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Ärzte Woche

31.03.2017 | Gesundheitspolitik

Krankenhaus am Rande des Landes

verfasst von: Michael Hudelist

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Pinzgau/Sbg. „Wo Krankenhaus Mittersill draufsteht, muss auch ein Krankenhaus drinnen sein“ – darin waren sich die rund 700 Teilnehmer einer Kundgebung für den Fortbestand des Spitals einig.

Die Oberpinzgauer haben Angst, dass ihr Krankenhaus „ausblutet“. Die frühere Gemeinde-Klinik ist seit Jänner 2016 nur noch eine Außenstelle des Krankenhauses Zell am See und damit Teil des Tauernklinikums. Dort wird überlegt, ob man nicht unter das Dach der Landeskliniken schlüpfen soll, die Verhandlungen laufen. Am 21. März machten die Mittersiller ihrem Ärger bei einer Demonstration Luft. Sieben von 15 Ärzten hatten das 110-Betten-Haus wegen Perspektivlosigkeit bereits verlassen, nicht zuletzt der Primar, der nach Zell am See wechselte, sowie drei Fachärzte. 30 Stellen am Standort Mittersill sind offiziell vorhanden, aber nur neun besetzt. Auch nicht vertrauensfördernd war die Fama, dass Finanz- und Gesundheitslandesrat Christian Stöckl (ÖVP) zugesagte zwölf Millionen Euro für den Bau zweier OP-Säle in Mittersill vorerst zurückhalten wollte. Für die Kundgebungsteilnehmer und Walter Steidl von der oppositionellen Landes-SPÖ stand fest, dass „die Ärzte davonlaufen, weil die Zusagen des Landes nicht eingehalten werden“. Wie groß das Misstrauen ist, sieht man daran, dass, obwohl das Land Salzburg die zwölf Millionen Euro nun doch bereit stellen will, die Oberpinzgauer weiter um „ihr“ Krankenhaus fürchten. „Stöckl will das Spital aushungern“, war auf einem Transparent zu lesen. Immer weniger Ärzte bedeutet, dass die Dienstpläne immer dünner werden. Beleg dafür: Ab 1. April gibt es auf der Internen Abteilung tagsüber nur einen Facharzt. Dass die schwarz-grüne Landesregierung Mittersill „aushungere“ weist Stöckl aber zurück. Er verweist auf die SPÖ-geführte Vorgänger-Regierung. „Passiert ist leider nichts“. Ende 2012 sei der Salzburger Finanzskandal aufgeflogen, Investitionen wurden gedrosselt.

Er sagt, er setzt sich dafür ein, das Spital zu retten

(Mit Christian Stöckl sprach Michael Hudelist) Christian Stöckl als Finanz- und Gesundheitsreferent des Landes bestreitet, dass er die zugesagten zwölf Millionen Euro erst zurückhalten und eine mögliche Übernahme der Krankenhäuser Mittersill und Zell am See abwarten wollte. „Tatsache ist, dass ich bereits im Jahr 2015 im Budget Vorsorge für die Planung der Operationssäle und weiterer Sanierungsmaßnahmen im Krankenhaus Mittersill getroffen habe.“ Er, Stöckl, habe den Aufsichtsrat des Tauernklinikums mehrmals aufgefordert, die Arbeit zu forcieren, doch das Vorhaben habe keine Planungsreife erlangt. „Das war erst im Dezember 2016 der Fall, kurz nachdem die Stadtgemeinde Zell am See als Eigentümerin des Tauernklinikums einstimmig beschlossen hatte, mit dem Land Salzburg Gespräche zur Eingliederung des Tauernklinikums in die landeseigene SALK aufzunehmen“, sagt Stöckl. Dadurch sei man vor einer komplett neuen Situation gestanden, trotzdem habe sich das Land sofort mit den notwendigen Planungen für den Krankenhaus-Standort Mittersill auseinandergesetzt. „Ergebnis ist, dass der ärztliche Direktor des Tauernklinikums und ein externer Techniker mit ihren Teams sowohl das medizinische Konzept als auch die benötigten Investitionen genauestens abstimmen und verfeinern werden. Für diese Detailplanungen wurden die notwendigen Gelder freigegeben“. Noch vor dem Sommer sollen diese Planungen ausgeschrieben werden. Wann tatsächlich mit dem Bau begonnen werde, das hänge von der Dauer der Verfahren ab.

Um das Krankenhaus in Mittersill überhaupt erhalten zu können sei in weiterer Folge die Tauernkliniken GmbH gegründet und worden und es habe einen Geschäftsführerwechsel gegeben, „beides hat in meinen Augen zu viel Zeit gekostet“. Zur geforderten Standortgarantie für Mittersill erinnert Stöckl an einen einstimmigen Beschluss des Landtages, dass alle Krankenhäuser im Land Salzburg erhalten werden. „Zudem werde ich alles daran setzen, den Krankenhaus-Standort Mittersill abzusichern und es in baulicher und medizinischer Hinsicht für die Zukunft zu rüsten“, verspricht Stöckl. Kleine Krankenhäuser in der Region seien wichtig, um die medizinische Basisversorgung der heimischen Bevölkerung und, in einem Tourismusland wie Salzburg, der vielen Gäste abzusichern.

