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Ärzte Woche

24.06.2019 | Tekal

NebenWirkungen

Das ist lebendige Kunst

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist , Dr. Ronny Tekal, Medizin-Kabarettist

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Was wäre die Ars Medicinae ohne den Federstrich der Patienten.

Vor kurzem gab es für einige Stunden Aufregung in der Kunstszene: Einer dreijährigen Besucherin der weltweit größten Kunstmesse „Art Basel“ soll ein Missgeschick passiert sein. Das im Kinderwagen sitzende Kleinkind tat das, was man eben so tut, wenn „Berühren verboten“ ist. Es griff nach dem Kunstwerk, einer überlebensgroßen Plastikfliege. Das Insekt fiel zu Boden, die Flügel brachen ab und die begleitende Kindesmutter in Panik aus. So weit, so normal für Eltern, die wissen, dass für den Nachwuchs weniger der Ewigkeitswert eines Kunstwerkes, sondern mehr dessen Wert für die momentane Gaudi im Vordergrund steht. Eine Gaudi im Wert von 50.000 Euro. Kurz darauf die Entwarnung: Das Kunstwerk sei gar nicht kaputt gegangen, Kind, Mutter und Tierschützer durften wieder beruhigt sein. Doch für kurze Zeit hatten Fliege und Kind ihre berühmten 15 Minuten Weltruhm. Dass manche Kunstwerke erst durch Interaktion mit Menschen berühmt werden ist bekannt. Man erinnere sich an die 82-jährige Hobbymalerin, die in ihrer Heimatkirche ein abgeblättertes Fresco eigenhändig restaurierte und auf dem Jesushals einen niedlichen Affenkopf malte. Der Straßenkünstler Bansky schredderte sein eigenes Bild, nachdem es um einen Millionenbetrag versteigert und durch diese Aktion mit einem Schlag doppelt so viel wert wurde. Und eine Kunstinstallation von Joseph Beuys wurde unabsichtlich von einem Putztrupp im Museum in den Müll entsorgt. Während manche Kunstexperten beklagen, dass ein Original unwiederbringlich zerstört ist, bekommen die Werke doch damit eine persönliche Note. Mit der Kunst des Heilens, Ars medicinae , sieht es kaum anders aus. Wie stolz ist ein Chirurg auf das vollendete Werk, mancher signiert es und brennt seine Initialen auf die Leber (hätte ich gerne erfunden, ist aber echt geschehen!). Internisten feilen akribisch an Blutwerten und die Gastroenterologen halten zumindest die Pfadfinderregel ein, den Platz sauberer zu verlassen, als man ihn vorgefunden hat. In der Medizin steht weniger Handwerk, denn künstlerisches Schaffen im Vordergrund. Die Therapie als Meisterwerk. Und dann kommt der Patient. Kratzt an den frischen Wunden, ruiniert fahrlässig frisch implantierte Gelenke, trinkt auf der Ersatzleber weiter und wirbelt die göttliche Ordnung der exakt im Normbereich eingestellten Blutwerte durch zügelloses Essverhalten durcheinander. Hier ist man rasch mit der Unvernunfts-Keule zur Hand, lamentiert über mangelnde Eigenverantwortung und beklagt, wie viel Geld in die Instandhaltung und Restaurierung des Körpers geflossen sind, nur um ihn wieder der mutwilligen Zerstörung preiszugeben. Doch ist es nicht gerade die Benutzung, auch die wenig sorgsame, die den Kunstwerken erst die unverwechselbare Patina gibt? Man muss ja den Körper nicht gleich schreddern, aber es ist auch zu viel verlangt, den Organismus, nur dem ärztlichen Künstler zuliebe, zum garagengepflegten Staubfänger zu machen.

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Metadaten
Titel
NebenWirkungen
Das ist lebendige Kunst
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
24.06.2019
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 26/2019

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