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28.05.2025 | Stroke Unit

Stroke Unit auf vier Rädern

verfasst von: Josef Broukal

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Jeder Schlaganfall ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Minuten entscheiden über das Ausmaß neurologischer Schäden und die Chance auf eine vollständige Erholung. Mit Somatom On.site und der Plattform Stroke Connect stellen Siemens Healthineers eine mobile Lösung vor, welche die Schlaganfalldiagnostik beschleunigen und die Behandlungszeit signifikant verkürzen könnte.

Ein Schlaganfall alle 27 Minuten: Schlaganfälle sind die dritthäufigste Todesursache hierzulande. 


Es passiert von einer Sekunde auf die andere: Plötzlich lässt die Kontrolle über eine Körperhälfte nach, Arme und Beine lassen sich kaum noch bewegen, eine Gesichtshälfte verzieht sich. Typische Merkmale eines ischämischen Schlaganfalls. Ein hämorrhagischer Schlaganfall kann dagegen von einem stechenden Kopfschmerz begleitet sein, den Betroffene als „explosiv“ oder „den schlimmsten Moment ihres Lebens“ beschreiben.

Schlaganfälle sind die dritthäufigste Todesursache hierzulande, teilt die Österreichische Schlaganfall Gesellschaft (ÖGSF) mit. Pro Jahr erleiden ca. 19 000 Menschen einen Schlaganfall. Das bedeutet: ein Schlaganfall alle 27 Minuten. Jeder Schlaganfall ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Minuten entscheiden über das Ausmaß der möglichen bleibenden neurologischer Schäden und, ob eine vollständige Erholung realistisch ist. Besonders in den Ballungszentren gibt es mit den „Stroke Units“ speziell ausgerüstete Stationen innerhalb der Krankenhäuser – 38 an der Zahl laut Stroke-Unit-Register 2023 der Gesundheit Österreich. In den Stroke Units ist alles auf schnelle Diagnostik ausgerichtet:

  • Mittels CT oder MRT wird festgestellt, ob es sich um einen ischämischen oder hämorrhagischen Schlaganfall handelt.
  • Minuten später erfolgt bei ischämischen Insulten die Gabe eines Medikaments, das den Blutpfropfen auflösen soll.
  • Die Chancen für eine erfolgreiche Lysierung sind umso größer, je schneller sie erfolgt. Laut Stroke-Unit-Register erhielten rund 74 Prozent der lysierten Patientinnen und Patienten die Lyse innerhalb der „goldenen Stunde“, also innerhalb von 60 Minuten nach dem zerebrovaskulären Insult. Das ist kein Problem in Wien, wo es an insgesamt zehn über das ganze Stadtgebiet verteilten Krankenhäusern Stroke Units gibt. Es wird dort zum Problem, wo es weite Anfahrtszeiten gibt. ( Von Altaussee, wo ich diesen Text schreibe, dauert der Transport zur nächsten Stroke Unit in Knittelfeld oder Linz laut Gesundheit Österreich mit dem Rettungsauto bis zu 90 Minuten. JB. )
  • Alles, was hilft, die Zeit bis zur Lyse-Gabe zu verkürzen, macht die Chancen auf vollständige Heilung oder zumindest geringere Folgeschäden größer. Hier setzt Siemens Healthineers mit seinem fahrbaren CT-Scanner mit Audio- und Videoverbindung zur Stroke Unit an.

CT-Bildgebung im Rettungswagen

Das Herzstück des von Siemens Healthineers angebotenen neuen Systems ist der speziell für den mobilen Einsatz entwickelte CT-Scanner Somatom On.site. In den Rettungswagen eingebaut, liefert er eine Bildqualität, die mit stationären Geräten vergleichbar ist. Entscheidend ist dabei die präzise Erkennung von ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfällen direkt am Einsatzort. Die Teleskop-Gantry des Geräts ermöglicht eine schnelle und exakte Positionierung des Patienten, selbst auf der Trage. Damit entfällt der zeitaufwendige Transport in die Klinik zur Erstdiagnostik – ein bedeutender Vorteil angesichts der engen therapeutischen Zeitfenster für thrombolytische oder mechanische Therapie.

Ein weiteres Kernelement ist die digitale Lösung Stroke Connect. Sie erlaubt es Klinikärzten, CT-Bilder und relevante Patientendaten in Echtzeit aus der Ferne zu analysieren. Damit können bereits vor der Ankunft im Krankenhaus fundierte Therapieentscheidungen getroffen und die Zuweisung zu spezialisierten Zentren optimiert werden. Dies führt nicht nur zu einer effizienteren Ressourcennutzung, sondern erhöht auch die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Behandlung.

Schnellere und effektivere Therapie

Mobile Stroke Units (MSUs) haben sich bereits als wirksames Konzept etabliert: Studien zeigen, dass der Einsatz mobiler CT-Systeme die Zeit bis zur Behandlung im Durchschnitt um 30 Minuten verkürzen kann. Damit steigen die Chancen auf eine vollständige Genesung erheblich. Der entscheidende Vorteil der Siemens-Healthineers-Lösung liegt in der Integration modernster Bildgebungstechnologie mit einer durchdachten telemedizinischen Infrastruktur. So können neurologische Experten den Schweregrad des Schlaganfalls umgehend einschätzen und den optimalen Behandlungsweg vorgeben.

