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Erschienen in: ProCare 4/2023

01.05.2023 | ONKOLOGIEPFLEGE Zur Zeit gratis

Schwerpunkt AHOP-Frühjahrstagung

verfasst von: Claudia Eggenfellner, DGKP, Martina Spalt, BSC, Anita Margulies, BSN RN

Erschienen in: ProCare | Ausgabe 4/2023

Beratung gegen den Distress

Erstinformation vor einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation durch eine Pflegeexpertin
Zur Versorgung von Menschen mit onkologischer oder hämatologischer Erkrankung zählt die Stärkung der Gesundheitskompetenz und der Reduktion des psychosozialen Distress (BMG, 2012; NCCN, 2019). Findet im Krankheitsverlauf eine Transition von einem Setting in das andere statt, geht dies mit einer besonderen psychosozialen Beeinträchtigung des Wohlbefindens einher (Häfliger et al., 2023).

Hintergrund

Am Universitätsklinikum AKH Wien wurden im Jahr 2022, 86 allogene hämatopoetische Stammzelltransplantationen (HSZT) durchgeführt. Patientinnen und Patienten, die sich dieser Behandlung unterziehen, wechseln zumeist von einem vertrauten Setting und Behandlungsteam der Hämatologie in das neue und unbekannte der Stammzelltransplantation. Patientinnen und Patienten wissen, dass diese Behandlung sehr komplex und mit einer großen Anzahl an Nebenwirkungen und psychosozialen Belastungen einhergeht.

Projektvorhaben

Das laufende Projekt zielt auf eine ergänzende Erstinformation vor einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation durch eine Pflegeexpertin ab. Die EBMT (European Society for Blood and Marrow Transplantation) als europäische Fachgruppe beschreibt in ihrem Handbuch die essenzielle Rolle der Pflegepersonen in der Edukation der Patientinnen und Patienten und deren jeweiligen Angehörigen, um den psychosozialen Distress zu reduzieren. Besondere Bedeutung kommt dabei der Beratung in der Vorbereitungsphase zu. Bestätigend wird bei der NCCN (National Comprehensive Cancer Network; 2019) beschrieben, dass die Phase einer Transition im Behandlungsverlauf mit einer besonderen psychosozialen Belastung (Distress) einhergeht und deshalb besonderer Beachtung bedarf. Ziel des Projekts ist deshalb, dem psychosozialen Distress, im Kontext der HSZT, proaktiv mit einer strukturierten evidenzbasierten Beratung zu begegnen. Damit wird negativen Outcomes, die bei Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Distresslevel zu erwarten sind, entgegengewirkt.

Durchgeführte Maßnahmen

Vorbereitend wurden Maßnahmen auf Struktur-, Prozess- und Evaluationsebene umgesetzt. Zielsetzung war die Etablierung einer strukturierten Erstinformation und Beratung vor dem stationären Aufenthalt zur Durchführung einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation und die Optimierung des diesbezüglichen Schnittstellenmanagements. Die Innovation des Projekts liegt in der konzeptuellen Verankerung der Patientinnen- und Patienten-zentrierten Beratungsgepräche. Um Patientinnen und Patienten zu ermöglichen, Informationen zuhause nochmals abrufen zu können, wurde schriftliches, evidenz-basiertes Informationsmaterial entwickelt.
In der konkreten Umsetzung wird ein individueller Beratungstermin in Form einer einstündigen Einzelberatung vereinbart. An- und Zugehörigen wird die Teilnahme ermöglicht, sofern dies den Patientinnenund Patientenwünschen entspricht. Im Rahmen des Beratungsgepräches kann eine Besichtigung der Station inklusive Isolationseinheit arrangiert werden. Ein Hauptaugenmerk liegt auch darauf, persönlichen, teils belastenden Fragen Raum zu geben. Die durchführende Pflegeexpertin verfügt über langjährige Berufserfahrung an der Station für Stammzelltransplantation, an welcher sie nach wie vor tätig ist. Somit können auch spezifische Fragen zum Stationsalltag beantwortet werden. Der Vorteil liegt zudem im persönlichen Beziehungsund Vertrauensaufbau, der sowohl von den Patientinnen und Patienten, als auch von deren Zu- und Angehörigen besonders geschätzt wird. Im Anschluss an das Informations- und Beratungsgespräch erfolgt im Sinne der Qualitätssicherung, eine Evaluation anhand des adaptierten Distress Thermometers der NCCN.

