Einleitung
Patienten, die unter symptomatischem Vorhofflimmern (VHF) leiden und einer linksatrialen Ablation (in diesem Dokument generell als Pulmonalvenenisolation, PVI bezeichnet, auch wenn zusätzliche Ablationen durchgeführt werden) unterzogen werden, haben häufig einen erhöhten CHA
2DS
2-VASc-Score und damit ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Insbesondere vor, während und nach einer linksatrialen Ablation ist die adäquate Antikoagulation zur Verhinderung systemischer Thrombembolien unverzichtbar. Aufgrund der steigenden Datenlage gegenüber den Vitamin K Antagonisten (VKA), gewinnen auch die nicht-Vitamin K oralen Antikoagulantien (NOAC) in diesem klinischen Zusammenhang an Bedeutung. NOAC weisen gegenüber VKA Vorteile in der klinischen Handhabung auf, die einen schnellen Wirkungseintritt, kurze Halbwertszeiten, die fehlende Notwendigkeit von regelmäßigen Gerinnungskontrollen aufgrund größerer therapeutischer Breite und weniger Medikamenteninteraktionen beinhalten. Bisher bestand in der Anwendung der NOAC im Rahmen der PVI eine uneinheitliche Vorgehensweise. Die aktuellen Empfehlungen basieren auf dem 2017 HRS/EHRA/ECAS/APHRS/SOLAECE Expert Consensus Statement für Katheter- und Chirurgische Ablation von Vorhofflimmern, den ESC Guidelines 2016 zu VHF, beziehungsweise auf praktische Empfehlungen der ERHA (European Heart Rhythm Association) aus 2015 und 2017 [
1,
2]. Bei allen Empfehlungen (Tab.
1), werden auch die dahinterliegenden Publikationen angegeben.
Tab. 1
Consensus-Empfehlungen zur Antikoagulation im Rahmen der Pulmonalvenenisolation
Alle Patienten sollten nach einer PVI zumindest für 8 Wochen weiter antikoaguliert werden (unabhängig vom CHA2DS2-VASC-Score). | Ia | C | |
Die Antikoagulation sollte auch nach einer erfolgreichen PVI bei Patienten mit hohem Schlaganfallrisiko (CHA2DS2-VASC-Score) weitergeführt werden. | Ib | C | |
Die OAK mit VKA soll im Rahmen der PVI ununterbrochen weitergeführt werden (INR 2–3). | Ic | A | |
Die OAK mit Dabigatran soll im Rahmen der PVI ununterbrochen weitergeführt werden. | I | B | |
Die OAK mit Rivaroxaban soll im Rahmen der PVI ununterbrochen weitergeführt werden (präferentiell Abendgabe). | I | B | |
Die OAK mit Apixaban soll im Rahmen der PVI ununterbrochen weitergeführt werden. | IIa | B | |
Die OAK mit Edoxaban soll im Rahmen der PVI ununterbrochen weitergeführt werden. | IIa | C | |
Periinterventionelles Bridging mit niedermolekularen Heparinen soll (bei zuvor bereits antikoagulierten Patienten) vermieden werden. | III | B | |
Intraprozedural wird im Rahmen der PVI die Gabe von unfraktioniertem Heparin mit einer ACT über 300 s empfohlen. | I | B | |
Bei Patienten, die vor der PVI nicht therapeutisch antikoaguliert waren und auf VKA eingestellt werden, ist ein Bridging mit niedermolekularem (s. c.) oder unfraktioniertem (i. v.) Heparin bis zum Erreichen eines therapeutischen INR notwendig. | I | C | |
Bei Patienten, die vor der PVI nicht therapeutisch antikoaguliert waren und auf NOAC eingestellt werden, ist die NOAC-Gabe 3‑5 h nach dem Erreichen der Hämostase sinnvoll (ein Bridging mit Heparin ist nicht indiziert). | IIa | C | |
Bei Patienten, die vor der PVI auf ein NOAC eingestellt sind, kann die morgendliche NOAC Dosis vor der Ablation pausiert werden. | IIa | B | |
Die Durchführung einer transösophagealen Echokardiographie ist bei Patienten sinnvoll, die sich zur PVI im persistierenden VHF präsentieren, auch wenn sie für zumindest 3 Wochen vorher therapeutisch antikoaguliert waren. | IIa | C | |
