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26.03.2020 | Tekal | Leben | Online-Artikel

Corona-TV

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizin-Kabarettist

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Die Medien sind die großen Gewinner in der Krisenzeit.

Man kann zurzeit eigentlich kaum über andere Dinge berichten. Die Corona-Krise hat einen derart großen Impact auf das soziale, wirtschaftliche und politische Leben, dass auch wir uns im Ö1-Radiodoktor lächerlich gemacht hätten, statt eine Sondersendung zur Quarantäne eine Wiederholung eines Beitrages über das linke Knie zu bringen. Es ist Gebot der Stunde, journalistisch tagesaktuell zu sein. Dazu werden in den Medien Virusexperten, Statistiker und Wirtschaftswissenschaftler vor die Kameras gezerrt. Jeden Tag bemüht um neue Formulierungen zu bekannten Sachverhalten. Auch wenn es im Synonymwörterbuch für die Begriffe „Virus“, „Quarantäne“ und „Klopapier“ nur wenig Auswahlmöglichkeiten gibt. Ich warte immer darauf, dass, nach Veröffentlichung der aktuellen Zahlen zur Epidemie, Herbert Prohaska im Fernsehstudio sitzt und die Ergebnisse kommentiert.

Die Nachrichten gleichen einer Dauerwerbesendung und ich überlege ernsthaft, ob ich mir nicht auch zwei solcher Viren zum Preis von einem zulegen soll, bevor sie vergriffen sind. Es herrscht mediale Katastrophen-Euphorie, eine Branche, die aufblüht, während der Rest in Kurzarbeit geschickt wird. Die News werden nur durch noch wichtigere Breaking-News unterbrochen, die Breaking-News nur durch noch wichtigere Werbung. Man wird künftig wohl auch den Begriff des „embedded Journalism“ neu definiert haben. Nur dass die Reporter, nicht wie einst im Irak-Krieg, mit kugelsicheren Westen gemeinsam mit US-Soldaten marschierten, sondern nun, mit FFP-2-Masken geschützt, von Virologen umgeben sind, die sie mit Informationen füttern.

Jetzt kommt auch das Bildungsfernsehen wieder in Mode. Wie einst die Russischlehrerin Lisa Schüller in den 1970er-Jahren den ORF-Zusehern ein strenges „Dobryy den‘“ (oder war es „nastrovje“?) wünschte, fährt man nun die öffentlich-rechtlichen Lehrstunden im TV hoch. Ein Segen für viele Eltern, die sorgenvoll den ausufernden Internet-Konsum ihrer Kinder beobachten und nun die Alternative haben, den Nachwuchs vor den Fernseher zu setzen.

Das Netz ist voll mit Tipps, wie man in der Quarantäne gut über die Runden kommt. Influencer haben Hochkonjunktur und noch nie hat man einen derart intensiven Einblick in die Privatwohnungen prominenter Personen gehabt, die, von zu Hause aus, die Community mit Gesang oder lustigen Texten versorgen (siehe Standpunkte auf Seite 2). Der Rest postet Selfies aus der Wanne oder denunzierende Bilder von Personen, die sich in Gruppen im Freien aufhalten oder Klorollen bunkern.

Die Gratis-U-Bahn-Zeitungen hätten jetzt endlich etwas über die, von ihnen seit Monaten angesagte und nun endlich eingetroffene Katastrophe zu berichten, allerdings fährt nun niemand mehr U-Bahn. Eine Ironie des Schicksals. Information hat einen Sinn. Denn noch nie wusste man so viel über Viren. Dennoch bin ich ziemlich sicher, dass bei der nächsten Grippewelle wieder eine Menge Antibiotika über den Ladentisch wandern werden.

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