Deep Blue im Hintern lässt die grauen Zellen rotieren.
Mein lieber Kabarettkollege Norbert Peter ist nicht nur praktizierender Hypochonder, sondern auch leidenschaftlicher Schach-Spieler. In Ermangelung eines geeigneten analogen Gegenübers (mich), findet er im Internet zahlreiche Gegner, die er im Online-Spiel herausfordert. Auf Tour, im Auto, und vermutlich auch auf der Toilette. Ein schönes Bild, dass sich Menschen weltweit miteinander vernetzen, um das Spiel der Könige, von ihrem Thron aus zu spielen. Man tritt gegen vermeintlich intellektuelle Gegner an. Viele fallen dabei aber auf Fake-Profile rein, glauben doch tatsächlich gegen Herbert, 67, aus Amstetten anzutreten, wo in Wahrheit Jessica, 27, New York City vor dem Computer sitzt.
Tatsächlich haben sich auf den einschlägigen Schach-Internetplattformen die Registrierungen vor allem jugendlicher User vervielfacht. Die Netflix-Serie Damengambit hat sicher viel dazu beigetragen, aber auch die zahlreichen Lockdowns, in denen alles besser schien als der schulische Fernunterricht auf Zoom. Schach-Superstar Magnus Carlsen ist das, was wir früher Kasparow nannten, nur hipper. Auch die Sprache der Community wird moderner. Stand früher eine Gruppe alter, weißer Männer im Donaupark um ein Riesenschachfeld und feuerte ihren Favoriten aus Favoriten an: „Nimm dem Trottl sein’ Turm mit dein’ Rössl, du Wappler!“, so finden sich heute Formulierungen der Youtube-Beobachter: „Er wird ihm im Mittelspiel mit seinen komplexen Killer-Moves zerstören!“ Vom Spiel der Könige zum Spiel des Volkes in Jogginghosen.
Schach gibt es zwar schon seit dem 6. Jahrhundert, es wirkt jedoch modern: Die Dame stellt die mächtigste Figur dar, während sich der König unbeholfen verschanzt. Die Bauern gelten als Fußvolk, können jedoch selbst zu einer Dame werden, wenn sie das andere Ende des Spielfeldes erreichen. Sie sind also genderfluid.
Bemerkenswert auch, dass weltweit dieselben Regeln befolgt werden. Sogar in der EU gibt es kein Land, das sich eine größere Anzahl an Läufern herausverhandelt hat. Und selbst in Österreich kann ein Steirer mit einem Kärntner spielen, ohne befürchten zu müssen, dass eine Rochade in Graz erlaubt, in Klagenfurt jedoch nicht nach 23 Uhr durchgeführt werden darf, weil das Ländersache ist.
Gesundheitlich soll das Spiel bei ADHS oder Demenz helfen. Dass Schach auch als Sport gilt, stößt Fitnesstrainern sauer auf. Dennoch gibt es selbst hier Doping. Da Amphetamine den Spieler nicht nur wacher, sondern auch weicher in der Birne machen, setzt man auf E-Doping und lässt sich von Deep-Blue oder einem anderen Schachcomputer aus der Ferne inspirieren. Angeblich soll der Newcomer Hans Niemann bei einem Turnier mit dem Weltmeister die Züge über einen vibrierenden Analsensor vermittelt bekommen haben – mit gutem Bauchgefühl. Und ich habe ein Premierengeschenk für meinen Kabarettkollegen!
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