Die Durchführung einer transösophagealen Echokardiographie ist bei Patienten sinnvoll, die vor der PVI nicht für zumindest 3 Wochen therapeutisch antikoaguliert waren. | IIa | C | |
Die PVI wurde bei selektierten Patienten mit VHF inzwischen als Standardtherapie etabliert [
3,
6]. Obwohl die orale Antikoagulation erst bei Patienten mit VHF und einem CHA
2DS
2-VASc Score ≥2 (Männer) bzw. ≥3 (Frauen) eine Klasse-I Indikation darstellt, sind de facto viele Patienten mit niedrigerem CHA
2DS
2-VASc Score bereits vor der Ablation oral antikoaguliert [
2]. Grundsätzlich wäre in diesem Fall vor der Ablation eine orale Antikoagulation (OAK) für 3–4 Wochen oder ein linksatrialer Thrombenausschluss mittels transösophagealer Echokardiographie indiziert. Die OAK mit VKA vor, während und nach einer PVI sollte mit einem therapeutischen INR von 2–3 eingestellt sein. Die Prozedur selbst beinhaltet jedoch ein relevantes Risiko sowohl für thrombembolische (Insult bis 1 %, stummen zerebralen Läsionen; SZL 5–20 %) als auch für Blutungskomplikationen (Leistenkomplikationen nach Punktion 1,5 %, Perikardtamponade und Hämatothorax 1–2 %)[
4]. Diesbezüglich konnten sowohl randomisierte als auch Registerstudien zeigen, dass die ununterbrochene Gabe von VKA sicherer ist als die überbrückende Therapie mit unfraktioniertem oder niedermolekularem Heparin, sodass ein Bridging nicht mehr durchgeführt werden sollte [
7,
8].
In der Re-Circuit-Studie konnte für die ununterbrochene Gabe von Dabigatran während der PVI eine Reduktion von Blutungen gegenüber VKA gezeigt werden, thrombembolische Ereignisse waren in beiden Gruppen sehr selten [
9]. Die durchgehende Gabe von Rivaroxaban während der PVI wurde im Rahmen der Venture AF Studie untersucht. Auch diese Strategie zeigte vergleichbare Eventraten zu ununterbrochener Gabe eines VKA [
18]. Die bisher lediglich als Abstract präsentierte AEIOU Studie fand bei Apixaban (in zwei verschiedenen Dosierungen) eine ähnliche Effektivität und Sicherheit, wie der VKA [
20]. Randomisierte Studien zur ununterbrochenen Gabe der Faktor Xa Antagonisten Apixaban und Endoxaban sind zu Beginn 2018 zu erwarten.
Dieses Consensus Dokument der Arbeitsgruppe für Rhythmologie der österreichischen Kardiologischen Gesellschaft wurde durch die Zusammenarbeit der Autoren entwickelt und unter den AG Mitgliedern für weitere Kommentare zirkuliert, um einen möglichst breite Übereinstimmung zu erhalten. Dieses Consensus-Dokument stellt eine Leitlinie zum derzeitigen Wissensstand zur Anwendung OAK im Rahmen der Ablation von VHF dar und soll ein homogenes Vorgehen in ganz Österreich ermöglichen.
Wie bei den ESC Guidelines wurden die Consensus-Empfehlungen in Empfehlungsklassen und Evidenzlevel eingeordnet [
2]:
Eine Klasse I Empfehlung bedeutet, dass es Evidenz und/oder generelle Übereinstimmung darüber gibt, dass eine Behandlung günstig, nützlich und effektiv ist und somit durchgeführt werden soll bzw. indiziert ist („SOLL“-Empfehlung).
Bei einer Klasse II Empfehlung gibt es widersprüchliche Evidenz und/oder divergierende Meinungen über den Nutzen oder die Wirksamkeit einer Behandlung. Eine Klasse IIa Empfehlung wird ausgesprochen, wenn die Evidenz und/oder Meinung für eine Behandlung überwiegt („SOLLTE“-Empfehlung). Bei einer Klasse IIb Empfehlung ist der Nutzen oder die Wirksamkeit weniger gut untermauert („KANN“-Empfehlung).