Dr. Christian Stöckl, ÖVP, Landesrat für Finanzen, Gesundheit und Spitäler

Er rät davon ab, Geld für neue OP-Säle in die Hand zu nehmen

(Mit Ernest Pichlbauer sprach Michael Hudelist) Die Größe eines Krankenhauses hängt auch von der Leistungsangebots-Planung ab, „also zum Beispiel davon, wie viele Betten eine Chirurgie haben muss“, erklärt Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer. Genau festgelegte Zahlen gebe es aber nicht, denn der Österreichische Strukturplan Gesundheit biete keine verbindlichen Regeln, „sondern – typisch österreichisch – eher nur Empfehlungen“. Man habe sich nur zu einer Mindestfrequenz durchgerungen, also zum Beispiel mindestens 30 Betten für die Chirurgie. Aber nicht einmal diese Mindestzahlen werden eingehalten, so plant Kärnten zwei Spitäler mit nur 18 Betten und bekommt dafür eine Ausnahmeregelung. Nach dem Prinzip der Leistungsorientieren Krankenanstalten-Finanzierung müssen die Länder am Ende die Defizite ihrer Häuser abdecken, „sie lagern aber ihre Kliniken oft in eigene Gesellschaften aus, die dann hoch verschuldet sind“, weiß Pichlbauer. Das Institut für Höhere Studien habe schon vor Jahren festgestellt, „dass in Häusern mit weniger als 300 Betten die Rentabilität drastisch absinkt“.

Generell ist Österreich nach Ansicht des Gesundheitsökonomen mit Krankenhäusern überversorgt, „wir haben enorm viele Spitäler, enorm viele Betten und enorm viele Krankenhaus-Aufenthalte“. Diese „Spitalslastigkeit“ sei auf „das Versagen in der ambulanten Versorgung“ zurückzuführen. Schuld seien die beiden unterschiedlichen Finanzierungsarten, also Spitalsfinanzierung aus Steuergeldern und Ambulante Versorgung aus dem Kassenbereich, „und beide Bereiche müssen nicht miteinander reden“.

Auch für den Standort Mittersill rät Pichlbauer besser in die ambulante Versorgung zu investieren als in neue OP-Säle. Dass Argument, dass 3,6 Millionen Touristen eine gute Versorgung bräuchten und darum zwei Krankenhäuser im Abstand von 30 Kilometer notwendig wären lässt der Experte nicht gelten, „ein Beinbruch ist nur ein Beinbruch und kann ambulant behandelt werden, für akute Fälle gibt es ausreichend Rettungshubschrauber in Österreich, um in Spezialkliniken geflogen zu werden“. Auch dass viele Ärzte Mittersill wegen der Perspektivlosigkeit verlassen hätten glaubt Pichlbauer nicht, „die medizinische Welt wird immer komplexer und junge Ärzte wissen, dass in einem kleinen Spital die notwendige, laufende Fortbildung nicht machbar ist“.

Dr. Ernest Pichlbauer, Autor und unabhängiger Experte für Gesundheitspolitik und Gesundheitsversorgung

Er glaubt, dass sich Ärzte wieder zurückholen lassen

(Mit Peter Sturm sprach Michael Hudelist) Der Allgemeinarzt Peter Sturm ist sich „absolut sicher, dass viele Ärzte das Krankenhaus Mittersill in den vergangenen Jahren verlassen haben weil ihnen der weitere Bestand der Klinik zu unsicher war und sie daher keine sicheren Arbeitsperspektiven vorgefunden haben“. Auch das „Hick-Hack“ in der Politik sei schuld, „es werden Vorwürfe über die Medien ausgerichtet und es wird gestritten“. Das sei die eine Seite, auf der anderen Seite sehe er hochmotivierte Mitarbeiter jeglicher Profession in den Tauernkliniken, also in den Krankenhäusern Mittersill und Zell am See. Sturm wünscht sich vor allem klare Ansagen von Seiten der Politik, „die Wahrheit muss auf den Tisch, selbst wenn es der Worstcase, also das Schließen des Hauses wäre“. In diesem Fall müssten eben Alternativen in der Versorgung gesucht werden.

Derzeit wird das Haus in Mittersill seiner Meinung nach „scheibchenweise geschlossen, das dürfen wir uns nicht gefallen lassen“. Der ausgedünnte Dienstplan habe schon dazu geführt, dass am Wochenende keine Notfälle mehr im Krankenhaus Mittersill aufgenommen werden konnten. „Das verantwortliche Management der Tauernkliniken soll endlich die Tagesprobleme anpacken, derzeit scheint es so, dass in einer nebulösen Zukunft gedacht und organisiert wird“, so Sturm. Als einzige Aktivität des Managements habe er eine Werbung für die private Klinik Ritzensee erhalten, nur ein Abteilungsleiter der Tauernkliniken hätte die Ärzte im Oberpinzgau über Neuerungen informiert, die die Versorgung verbessern sollten.

„Als Bürger und Arzt verlange ich das sinnlose Hick-Hack endlich aufzugeben und die Versorgung hier in der Region auf eine gute Basis zu stellen“. Sturm ist überzeugt davon, dass neue Ärzte wieder in den Oberpinzgau kommen, „wenn ein gutes Betriebsklima und eine sichere Perspektive vorhanden ist“ „In der Klinik werden jährlich rund 6.000 Patienten stationär und 12.000 Patienten ambulant behandelt, das Krankenhaus ist sowohl für die Einheimischen, als auch für die Touristen wichtig. Insgesamt hängen 180 Existenzen am Fortbestand des Krankenhauses in Mittersill.“

Dr. Peter Sturm, Arzt für Allgemeinmedizin in Mittersill

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Metadaten
Titel
Krankenhaus am Rande des Landes
Schlagwort
Gesundheitspolitik
Publikationsdatum
31.03.2017
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 14/2017

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