Die Aberkennung des Masterstudiengangs an der Sigmund Freud Privatuniversität wirft die Lebenspläne von Hunderten Studierenden über den Haufen. Einer der Leidtragenden, Student im 4. Semester Florenz Gilly, fordert Ausbildungssicherheit für seine Kolleg:innen.
Ärzte Woche: Sie sind Medizinstudent im 4. Semester an der SFU. Als Sie im vergangenen Herbst die Nachricht vom Widerruf der Zulassung Ihres Studiums erreicht hat, wie fielen da die ersten Reaktionen unter den Kollegen aus?
Gilly: Wir haben ein Wechselbad der Gefühle durchlebt. Vom Unglauben, wie das überhaupt passieren hat können, über banges Hoffen bis hin zur ernüchternden Erkenntnis, dass die Akkreditierung für das Studium der Humanmedizin tatsächlich entzogen wird. Ich habe bis zum letzten Tag geglaubt, dass die SFU das Unheil wird abwenden können. Als uns dann im November/Dezember die Hiobsbotschaft erreichte, dass die Stellungnahme der Universität nicht erfolgreich war und die Gutachter ihre Positionen nicht revidiert haben, waren Verzweiflung und Ratlosigkeit groß. Das vorherrschende Gefühl war Ohnmacht.
Ärzte Woche: Wie ging es weiter?
Gilly: Auf einer Infoveranstaltung sind die Emotionen hochgekocht, weil die Sorgen natürlich groß sind. Alle sind betroffen, aber jeder auf andere Weise. Der Rektor (Prof. Dr. Alfred Pritz, Anm.) fürchtet um sein Lebenswerk und wir, die Studierenden, fürchten um unsere Zukunft. Es gibt Kollegen, die einen Kredit aufgenommen haben, deren Geld abgezählt ist; manche haben für die SFU einen Studienplatz an einer anderen Uni abgelehnt , obwohl sie den MedAT geschafft haben; für diese Menschen war die Nachricht vom Widerruf besonders bitter. Ein kompletter Neustart, hieße, dass man enorm viel Geld in den Sand gesetzt hätte. Nun zeichnet sich aber eine Brückenlösung für die Kollegen ab, die im ältesten Bachelor-Jahr sind ( rund 200 Studierende, Anm. ).
Ärzte Woche: Wie sieht diese Lösung aus?
Gilly: Es soll wohl eine Art Universitätslehrgang werden, verknüpft mit dem Erwerb von ECTS-Anrechnungspunkten. Diese Punkte soll man sich nach der angestrebten Re-Akkreditierung des Masterstudiengangs anrechnen lassen können, wenn der Plan der SFU aufgeht.
Ärzte Woche: Inwieweit wird Ihr bisheriges Studium von anderen Medizin-Universitäten anerkannt?
Gilly: Ich habe persönlich Rektoren der Universitäten geschrieben, mit der Bitte, man möge uns mitteilen, welche Teile des SFU-Curriculums an den staatlichen Universitäten angerechnet werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die vier öffentlichen MedUnis nicht das gleiche System anwenden. Nur an der Linzer Fakultät werden Bologna-konforme Bachelor- und Masterstudiengänge angeboten. Diese Unterschiede erschweren den Wechsel. Die Idee der Bologna-Reform ist ja, dass der Uniwechsel leichter fällt, weil die Niveaus vergleichbar sind. Die SFU ist ein Präzedenzfall, an dem man sieht, wie wenig sinnvoll die Zweiteilung des Studiums ist. Wenn keine Lösung gefunden wird, wäre für uns nach 3 Jahren Schluss und wir müssten uns umorientieren.
Ärzte Woche: Was stand nun in dem Gutachten, das Auslöser für diese Turbulenzen war?
Gilly: In dem geleakten Gutachten wird u. a. gesagt, dass Gefahr im Verzug sei und man verhindern müsse, dass weitere Studienabgänger auf den Arbeitsmarkt kommen. Als Aberkennungsgrund wird angeführt, dass die SFU die nationalen Standards nicht erfüllt, das betrifft vor allem die Forschung. Der Forschungsoutput sei in der Medizin, gemessen an der Größe der Fakultät, zu gering. Wir Studierende werden zum Handkuss gebeten für etwas, das Sache der Universität ist. Die AQ Austria hat auch den Personalschlüssel kritisiert. In den Augen der Gutachter gibt es hier ein Missverhältnis, es seien mehr Studierende aufgenommen worden, als geplant. Das betrifft uns unmittelbar, wenn die Betreuung von Masterarbeiten nicht mehr möglich sein sollte, weil beispielsweise keine Pathologe oder keine Gynäkologin da ist, um sie abzunehmen.
Ich persönlich bin von der Qualität der Lehre an der SFU überzeugt. Prof. Dr. Sylvia Hartl hat uns im 3. Semester ins Otto-Wagner-Spital mitgenommen, dort habe ich meinen ersten Patienten gesehen. Das Modul HNO und Ophthalmologie bot die Möglichkeit, einer Katarakt-OP beizuwohnen. Die Pathologie-Vorlesung bei Prof. Dr. Roland Sedivy führte zu einem sechswöchigen Praktikum auf der „Patho“ in der Klinik Favoriten.
Ärzte Woche: Fühlen Sie sich als Mediziner zweiter Klasse?
Gilly: Das ist ein Kampfbegriff, mit dem ich mich nicht identifizieren kann und welcher der alten Fehde zwischen öffentlich und privat entspringt. Die Existenz von medizinischen Privatuniversitäten ist eine Tatsache, ob in Salzburg, Krems oder Wien, diese bieten vielen Menschen eine gute medizinische Ausbildung. Das Schlimmste in den vergangenen Monaten war für mich die Kakofonie. Die einen reden von einem eklatanten Medizinermangel – Stichwort Spitalsmisere –, auf der einen Seite gibt es eine und einen großen Bedarf an Ärzten. Auf der anderen Seite gibt es angehende Mediziner, die helfen wollen, die man aber nicht lässt. Das Potenzial, das in uns steckt, wird nicht erkannt.
Ärzte Woche: Vielleicht kann sich einfach niemand vorstellen, dass ein SFU-Student, der Zehntausende von Euro in seine Ausbildung investiert, seine Brötchen in der Knochenmühle eines Wiener Spitals oder als Landarzt verdienen will?
Gilly: Ich werfe mich gern in die Knochenmühle öffentlicher Gesundheitssektor, um in ihrem Bild zu bleiben, weil man dort am besten lernt. Ich bin kein Freund der Zweiklassenmedizin, im Gegenteil: Jeder Mensch sollte unabhängig von seinem Einkommen die beste medizinische Versorgung bekommen, die nur möglich ist. Es ist völlig egal, wie viel ich für mein Studium ausgegeben habe. Ich denke überhaupt nicht so, dass sich das Studium am Ende auszahlen muss. Ich hatte die Mittel und ich wusste, dass meine Chancen, an der SFU aufgenommen zu werden, etwas besser standen, als das Aufnahmeverfahren an einer staatlichen MedUni Wien zu durchlaufen. Ich versuche mir alle Fähigkeiten anzueignen, um ein guter Arzt zu werden. Ich habe nicht vor, ein Privat-Arzt oder Wahl-Arzt zu werden, der nur die besser bezahlenden Patienten aufnimmt. Für mich ist Gesundheitsversorgung auch ein Menschenrecht.
Ärzte Woche: Was haben Sie nun vor?
Gilly: Ich wünsche mir nichts weiter, als mich nur noch auf mein Studium zu konzentrieren und den Aktivismus aufzugeben.