Eine Klasse III Empfehlung wird ausgesprochen, wenn es Evidenz und/oder generelle Übereinstimmung darüber gibt, dass eine Behandlung nicht günstig, nützlich oder effektiv ist oder sogar schädlich sein könnte (nicht indiziert/kontraindiziert).
Ebenso erfolgt die Einteilung der Evidenzlevels nach den ESC Guidelines in [
2]:
Level of Evidence (LOE) A, wenn Daten mehrerer randomisierter und kontrollierter Studien (RCT) oder Meta-Analysen vorliegen; LOE B, wenn eine einzelne RCT oder große non-RCTs vorliegen; LOE C, wenn lediglich Expertenmeinungen, Daten kleinerer Studien, retrospektiver Studien oder aus Registern vorliegen.
Vitamin K Antagonisten
Wegen des verzögerten Wirkungseintritts und -abfalls wurden VKA in der Vergangenheit vielfach „gebridged“, d. h. der VKA wurde in den Tagen vor der Ablation abgesetzt und durch niedermolekulares Heparin ersetzt. In der COMPARE Studie konnte erstmalig gezeigt werden, dass dieses Vorgehen im Rahmen einer PVI gegenüber einer ununterbrochenen Gabe von VKAs mit einem durchgehend bestehenden INR von 2–3 mit einer erhöhten Blutungs- und Schlaganfallrate behaftet ist [
8]. Eine rezente Metaanalyse von Nairooz et al. konnte die Überlegenheit einer durchgehenden Gabe von VKA (Ziel-INR 2–3) gegenüber dem Heparin-Bridging hinsichtlich Endpunkten wie Schlaganfall oder Blutung bestätigen [
37]. Somit ist im Falle einer periprozeduralen Gabe eines VKA in jedem Fall die ununterbrochene Gabe angezeigt, was in den rezenten Guidelines der ESC zum VHF 2016 mit einer IIa-Indikation und in HRS/EHRA/APHRS/ECAS/SOLAECE Consensus-Papier 2017 mit einer Klasse I Indikation versehen ist. Die OAK sollte (auch bei niedrigem CHA
2DS
2−VASc Score ≤1) zumindest 3–4 Wochen vor dem Eingriff begonnen werden, alternativ kann eine transösophageale Echokardiographie erfolgen [
1,
2].
Die bereits erwähnte RE-CIRCUIT Studie untersuchte Blutungs- und Schlaganfallraten bei Patienten im Rahmen einer PVI unter VKA vs. Dabigatran. Die Rate an schweren Blutungen war im VKA Arm mit 6,9 % ungewöhnlich hoch und nicht im Bereich sonstiger zur ununterbrochenen VKA Therapie durchgeführten Studien [
9]. Eine rezente Metaanalyse von Wu et al. mit mehr als 11.000 Patienten, die einer PVI unterzogen wurden, zeigte keinen Unterschied in der Rate an Schlaganfällen oder schweren Blutungen beim periprozeduralen Einsatz von NOAC gegenüber dem Einsatz von VKA [
38].
Insgesamt stellt somit der ununterbrochene Einsatz von VKA mit einem Ziel INR von 2–3 eine sowohl durch Studiendaten als auch durch Guidelines abgesicherte Therapieoption bei Patienten im Rahmen der PVI dar.
Dabigatran
Dabigatran ist ein direkter Thrombininhibitor und war das erste NOAC, das auf den Markt gekommen ist. Die Substanz wurde in der RELY-Studie an über 18.000 Patienten mit nicht-valvulärem VHF in 2 Dosierungen getestet. Beide Dosierungen waren Warfarin hinsichtlich des primären Endpunkts (Schlaganfall und systemischer Embolie) nicht unterlegen. Die höhere Dosierung mit Dabigatran 150 mg 2 × täglich war dem Warfarin hinsichtlich dem Auftreten von Schlaganfall und systemischer Embolie überlegen (RR 0.65, 95 % CI: 0.52–0.81;
p < 0,001) und konnte als einziges NOAC das Auftreten eines ischämischen Schlaganfalls, bei gleicher Blutungsrate, gegenüber Warfarin reduzieren (HR 0.75; 95 % CI: 0.58–0.97;
p = 0,03). Darüber hinaus fand sich eine Reduktion der vaskulären Mortalität, eine Reduktion der Gesamtmortalität wurde knapp nicht erreicht. Die niedrigere Dosierung mit 110 mg 2 × täglich war gleich effektiv wie Warfarin hinsichtlich ischämischer Insulte und systemischer Embolien. Das Auftreten schwerer und lebensbedrohlicher Blutungen wurde signifikant reduziert, die intrakranielle Hämorrhagie war in beiden Dosierungen signifikant geringer [
39]. Diese positiven Ergebnisse konnten in mehreren Datenbankenanalysen („Real world“ Daten) bestätigt werden und zeigen sich auch bei Anwendung über längere Zeit konstant [
40‐
44].
