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Ärzte Woche

14.05.2020 | Tekal

Astronauten, Indianer und Virologen

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizin-Kabarettist

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Die Berufswünsche unserer Kinder werden sich künftig wohl etwas ändern.

Wenn man den Nachwuchs heute zu seinen beruflichen Wünschen befragt, so erhält man in der Regel die Antwort „Instagrammer“, „Youtuber“ oder „Keine Ahnung, nerv mich nicht!“. Drei Berufswünsche, die dem Trend der Zeit geschuldet sind. In meiner Jugend waren tatsächlich noch Cowboy, Indianer oder Old Shatterhand ernst gemeinte Lebenskonzepte, wie auch Astronaut und die unzureichend gegenderten Feuerwehrmänner und Prinzessinnen.

Während die Pragmatiker unter den Taferlklasslern, aufgrund einer familiären Disposition, bereits wussten, dass sie Steuerberater, Tiefbauingenieur oder HNO-Arzt werden würden, hat die Mehrheit erst nach absolvierter akademischer Ausbildung begonnen zu überlegen, was sie nun wirklich im Leben machen will. Den Berufswunsch Sozialhilfeempfänger hatte indes niemand. Interessanterweise ist damals der Berufswunsch „Virologe“ nicht einmal annähernd in den Top 10 vorgekommen. Am ehesten kommen vielleicht die Bezeichnungen „berühmter Forscher“, „verrückter Wissenschaftler“ oder „Tierdoktor für Außerirdische“ hin.

Dann kam Corona und der kometenhafte Aufstieg von Berufsgruppen, die normalerweise eher als Spaßbremsen im Gesundheitssystem den hochangesehenen Abteilungsvorständen erklären, wie man sich richtig die Hände wäscht. Hygiene ist plötzlich hip und die Auseinandersetzung mit Viren eine noch coolere Beschäftigung als in Zeiten von AIDS oder Hepatitis geworden.

„Die Zeit“ hat den Promi-Virologen Christian Drosten bereits zum neuen Kanzler gekrönt, der „Playboy“ bereits beim ersten Virologen bezüglich eines Covershootings angefragt und auf Ö1 wurden die Forscher als neue Rockstars bezeichnet. Mit allen Höhen und Tiefen. Denn der Aufstieg von der grauen Labormaus zum sexy Medienstar war derart rasant, dass ein möglicher Abstieg für manche nur schwer zu verkraften ist. Gerade noch im Blitzlichtgewitter, von Politikern hofiert und mit einem Publikum, das nach den erlösenden Worten „Die Basisreproduktionszahl RO ist unter 1“ Blumen und Unterwäsche auf das Podium wirft, ist der zu erwartende Fall danach tief. Denn was, wenn der Hype vorbei ist? Wenn die große Leere kommt? Werden die Virologen in Depression verfallen und die schwer zu ertragende, alte Normalität in Alkohol, Drogen und Desinfektionsmittel ertränken?

Vielleicht gelingt dem einen oder anderen ein Comeback. Als Star-Virologe bei einer kommenden Pandemie, denn auch andere Länder haben schöne Viren. Oder als B-Promi-Virologe beim „Dschungelcamp“, mit gewissem Startvorteil, da die meisten auch Spezialisten für Tropeninfektionen sind. Wenn also die berühmten Andy Warhol’schen 15 Minuten Ruhm vorbei sind, ist Virologe ein Beruf wie jeder andere, ganz ohne Ruhm und Glanz, aber auch ohne die Gefahr, an einer Starallüre zu verenden. Also liebe Kinder. Vorsicht vor Wünschen, die in Erfüllung gehen könnten.

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Metadaten
Titel
Astronauten, Indianer und Virologen
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
14.05.2020
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 20/2020

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