Bei niedrigeren TSH-Werten sollte gemäß ATA-Richtlinie 2017 jede Frau mit latenter Hypothyreose (d. h. TSH-Wert über dem trimesterspezifischen oberen Referenzwert) und positiven TPO-AK mit LT4 behandelt werden und eine solche Therapie bei TPO-AK-positiven Frauen mit einem TSH-Wert > 2,5 mIU/L bis zum oberen TSH-Referenzwert erwogen werden. Bezüglich der TPO-AK wird empfohlen, diese bei jeder Frau in der Schwangerschaft mit einem TSH > 2,5 mIU/L zu bestimmen, wobei erhöhte TPO-AK bei ca. 2–17 % der schwangeren Frauen detektiert werden und ein erhöhtes Hypothyreoserisiko in der Schwangerschaft anzeigen, weswegen die ATA-Richtlinie 2017 empfiehlt, bei TPO-AK-positiven Frauen (dies gilt auch für Thyreoglobulin-Antikörper [TG-AK]) bis zur Mitte der Schwangerschaft ca. alle 4 Wochen das TSH zu kontrollieren. Für das pathophysiologische Verständnis ist es aber wichtig zu wissen, dass die TPO-AK zwar die Plazenta passieren, aber die kindliche Schilddrüsenfunktion nicht beeinträchtigen. Die ATA- Richtlinie 2017 empfiehlt für TPO-AK-negative Frauen und bei subklinischer Hypothyreose bis zu einem TSH-Wert von 10,0 mIU/L, dass man eine Therapie mit LT4 erwägen kann. Diesbezüglich haben jedoch neuere RCTs zusätzliche Ergebnisse erbracht, welche zeigten, dass eine LT4-Therapie bei Frauen mit latenter Hypothyreose und Therapiebeginn ab dem 2. Trimenon keine Reduktion von Schwangerschaftskomplikationen oder eine Verbesserung der neurokognitiven Entwicklung der Kinder bewirkt [
26‐
29]. In einem großen Multicenter-RCT wurden nach Screening von 97.228 schwangeren Frauen 677 Frauen (SSW: 16 + 4 Tage) mit latenter Hypothyreose (TSH ≥ 4 mIU/L, fT
4 im Normbereich) zu entweder LT4 100 µg tgl. oder Placebo randomisiert, wobei monatliche TSH-Kontrollen mit Dosistitration auf einen TSH-Wert von 0,1 bis 2,5 mIU/L erfolgten [
26]. Es zeigten sich bei dieser Studie keinerlei Unterscheide in der neurokognitiven Entwicklung inklusive des Intelligenzquotienten (IQ) der Kinder (primärer Studienendpunkt) im Alter von 5 Jahren, und es gab auch keinerlei signifikante Unterschiede bzgl. diverser Schwangerschaftskomplikationen [
26]. In einer Post-hoc-Analyse dieser Studie wurden auch keine Unterscheide zwischen Frauen mit und ohne erhöhten TPO-AK-Wert festgestellt [
26]. In der gleichen Studie wurden auch 526 schwangere Frauen (mediane SSW: 18 + 0) mit einer Hypothyroxinämie, d. h. einer reduzierten fT
4-Konzentration bei im Referenzbereich gelegenem TSH-Wert, zu entweder LT4 50 µg tgl. oder Placebo randomisiert, wobei sich ebenfalls keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die neurokognitive Entwicklung bzw. diverse Schwangerschaftskomplikationen zeigte [
26]. In der CATS-Studie (Controlled Antenatal Thyroid Screening) wurden 21.846 schwangere Frauen randomisiert in eine Screeninggruppe, in welcher im Falle eines erhöhten TSH- und/oder reduzierten fT
4-Wertes eine Therapie mit LT4 150 µg tgl. inklusive Dosistitration eingeleitet wurde, und in eine Kontrollgruppe, bei der zwar auch die TSH- und fT
4-Werte gemessen wurden, aber keine diesbezügliche Behandlung eingeleitet wurde [
29]. In der Screeninggruppe hatten 499 Frauen und in der Kontrollgruppe 551 Frauen ein erhöhtes TSH und/oder reduziertes fT
4. Bei 390 Frauen in der Screeninggruppe (mediane SSW: 13 + 3), welche mit LT4 behandelt wurden, und bei 404 Frauen in der Kontrollgruppe, welche keine diesbezügliche Therapie erhielten, konnte der IQ der Kinder im Alter von 3 Jahren verglichen werden, wobei der mittlere IQ in der Screeninggruppe mit 99,2 nicht signifikant unterschiedlich zum mittleren IQ von 100,0 in der Kontrollgruppe war [