Mit Idarucizumab steht das erste spezifische und derzeit einzig zugelassene Antidot für ein NOAC zu Verfügung. Idarucizumab ist ein monoklonales, humanisiertes Antikörperfragment und bindet mit einer 350-mal höheren Affinität an die Thrombin-bindende Stelle von Dabigatran als an Thrombin. Dadurch hebt Idarucizumab die gerinnungshemmende Wirkung von Dabigatran sehr rasch und vollständig auf, wie in Studien mit gesunden Probanden und bei Patienten mit milder bis moderater Niereninsuffizienz gezeigt werden konnte [
10,
11]. In der REVERSE-AD wurde Idarucizumab an Patienten untersucht, die eine unkontrollierbare bzw. lebensbedrohende Blutung hatten oder eine(
n) dringende(
n) Intervention bzw. chirurgischen Eingriff benötigten. Sie konnte zeigen, dass die Gerinnungshemmung nach Gabe von Idarucizumab innerhalb von Minuten aufgehoben werden kann. Bisher gibt es keinen Hinweis auf Nebenwirkungen im Sinne von immunogenen oder prothrombotischen Effekten [
10‐
13].
Zahlreiche Studien konnten die Sicherheit und Effektivität von Dabigatran im Rahmen von Ablationen zeigen [
14‐
16,
45‐
51]. Diese wurden auch im Rahmen einer Meta-Analyse bestätigt [
17]. Allerdings waren die meisten nur Beobachtungsstudien und die Gabe von Dabigatran wurde unterschiedlich lange vor dem Eingriff pausiert. Die RE-CIRCUIT Studie untersuchte prospektiv die ununterbrochene Gabe von Dabigatran (2 × 150 mg) im Vergleich zu ununterbrochenem Warfarin (INR 2–3) bei 704 Patienten, die sich einer PVI unterzogen. Der primäre Endpunkt war das Auftreten von schwerwiegenden Blutungen. In der Dabigatran Gruppe zeigten sich signifikant weniger schwere Blutungen (5 [1,6 %] vs. 22 [6,9 %] Ereignisse; relative Risikoreduktion 77 %; absolute Risikoreduktion 5,3 %). In der Studie wurde lediglich ein thrombembolisches Ereignis in der Warfarin-Gruppe beobachtet. Einschränkend muss gesagt werden, dass die Studie ohne Nullhypothese geplant wurde, da aufgrund der niedrigen Inzidenz der Ereignisse zu viele Patienten eingeschlossen werden müssten und daher nur explorativen Charakter hat. Trotzdem erscheint durch zunehmende Fallzahlen und Evidenz eine ununterbrochene Gabe von Dabigatran sicher und effektiv [
9].
Rivaroxaban
In der ROCKET-AF Studie war der Faktor Xa-Antagonist Rivaroxaban einem VKA (Warfarin) in der Vermeidung von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei Patienten mit nicht-valvulärem VHF nicht unterlegen. Es bestand auch kein signifikanter Unterschied in Hinblick auf das Risiko schwerwiegender Blutungen, wobei intrakranielle und tödliche Blutungen unter Rivaroxaban jedoch seltener auftraten [
52].
Für das NOAC Rivaroxaban liegen bei der PVI im Vergleich zu VKA die Ergebnisse einer kleinen, jedoch randomisierten Studie (VENTURE-AF) sowie mehrerer Register, zusammengefasst in einer Meta-Analyse von Vamos et al., vor [
18,
19]. Die Meta-Analyse detektierte dabei keine relevanten Unterschiede in Hinblick auf Effektivität und Sicherheit zwischen Rivaroxaban und VKA.
