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25.04.2025 | springermedizin

Ich war da, schrieb der Murauer Pilger

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Dank digitaler Fotografie wurden mehrere jahrhundertealte Inschriften im Saal des letzten Abendmahls Jesu in Jerusalem entziffert, darunter ein steirisches Familienwappen. Die Funde werfen ein neues Licht auf das bunte Pilgerwesen.

Abendmahlsaal. Pilger hinterlassen hier seit dem Mittelalter bis heute lesbare Spuren. 


Einer der heiligsten Orte Jerusalems liegt auf dem Gipfel des Berg Zions. Juden und Muslime ehren diese Stelle als das Grab des biblischen Königs David. Laut christlicher Überlieferung hat Jesus mit den Aposteln hier sein letztes Abendmahl gehalten. Der von den Kreuzrittern gebaute Saal – bekannt auch als Coenaculum – zieht bis heute Pilger aus der ganzen Welt an.

Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der israelischen Behörde für Altertümer (IAA) dokumentierte und entschlüsselte bislang unbekannte Inschriften, Wappen und Zeichnungen auf den Wänden des Coenaculums.

Steirisches Familienwappen

Die meisten der nun durch digitale Verfahren wieder sichtbar gemachten Inschriften datieren ins Spätmittelalter, als der Abendmahlssaal Teil eines franziskanischen Klosters war. Aus heimischer Sicht besonders interessant: Im Jahr 1436 pilgerte der Erzherzog und spätere heilige römische Kaiser Friedrich von Habsburg mit Begleitung von 100 österreichischen Adeligen nach Jerusalem.

Geschnitztes Wappen mit der Unterschrift „Altbach“. 


Einer seiner Begleiter war der Steirer Tristram von Teuffenbach. Elemente aus seinem Familienwappen wurden an der Wand des Coenaculums identifiziert. Unterstützt durch Erkenntnisse aus dem ÖAW-Langzeitforschungsprojekt Corpus Vitrearum , das Glasmalerei seit dem Mittelalter untersucht, wurde das Emblem eindeutig dem steirischen Murau zugeordnet.

Neben dem heraldischen Wappen aus der Steiermark zählt die armenische Inschrift „Weihnachten 1300“ zu den wichtigsten Entdeckungen. Sie könnte eine seit dem 14. Jahrhundert offene Frage klären: Erreichten der armenische König Het’um II. und seine Truppen nach einer siegreichen Schlacht in Syrien am 22. Dezember 1299 tatsächlich Jerusalem? Das Datum der Inschrift sowie ihre Position hoch oben an der Wand – typisch für die Epigrafik des armenischen Adels – sprechen dafür.

Von besonderer Bedeutung ist auch ein arabisches Inschriftenfragment. Aus der doppelten Verwendung der weiblichen Endung „ya“ schließen die Forschenden, dass es sich um das Graffito einer christlichen Pilgerin aus der syrischen Stadt Aleppo handelt – eine seltene Spur weiblicher Präsenz in der vormodernen Pilgerwelt.

Neben Armenien, Syrien und dem deutschsprachigen Raum finden sich auch Spuren aus Serbien, Tschechien und von zahlreichen arabischsprachigen Christen aus dem Osten. Damit geben die Inschriften einzigartige Einblicke in die Herkunft der damaligen Pilger.

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Ich war da, schrieb der Murauer Pilger
Schlagwort
springermedizin
Publikationsdatum
25.04.2025