Erwartete Ergebnisse und Kennzahlen

  • _ Reduktion des Distress auf psychosozialer Ebene (evaluiert anhand des adaptierten Distress Thermometers)
    • Differenz des Distress Levels vor und nach dem Beratungsgespräch auf einer Skala von 0–10 (Selbsteinschätzung durch Patientinnen und Patienten)
  • _ Patientinnen und Patienten und Angehörige nehmen das Informations- und Beratungsangebot an
    • Anzahl der Beratungen gemessen an den durchgeführten allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantationen

Conclusio

In der ersten Analyse zeigt sich, dass die angestrebten Outcomes auf Patientinnenund Patientenebene erreicht wurden. Die erhobenen Distress Level im psychosozialen Bereich konnten in einer Messung von durchschnittlich 6,9 vor Beratung auf durchschnittlich 1,2 nach Beratung gesenkt werden.
Von 86 Patientinnen und Patienten, bei welchen im Jahr 2022 am Universitätsklinikum AKH Wien eine allogene hämatowwwpoetische Stammzelltransplantation durchgeführt wurde, waren 65 Patientinnen und Patienten im Vorfeld bei einer Beratung in der Pflegeambulanz.
Angestrebt wird zukünftig eine Interviewführung nach qualitativem Ansatz, um die Wirkung auf das interdisziplinäre Team zu evaluieren. In einer informellen Befragung wurde vom Behandlungsteam berichtet, dass der Routinebetrieb durch die gesetzten Interventionen entlastet werden konnte und Patientinnen und Patienten einen deutlich höheren Wissenslevel aufwiesen und besser vorbereitet waren.

Fazit

Gerade im Zusammenhang mit der risikoreichen allogenen Stammzelltransplantation und dem damit verbundenen Distress, ist eine optimale Vorbereitung für Patientinnen und Patienten im Sinne einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung unumgänglich. Die Beobachtung des Trends in Richtung personenzentrierter Gesundheitsversorgung zeigt seine Berechtigung im erzielten Benefit für das interdisziplinäre Team.
Der nächste geplante Schritt liegt in der beabsichtigten Ausweitung auf die Patientinnen- und Patientengruppe mit geplanter autologer hämatopoetischer Stammzelltransplantation.

Klare Strategie für das Behandlungsteam

Extravasation — eine multidisziplinäre Angelegenheit
Jeden Tag werden weltweit Millionen von parenteralen Infusionen/Injektionen mit tumorwirksamen Medikamenten verabreicht. Obwohl stationäre Therapien für einige Krebsarten zwingend vorgeschrieben sind, hat sich die Tumorbehandlung weitgehend auf ambulante Settings verlagert. Die Patienten sind dann zu Hause, wenn die Folgen einer Extravasation auftreten. In allen klinischen Bereichen ist eine klare Strategie für das Behandlungsteam — Ärzte/Ärztinnen, Pflegefachkräfte, Apotkeker/Apothekerinnen — zur Verhinderung und Behandlung einer Extravasation von entscheidender Bedeutung. Auch die Patienten benötigen Informationen über Ansprechpartner und die nächsten Schritte.

Definition

Eine Extravasation ist eine unbeabsichtigte Komplikation, bei der Flüssigkeit oder Arzneimittel in das die Verabreichungsstelle umgebende, subkutane oder subdermale Gewebe austritt. Eine andere Bezeichnung für dieses Ereignis ist „Paravasat“
Handelt es sich bei dem extravasierten um ein tumorwirksames Medikament, kann diese Komplikation je nach Art des extravasierten Wirkstoffs zu schweren Schäden führen, die eine erhebliche Morbidität und potenzielle Behandlungsverzögerungen für die Patienten zur Folge haben können. Um Komplikationen zu minimieren, muss die Behandlung von Exravasaten sofort erfolgen.

Inzidenz

Es wird geschätzt, dass die Gesamthäufigkeit der Extravasation von tumorwirksamen Medikamenten zwischen 0,1 und 6,5 Prozent liegt. Bei zentral implantierten Venenzugängen, sind diese mit z. T. schwerwiegenderen Komplikationen assoziiert. Berichte über das Auftreten über zentrale Venenkatheter, liegen bei 0,3 bis 4,7 Prozent. Viele Extravasationen werden nicht gemeldet.

Risikofaktoren

Die Identifizierung der Risikofaktoren kann das Auftreten minimieren und als Leitfaden für die Früherkennung dienen. Diese Faktoren können in vier Gruppen eingeteilt werden:
  • _ Iatrogene
  • _ Patienten-,
  • _ Wirkstoff- oder Arzneimittel-
  • _ sowie Katheter-assoziierte.