Da sowohl aus Gründen der Praktikabilität als auch der Sicherheit während der Katheterablation eine ununterbrochene bzw. nicht-„gebridgte“ OAK-Gabe von besonderem Interesse ist, sollen hier die Ergebnisse der VENTURE-AF Studie, die in diesem Setting die ununterbrochene Gabe von Rivaroxaban und VKA verglich, beleuchtet und als Leitfaden verwendet werden [
18]:
Es wurden 248 typische Kandidaten für eine Katheterablation 1:1 zwischen Rivaroxaban (20 mg/Tag – Abendeinnahme empfohlen) und VKA (INR zwischen 2.0 und 3.0) randomisiert. Die OAK wurde 1–7 Tage (dann war ein Thrombenausschluss mit transösophagealer Echokardiographie oder intrakardialem Ultraschall erforderlich) oder dokumentiert für durchgehend 3 Wochen vor der Intervention begonnen. Die letzte Gabe von Rivaroxaban erfolgte (präferenziell am Abend) am Tag vor der Ablation und die erste Gabe danach 6–12 h nach Erreichen der Hämostase. Während der Intervention wurde unfraktioniertes Heparin (mit einem ACT Zielwert von 300–400 Sek) verabreicht. Die OAK-Therapie wurde über mindestens 4 Wochen nach dem Eingriff gegeben. In beiden Therapiearmen waren die Raten der Blutungs- und Thrombembolie-Ereignisse niedrig und vergleichbar, d. h. Rivaroxaban den VKA nicht unterlegen.
In Hinblick auf die Verwendung von niedrigeren Rivaroxaban-Dosen (15 mg/Tag) oder die Verhinderung von stummen zerebralen Ischämien (nachgewiesen mittels prä- und post-interventionellem MRI) liegen keine Daten aus randomisierten Studien zwischen Rivaroxaban und VKAs vor.
Apixaban
Die Überlegenheit von Apixaban in der Thrombembolie-Prophylaxe im Vergleich zu VKA bei Patienten mit nicht-valvulärem VHF wurde in ARISTOTLE nachgewiesen [
53]. Innerhalb von 1,8 Jahren Follow-up konnten in dieser Studie das Auftreten eines Schlaganfalls oder einer Thrombemolie relativ um 21 % (1,27 % vs. 1,6 %) und das von schweren Blutungen relativ um 31 % (2,13 % vs. 3,09 %) reduziert werden. Im Gegensatz zu anderen NOAC schlug sich dieser Vorteil auch in einer 10%igen relativen Risikoreduktion in der Gesamtmortalität (3,52 % vs. 3,94 %) der Patienten unter 2 × 5 mg Apixaban nieder. Der Netto-Benefit der neuen Substanz konnte auch in retrospektiven Analysen von großen nationalen Datenbanken gezeigt werden und ist daher mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf die Patienten der täglichen Praxis übertragbar [
54].
Apixaban wird auch bei Patienten angewandt, die sich einer PVI unterziehen lassen. Eine Reduktion von Thrombembolien ohne eine Zunahme von Blutungen konnte schon in monozentrischen, kleinen Studien und einem prospektiven Register gezeigt werden [
21‐
23]. Auch eine Metaanalyse, in der 4 Studien und insgesamt fast 1700 Patienten zusammengefasst wurden, konnte keine signifikanten Unterschiede zwischen Apixaban und VKA finden, wenn die beiden Medikamente jeweils ohne Unterbrechung im Rahmen einer PVI appliziert wurden [
24]. Eine zweite Metaanalyse kam zu dem Resultat, dass Apixaban im Rahmen der PVI ähnlich effektiv in der Verhinderung thrombembolischer Ereignisse bei gleichzeitig überlegener Sicherheit bezüglich schwerer Blutungen ist [
25]. Auch hinsichtlich der SZL zeigte sich in einer (sehr kleinen) Kohorte ein günstiger Effekt: Eine cerebrale MRT am Tag nach der Ablation wurde in dieser Publikation zwar nur bei 29 Patienten im Apixaban-Arm durchgeführt, Pathologien fanden sich jedoch bei keinem einzigen Patienten [
23].
