunehmen, so bleibt meistens eine Anordnung hängen: „Der Doktor hat gesagt, ich soll Wein trinken!“.

Tatsächlich hat das tägliche Achterl einen erstaunlich guten Ruf. Kardiologen waren gar empört, wenn ihnen ein Herzpatient gestand, keinen Alkohol zu trinken. Denn – so wurde es laienhaft erklärt – so ein paar Zentiliter Vergorenes putzen die Gefäße durch. Das war gelebte Praxis, zumal viele Kardiologen auch als Additivfach Önologie haben.

Zudem käme es auch auf die Menge an, die Dosis mache das Gift. Auch wenn man davon abgekommen ist, eine Achtel Zigarette oder den achten Teil eines Knollenblätterpilzes als gesundheitlich fördernd zu empfehlen, so gilt das Achtel Glas Wein als Evidence-Based-gesund.

Nun wurde eine Lanzette ins Herz der Weinliebhaber gestoßen. Denn eine Studie im Lancet kam mit einer Metaanalyse zum Schluss: Saufen ist doch nicht so gesund. Doch nicht nur dem, von der UNESCO anerkannten österreichischen immateriellen Kulturerbe „unter den Tisch trinken“ wird eine Abfuhr erteilt, selbst das moderate Nippen am Gläschen soll zu viel des Nippens sein und Nippenkrebs auslösen. Auch das Risiko für Verletzungen und Infektionskrankheiten würden, statistisch betrachtet, den Benefit für die Gefäße mehr als zunichte machen. Der Shitstorm ließ nicht lange auf sich warten, schließlich sind Mediziner auch nur ganz normale Trinker. Man verwies auf die wertvollen Inhaltsstoffe von Traube und Hopfen und schaltete im Winzermagazin „Die Obst-Presse“ ganzseitige Gegendarstellungen.

Natürlich sind solche Metaanalysen, die Korrelationen herstellen, immer ein wenig zwiespältig. Denn wenn man eine Studie zum Übergewicht (Kilo-Meta-Analyse), zur biologischen Landwirtschaft (De-Meter-Analyse) oder zum weihnachtlichen Baumbehang (La-Metta-Analyse) durchführt, so geht man natürlich nicht völlig objektiv an die Sache ran. Schließlich fokussiert man sich auf die potenziell negativen Folgen – also einen Diabetes beim Übergewicht, die Würmer im Apfel beim Bio-Anbau oder den Hang zum Kitsch beim Weihnachtsbaum. Hätte man sich beim Achtel Wein statt auf potenzielle Folgeschäden auf Parameter wie Gemütlichkeit, Lebensfreude, Genuss, Entgiftung durch Erbrechen oder die Entspanntheit beim alkoholisierten Nach-Hause-Fahren konzentriert, so wären die Ergebnisse anders ausgefallen.

Glücklich also jene Unbedarften, die solche Studien nicht lesen. Denn ob das Lesen von Studien, welche Dinge im Leben dieses Leben verkürzen, das Leben ebenfalls verkürzt, könnte Gegenstand der nächsten Publikation sein.

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Metadaten
Titel
Ein Achterl in Ehren
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
28.09.2018
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 39/2018

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