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Pflanzen neu sehen, in 2 und 3D

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Die neue Sonderausstellung „Two Views on Plants“ im NHM Wien holt die leisen Protagonisten unserer Welt ins Rampenlicht – und zwar in einer Form, die uns buchstäblich die Augen öffnet.

Der Fotograf, Regisseur und 3D-Spezialist Sebastian Cramer zeigt in Wien seine faszinierenden Pflanzenporträts, die mit einer raffinierten Weiterentwicklung der historischen Stereofotografie arbeiten. Zwei leicht versetzte Aufnahmen verschmelzen zu einem verblüffend räumlichen Bild. Wer durch die spezielle Brille blickt, sieht Blätter, Blüten und Fruchtstände so plastisch, als könnte man sie greifen. Es ist ein Seherlebnis, das den Blick schärft – und die Besucher daran erinnert, dass Sehen immer wieder neu gelernt werden kann.

Die Idee zu „Two Views on Plants“ entstand aus einem flüchtigen Naturmoment: Im Herbst 2016 beobachtete Cramer die im Wind tanzenden Fruchtstände einer Waldrebe. Daraus wuchs ein jahrelanges Kunstprojekt, ein Buch – und nun diese Ausstellung. Neben leuchtenden 3D-Aufnahmen zeigt Cramer auch geheimnisvoll schwebende Alkoholpräparate: Pflanzen, die in Glasgefäßen und konservierendem Alkohol archiviert wurden. Diese wissenschaftlichen Zeitkapseln wirken wie poetische Geisterwesen – ein Blick in die Vergangenheit der Botanik, in der das Sammeln und Bewahren ein Abenteuer war.

Nutzen, Schönheit und Ambivalenz

„Two Views on Plants“ ist mehr als ein ästhetisches Erlebnis. Die Schau macht klar, wie grundlegend Pflanzen für unser Überleben sind: Sie produzieren den Sauerstoff, den wir atmen, und liefern Nahrung, Baumaterial, Treibstoff und medizinische Wirkstoffe. Das Plakatmotiv, der Schlafmohn, steht exemplarisch dafür – er liefert lebenswichtige Schmerzmittel, birgt aber auch die Gefahr von Sucht und Missbrauch. Jede Pflanze erzählt eine Geschichte von Nutzen, Schönheit und Ambivalenz.

Begleitend gewährt das Naturhistorische Museum einen seltenen Einblick in seine Botanische Sammlung, eine der zehn größten der Welt mit rund 5,5 Millionen Belegen. Hier werden Pflanzen seit Jahrhunderten dokumentiert, gepresst, etikettiert – und heute genetisch analysiert, um Evolutionsgeschichten zu entschlüsseln und den Klimawandel zu erforschen. Einige dieser historischen Herbarstücke sind in der Ausstellung zu sehen und schlagen die Brücke von der nüchternen Wissenschaft zur poetischen Kunst.

Wer sich auf diesen konzentrierten Blick einlässt, verlässt die Ausstellung mit einem neuen Gespür für die stille Macht der Pflanzen – und vielleicht auch mit dem Gefühl, das eigene Sehen neu entdeckt zu haben.

„Two Views on Plants“ ist im NHM Wien noch bis 1. März 2026 zu sehen.

Seine 3D-Fotografien erinnern an präzise Studien und wirken zugleich wie traumartige Kompositionen: Sebastian Cremer hat u.a. mit Wim Wenders und Kraftwerk gearbeitet. 


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Titel
Pflanzen neu sehen, in 2 und 3D
Schlagwort
springermedizin
Publikationsdatum
26.09.2025
Bildnachweise
Pflanze im Rampenlicht/© Sebastian Cramer, 11133393/© Sebastian Cramer, Pflanzen im Fokus/© Sebastian Cramer, Sebastian Cremer /© NHM Wien, W. Bauer, Aufnahme von Fotograf Sebastian Cremer /© Sebastian Cramer