In der AEIOU Studie wurde Apixaban in zwei verschiedenen Dosierungen untersucht und am HRS Kongress in Chicago im Mai 2017 präsentiert. Apixaban, ununterbrochen oder unterbrochen, zeigte eine ähnliche Effektivität wie ein ununterbrochener VKA in der Verhinderung von Schlaganfall und systemischer Thrombembolie. Auch die Blutungsraten zeigten sich vergleichbar mit insbesondere wenigen schweren Blutungen. Ohne der Vollpublikation dieser Studie vorgreifen zu wollen, kann aus den bisherigen Ergebnissen wohl abgeleitet werden, dass eine Therapie mit Apixaban im Rahmen einer PVI ununterbrochen oder einmal unterbrochen (Pausieren der Morgendosis vor Ablation) effektiv und sicher ist [
20].
Die ununterbrochene Apixaban-Therapie im Rahmen einer PVI wird derzeit in der randomisierten, prospektiven und multizentrischen AXAFA-AFNET-5 Studie untersucht [
55]. In diesem Protokoll, bei dem auch 4 Österreichische Zentren beteiligt sind, werden ca. 650 Patienten entweder mit VKA oder mit Apixaban 1 Monat vor bis 3 Monate nach einer PVI verglichen. Neben der Rate an neurologischen Defiziten und Blutungen unter den Substanzen wird auch das Auftreten von SZL in der MRT am Tag nach der Ablation untersucht. Erste Ergebnisse wurden im März 2018 (EHRA meeting) als late breaking clinical trial angekündigt.
Ohne die Ergebnisse dieser wichtigen Studie vorzugreifen, kann aus den bisherigen Ergebnissen wohl abgeleitet werden, dass eine Therapie mit Apixaban im Rahmen einer PVI nicht unterbrochen werden muss bzw. sollte.
Edoxaban
Mit Edoxaban ist seit 2017 der bisher dritte Faktor Xa Inhibitor am Europäischen Markt verfügbar. Die Sicherheit und Wirksamkeit dieser Substanz bei Patienten mit VHF im Vergleich mit Warfarin wurde in der ENGAGE AF-TIMI 48 Studie nachgewiesen [
26]. In eine Subgruppen-Analyse dieser großen randomisierten Studie wurden 169 Patienten eingeschlossen, die einer PVI unterzogen wurden [
56]. Innerhalb von 30 Tagen nach dem durchgeführten Eingriff wurde ein ischämischer Schlaganfall in der VKA Gruppe im Vergleich zu keinem Ereignis unter einer der beiden Edoxaban-Dosierungen verzeichnet. Hinsichtlich der Blutungen war Edoxaban der Kontrollgruppe numerisch überlegen. So wurden drei relevante Blutungen in der VKA, aber nur eine schwere Blutung unter 60 mg und eine leichte Blutung unter 30 mg Edoxaban beschrieben. Als Einschränkung dieser Analyse ist jedoch anzumerken, dass die Fallzahlen sehr klein waren und die Dauer der Unterbrechung der Studienmedikation den behandelten Ärzten freigestellt wurde. Hinsichtlich genauer Daten zur Verwendung von Edoxaban während einer PVI werden die Ergebnisse der ELIMINATE-AF Studie für 2019 erwartet. Bei dieser Studie wird der VKA oder 30 mg/60 mg Edoxaban ohne Unterbrechung während der PVI randomisiert verglichen.
Kontroversiell ist bisher das Management bei Auftreten einer schweren Blutung unter allen Faktor-Xa Inhibitoren, insbesondere bei einer Perikardtamponade oder einer nötigen (z. B. vaskulären) Akut-Operation. Nachdem für die Faktor-Xa Inhibitoren noch kein direktes Antidot im Handel ist, müssen diese Patienten mangels Alternativen mit Frischplasma oder Gerinnungsfaktoren behandelt werden. Die klinische Anwendung des ersten Antidots (Andexanet Alfa) ist derzeit in Erprobung, die Einführung im Europäischen Markt ist allerdings nicht vor 2018 zu erwarten [
57].
