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Ärzte Woche

25.10.2024 | Tekal

Ärzte als Patienten

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Warum Mediziner sich selbst so eine miserable Kundschaft sind.

Eine Binsenweisheit besagt, ein Arzt ist nicht zum Patienten geboren. Und die Datenlage gibt den Binsen recht. So zeigte eine kanadische Studie, dass die Hälfte der befragten Ärzteschaft ein Misstrauen bei dem Gedanken an eine stationäre Behandlung verspürt. Vor allem bei über 40-jährigen, männlichen Ärzten ist die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass sie keinen Hausarzt haben. Wozu auch? Dank Arztausweis kommen wir an all die begehrten Substanzen, ohne auf das Wohlwollen eines anderen Quacksalbers angewiesen zu sein. Man ist vernetzt und überspringt gerne mal ein paar Zwischenstufen, um sich selbst gelegentlich einen Ganzkörper-Scan in der MRT-Röhre zu gönnen. Darüber hinaus haben wir für uns ganz eigene Cut-off-Werte für Blutdruck, LDL, BMI, den Alkoholkonsum oder die Packyears („Das bisschen Zuviel passt schon!“).

Bemerkenswert, denn während des Studiums durchleidet man bekanntlich das gesamte Pathologiebuch und diagnostiziert sich selbst das ausgefallenste Non-Hodgkin-Lymphom oder ein waschechtes Chikungunyafieber an den Hals („Was soll es denn sonst sein?“). Die weitere medizinische Laufbahn macht jedoch abgeklärter und weder eine halb abgetrennte Ohrmuschel noch ein akutes Nierenversagen oder eine hypertensive Krise locken dem entspannten Mediziner im Privatleben aus der Reserve („Das Messgerät spinnt vermutlich wieder.“).

Dabei zeigt man nicht nur bezüglich des eigenen Körpers eine gehörige Betriebsblindheit. Mitgehangen, mitgefangen, auch die Verwandtschaft, die bei einem einschlägig medizinisch vorbelasteten Familienangehörigen mit ihren Leiden auf taube Ohren stößt. Meine Kinder haben sich beklagt, bis zum 18. Lebensjahr noch nie eine fremde Ordination von innen gesehen zu haben, sondern stets in der Obhut der Do-it-yourself-Privatpraxis in den eigenen vier Wänden nonchalant und garantiert nicht evidenzbasiert versorgt worden zu sein. Ich entgegne den Vorwürfen wortgewandt, dass sie es schließlich überlebt und noch alle zwölf Extremitäten an sich dran hätten. Eine halbherzige Diagnose, ohne den Blick von der Zeitschrift auf eitrige Mandeln, geschwollene Drüsen oder gangränöse Zehen zu richten: „Das wird schon wieder. Nicht dran kratzen!“ Hier ist Freizeit und da gelten andere Gesetze als in der Klinik.

Ärzte ermahnen zwar gerne ihre Patienten zur regelmäßigen Vorsorge, gehen aber selbst keineswegs hin. Dabei kann es durchaus erhellend sein, die Seite zu wechseln und zu bemerken, dass vermeintlich logische Abläufe für Patienten nicht immer zu durchschauen sind. So habe ich selbst einmal fast eine halbe Stunde nach einem MRT halb nackt in der Kabine gewartet, da ich das weitere Prozedere gehörig missverstanden habe. Die nette Röntgenassistenz hat mich aber gefunden „Ah, da sitzen Sie, Herr Doktor! Wir haben Sie schon gesucht!“ Ich hätte mir so meinen Teil bei einem derart einfältigen, zeitlich und örtlich völlig desorientierten Patienten gedacht. Aber typisch, wie Patienten nun mal so sind. Das wissen selbst die Binsen.

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Metadaten
Titel
Ärzte als Patienten
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
25.10.2024
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 45/2024