29]. Zudem gab es auch bzgl. Schwangerschaftskomplikationen keinen signifikanten Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen, und es zeigte eine weitere Untersuchung dieser Studie, dass es auch im Alter von 9,5 Jahren keine signifikanten Gruppenunterschiede bzgl. kognitiver Tests bei den Kindern gab [
27]. Eine rezente zusätzliche Auswertung dieser CATS-Studie zeigte jedoch, dass Kinder von mit LT4 behandelten Frauen bei Übertherapie (gekennzeichnet durch erhöhtes fT
4) signifikant erhöhte Symptome eines Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndroms (ADHS) und weiterer Verhaltensauffälligkeiten zeigten, weswegen die Autoren dieser Arbeit auch betonen, dass auch eine Übertherapie der latenten Hypothyreose in der Schwangerschaft zu Nebenwirkungen führen kann bzw. regelmäßig kontrolliert werden muss [
28]. Obwohl auch Subgruppenanalysen der CATS-Studie mit Frauen ausschließlich vor der 14. SSW keinen signifikanten Effekt einer Therapie mit LT4 zeigten und man auch schlussfolgerte, dass schwangere Frauen routinemäßig (d. h. in der Praxis) oftmals nicht viel früher in der Schwangerschaft einer Diagnostik und Therapie einer latenten Hypothyreose zugeführt werden, bleibt doch eine gewisse Wissenslücke, ob nicht eine sehr früh in der Schwangerschaft eingeleitete Therapie einer latenten Hypothyreose mit LT4 positive Effekte zeigt. Zu dieser Thematik gibt es aus relativ kleinen und teils nicht Placebo-kontrollierten Studien Hinweise, dass eine sehr früh begonnene Therapie, d. h. noch im ersten Trimenon, Schwangerschaftskomplikationen reduzieren könnte [
2,
29‐
32]. Das für die Praxis ableitbare Procedere für die Therapie der latenten Hypothyreose wird auch dadurch erschwert, dass es immer noch keine endgültig klaren und einheitlichen TSH-Grenzwerte in der Schwangerschaft gibt. Die ATA-Richtlinie 2017 empfiehlt diesbezüglich entweder populationsbasierte trimesterspezifische TSH-Grenzwerte oder im ersten Trimester den unteren TSH-Grenzwert um 0,4 mIU/L abzusenken sowie den oberen Grenzwert um 0,5 mIU/L, wodurch sich ein oberer TSH-Grenzwert von ca. 4,0 mIU/L ergeben sollte. Diese Grenzwerte sollen dann graduell im 2. und 3. Trimester an die außerhalb der Schwangerschaft gültigen Grenzwerte angeglichen werden [
8]. Die vormals verwendeten, teils noch niedrigeren TSH-Grenzwerte wurden somit durch eine neue Evidenzlage wieder etwas angehoben [
1,
8‐
10].
Um die teilweise Komplexität der Therapie der latenten Hypothyreose in der Schwangerschaft in Bezugnahme auf die aktuelle Evidenzlage für die Praxis zu erleichtern, empfehlen wir folgendes Vorgehen: Alle schwangeren Frauen mit manifester Hypothyreose sowie mit latenter Hypothyreose mit einem TSH-Wert von ≥ 10,0 mIU/L sind mit LT4 zu therapieren (z. B. initial mit einer täglichen Dosis von 2,33 µg/kg oder ca. 150 µg). Bei einer latenten Hypothyreose im 1. Trimenon mit einem TSH-Wert von > 4,0 mIU/L bis < 10 mIU/L sollte unabhängig vom TPO-AK-Status eine Therapie mit z. B. LT4 50 µg tgl. eingeleitet werden (und wir würden auch bei TPO-AK-positiven Schwangeren und einem TSH-Wert von 2,5 bis 4,0 mIU/L keine LT4-Therapie einleiten, was auch durch eine rezente Metaanalyse unterstützt wird) [
33]. Im 2. und 3. Trimenon kann zwar bei einer latenten Hypothyreose mit einem TSH-Wert von > 4,0 mIU/L bis < 10 mIU/L eine Therapie mit z. B. LT4 50 µg tgl. eingeleitet werden, dies kann aber auch gemäß der aktuellen Evidenzlage unterlassen werden (Individualentscheidung, bei der die Autoren bei nur minimalen TSH-Erhöhungen z. B. < 5,0 mIU/L sich eher gegen eine Therapie entscheiden würden).