Zusammenfassung
Die Consensus-Empfehlungen werden in Tab.
1 dargestellt. Grundsätzlich sollte für die OAK während der PVI ein institutionelles Vorgehen vorliegen, das auf der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage und den Erfahrungen des jeweiligen Zentrums mit der Antikoagulation beruht.
Zusammenfassend kann, mit unterschiedlichen Empfehlungsklassen und Evidenzgraden, die ununterbrochene OAK im Rahmen der PVI, sowohl für VKA als auch für sämtliche derzeit verfügbare NOAC (inklusive morgentliche Gabe), empfohlen werden. Es kann bei NOAC ebenso eine zeitliche Unterbrechung mit Pausieren der morgendlichen Gabe und einem Neustart erfolgen. Ein Switch von NOAC auf VKA vor Ablation ist prinzipiell möglich. Für ein individuelles Vorgehen können modifizierende Faktoren miteinbezogen werden, die das Intervall der Unterbrechung mitbestimmen: Nierenfunktion, CHA2DS2-VASc-Score, Erfahrung in der transseptalen Punktion, zusätzliche Bildgebung zur transseptalen Punktion (intrakardialer Ultraschall/transösophageales Echo), geplante zusätzliche Ablation zur PVI. Auch bei niedrigem CHA2DS2-VASc-Score ist eine OAK 3–4 Wochen vor dem Eingriff indiziert, alternativ ist ein Ausschluss intraatrialer Thromben mittels transösophagealer Echokardiographie möglich. Eine OAK ist zumindest 8 Wochen nach dem Eingriff indiziert und danach vom Risikoprofil des Patienten, nach dem CHA2DS2-VASc-Score abhängig. Periinterventionelles Bridging mit Heparinen sollte aufgrund der vermehrten Blutungsereignisse vermieden werden.
Der vorliegende Consensus stellt Empfehlungen nach dem derzeitigen Wissensstand dar und wurde ausschließlich von Mitgliedern der Arbeitsgruppe Rhythmologie der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft erstellt, welche große praktische Erfahrung in der Katheterablation und periinterventionellen OAK bei Patienten mit VHF besitzen. Es ist in den nächsten Monaten die Veröffentlichung neuer randomisierter und kontrollierter Studien zum vorliegenden Thema zu erwarten, sodass es sicherlich zu Änderungen in den Empfehlungen kommen wird. Die AG-Rhythmologie der ÖKG wird sich bemühen, diese S1-Leitlinie regelmäßig auf dem neuesten Stand zu halten. Wir hoffen, durch diese Leitlinie die Sicherheit der Patienten, die einer PVI unterzogen werden, zu erhöhen und für die behandelnden Ärzte, ein österreichweit möglichst homogenes Vorgehen zu ermöglichen.
Interessenkonflikt
M. Martinek: Vortragshonorare, Mitglied bei Advisory Boards, Fortbildungsunterstützungen von Boehringer-Ingelheim, Bayer, BMS, Pfizer. M. Gwechenberger: Vortragshonorare, Mitglied bei Advisory Boards, Fortbildungsunterstützungen von Boehringer-Ingelheim, Bayer, Daichii, BMS. D. Scherr: Vortragshonorare von Boehringer-Ingelheim, Bayer, BMS, Daiichi. C. Steinwender: Vortragshonorare Boehringer-Ingelheim, Bayer, Daiichi-Sankyo. M. Stühlinger: Vortragshonorare Boehringer-Ingelheim, Bayer, BMS, Pfizer, Daiichi-Sankyo. H. Pürerfellner: Vortragshonorare oder Honoraria von Bayer, Daiichi-Sankyo, Boehringer-Ingelheim, Pfizer, Abbott, Biosense-Webster, Boston Scientific, Medtronic. F.X. Roithinger: Vortragshonorare, Mitglied bei Advisory Boards, Fortbildungsunterstützungen von Boehringer-Ingelheim, Bayer, BMS, Abbott, Daiichi-Sankyo, Pfizer, Biosense-Webster, Boston Scientific, Medtronic. L. Fiedler: Vortragshonorare, Mitglied bei Advisory Boards, Fortbildungsunterstützungen von Boehringer-Ingelheim, Bayer, BMS, Abbott.