Klassifizierung der Toxizität

Zurzeit werden parenterale Tumortherapien klassifiziert nach:
  • _ gewebenekrotisierend (Vesicans)
  • _ gewebereizend (Irritans)
  • _ nicht gewebeschädigend (Non Vesicans) und
  • _ diejenigen, die nicht bekannt sind
Das Ausmaß des Gewebeschadens hängt von verschiedenen Faktoren ab, u.a. von der Art des Medikamentes, den Eigenschaften des zytotoxischen Wirkstoffes, dem extravasierten Volumen, der Konzentration des Medikaments und der Lokalisation des Extravasats.
Aus ethischen Gründen sind randomisierte klinische Studien nicht möglich. Häufig fehlen seitens der Hersteller Informationen zu diesen parenteral tumorwirksamen Medikamenten. Einige neue Medikamente sind beispielsweise Konjugate, welche mit Medikamenten verbunden potenziell gewebereizend respektive gewebeschädigend sein könnten.

Prävention

Durch die systematische Anwendung sorgfältiger, standardisierter, evidenz- bzw. konsensbasierter Verabreichungsverfahren lässt sich einiges verhindern. Um das Risiko eines Extravasats zu minimieren oder sogar zu verhindern, ist die Schulung und Information des Behandlungsteams erforderlich. Protokolle und Richtlinien dazu sind wichtig und zu erstellen.

Interventionen bei Extravasationen

In Abgrenzung zu einer Extravasation, muss eine Differenzialdiagnose in Erwägung gezogen werden. Andere Substanzen können große Gewebeschäden oder lokale Reaktionen hervorrufen.
Bis heute gibt es keinen allgemein anerkannten Standard für die Behandlung von Extravasationen. Die Empfehlungen beruhen jedoch auf dem Konsens der bestmöglichen Maßnahmen. Empfehlungen existieren für allgemeine Maßnahmen, aber auch für einige spezifische Maßnahmen. Es muss darauf geachtet werden, dass nicht noch mehr Schaden durch „Trial-and-Error“-Maßnahmen angerichtet wird, wenn keine Evidenz vorhanden ist und anekdotische Substanzen empfohlen werden.

Qualitätsmanagement

Die Festlegung gemeinsamer Verantwortlichkeiten im Behandlungsteam ist ein entscheidender Schritt, um die sichere Verabreichung von tumorwirksamen Medikamenten zu gewährleisten, besonders jene, die als gewebeschädigend eingestuft werden.
Im klinischen Setting, in dem parenterale Tumortherapien eingesetzt werden, sollten die Strategie zur Minimierung des Extravasationspotenzials festgelegt werden. Falls es zu einer Extravasation kommt, müssen Richtlinien für die Durchführung von korrekten Interventionen, basierend auf Grundlage aktueller und anerkannter Empfehlungen gut sichtbar oder leicht zu finden sein. Ein spezielles Extravasat-Set sollte jederzeit zugänglich sein.

BUCHEMPFEHLUNG

Wer pflegt, muss sich pflegen

„Wo soll ich hin?“ fragt Frau Müller auf ihrer Suche nach Geborgenheit. Statt bei ihr zu verweilen, bringt Anne die alte Dame in ihr Zimmer zurück. In diesem wie in den vielen anderen Beispielen aus dem Pflegealltag geht es nicht um die Frage, ob das Verhalten von Anne richtig oder falsch, unangemessen oder angebracht ist, sondern um die Frage, warum sie sich so verhält. Der Autor beschreibt den Pflegealltag und deutet diesen aus der Sicht der Pflegenden. Er schildert, wie enorm wichtig Aus- und Eigenzeiten sind, um in einem immer funktionaleren, effizienteren und hektischeren gewordenen Beruf zu überleben.
Mit viel Verständnis eröffnet er Pflegenden neue Sichtweisen und Handlungsalternativen. In der 3. Auflage hat der Autor auch seine persönlichen Erfahrungen als Patient nach einem Schlaganfall eingearbeitet und betont mit Nachdruck, wie wichtig die Selbstpflege trotz Personalmangel und Ressourcenknappheit ist.

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Metadaten
Titel
Schwerpunkt AHOP-Frühjahrstagung
verfasst von
Claudia Eggenfellner, DGKP
Martina Spalt, BSC
Anita Margulies, BSN RN
Publikationsdatum
01.05.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
ProCare / Ausgabe 4/2023
Print ISSN: 0949-7323
Elektronische ISSN: 1613-7574
DOI
https://doi.org/10.1007/s00735-023-1685-4

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