Trotz der vielversprechenden Möglichkeiten bleiben Herausforderungen bestehen. Die Implementierung mobiler CTs erfordert Investitionen, eine entsprechende Schulung des Rettungspersonals sowie eine Anpassung bestehender Notfallprotokolle. Zudem müssen Fragen der Datenintegration und der telemedizinischen Zusammenarbeit weiter optimiert werden. Doch der Weg ist klar: Durch mobile Bildgebung und intelligente Vernetzung wird sich die Schlaganfallversorgung grundlegend verändern.

Michael Scheuering leitet bei Siemens Healthineers das Schlaganfall-Programm. Er sagt: „Mit der neuen Technologie wird der Weg für eine schnellere, präzisere und ressourcenschonendere Schlaganfalldiagnostik frei. Damit könnten in Zukunft noch mehr Schlaganfallpatienten ohne langfristige Beeinträchtigungen weiterleben – ein Fortschritt, der nicht nur medizinisch, sondern auch gesellschaftlich von enormer Bedeutung ist.“

„Aufwendig, aber es würde helfen“

Prof. Dr. Elisabeth Fertl leitet die Neurologische Abteilung an der Wiener Klinik Landstraße. Sie hat als Leiterin des Wiener Schlaganfallprojektes des WIGEV (Wiener Gesundheitsverbund) mit einem Experten-Team im Jahr 2024 untersucht, ob eine Mobile Stroke Unit (MSU) die Schlaganfall-Versorgung in Wien verbessern würde.

Es wurde die Durchführung eines Pilotprojektes empfohlen, weil man mit einer MSU am Auffindungsort von Patienten bereits feststellen kann, ob tatsächlich ein Schlaganfall vorliegt – und wenn ja, ob ischämisch oder hämorrhagisch. Aufgrund dieser Frühdiagnostik könne man die Patienten direkt in das richtige stationäre Zentrum bringen – Ischämien auf eine Stroke Unit, akute zerebrale Großgefäßverschlüsse in ein Thrombektomie-Zentrum, Hirnblutungen etwa an eine Neurochirurgie. Weiters könne man gleich in der MSU die passende Akutbehandlung einleiten, zum Beispiel die Rekanalisation mit systemischer Thrombolyse.

Damit verkürze sich für diese Patienten die Behandlungszeit – „Time is Brain“, sagt Fertl –, und eröffnet so die Chance auf ein besseres Behandlungsergebnis. Damit eine mobile Stroke Unit als spezialisiertes Rettungsfahrzeug diese Aufgabe wahrnehmen kann, seien in Österreich zumindest drei Menschen notwendig: Ein Notarzt/eine Notärztin, eine Radiologie-Assistenz und ein Rettungssanitäter mit Notfall-Ausbildung. Weiters benötigt es eine direkte Datenverbindung zu einer Stroke Unit und Radiologie. Wenn all das gegeben sei, biete eine mobile Stroke Unit viele Vorteile. Sie sei aber sehr kostenintensiv. Das von Fertl geleitete Projekt „Konzeptionelle Weiterentwicklung der Schlaganfallversorgung in Wien“ liegt derzeit in den Händen des WIGEV-Vorstands und der Stadtpolitik.

Auf dem Land hat der Heli Priorität

Was könnten Mobile Stroke Units auf dem Land bringen? Eine Frage an Prof. Dr. Thomas Gattringer, Universitätsklinik für Neurologie Graz. Gattringer sagt, das Konzept sei vielversprechend: Studien hätten gezeigt, dass MSU, die größtenteils in Metropolregionen mit professionellen, hoch entwickelten Rettungsdiensten getestet wurden, die Zeit bis zur Schlaganfallbehandlung verkürzen und die Prognose verbessern können –, aber es sei noch eine Reihe von Fragen zu klären:

  • Wirtschaftlichkeit und Sinnhaftigkeit: Lohnt sich eine MSU in Österreich, wo Stroke Units gut verteilt sind und der Hubschraubereinsatz bei Schlaganfall-Patienten zunehmend etabliert ist, sobald es größere Entfernungen zu überbrücken gilt?
  • Datenmanagement: Welche Patienten- und Vitaldaten können in der MSU verarbeitet und wie und in welcher Qualität an die weiterbehandelnde Klinik übermittelt werden?
  • Einsatzstrategie: Kann eine MSU auch in ländlichen Regionen (lange Transportwege zu einzelnen Einsätzen) effizient zum Einsatz kommen?
  • Personalressourcen: Ist die Integration einer MSU ins bestehende Notfallnetz realistisch, insbesondere im Hinblick auf die Verfügbarkeit qualifizierter Ärzte? In Österreich sei der Rettungsdienst größtenteils mit Freiwilligen und Zivildienern besetzt – ein speziell im Schlaganfall und dessen Differenzialdiagnosen ausgebildeter Notarzt oder sogar ein Neurologe an Bord scheinen essenziell.
Metadaten
Titel
Stroke Unit auf vier Rädern
Publikationsdatum
28.05.2025