Ein 49-jähriger Kraftsportler leidet seit Monaten unter Schmerzen in der rechten Schulter, die ihn insbesondere beim Training beeinträchtigen.
Die Diagnose: Ein subakromiales Impingementsyndrom, eine der häufigsten Ursachen für Schulterschmerzen, welche die Supraspinatussehne und umliegende Strukturen im Schultergelenk betreffen.
Ein 49-jähriger Kraftsportler hat seit über drei Monaten Schmerzen in der rechten Schulter beim Bankdrücken, Seitheben, Training bzw. Arbeiten über Kopf. Bei der körperlichen Untersuchung ist der untere „Painful Arc“, das Zeichen nach Hawkins sowie nach Neer positiv. Eine Magnetresonanztomografie (MRT) bestätigt ein Impingementsyndrom.
Nach Rotatorenmanschettenläsionen stehen Impingementbeschwerden mit 74 Prozent an zweiter Stelle der häufigsten Diagnosen bei Schulterschmerzen. Unter dem subakromialen Impingementsyndrom versteht man Einklemmungsphänomene der Supraspinatussehne, Bursa oder langen Bizepssehne zwischen Humeruskopf und coracoacromialem Schulterdach.
Grundsätzlich können Impingementformen mit glenohumeral zentriertem von solchen, mit dezentriertem Humeruskopf unterschieden werden. Die Migration des Humeruskopfs resultiert aus dem gestörten Zusammenspiel von Agonisten und Antagonisten der das Schultergelenk zentrierenden Muskulatur. Die Einteilung in ein primär- oder sekundär-extrinsisches (Outlet-) und intrinsisches (Non-Outlet-) Impingement hat sich etabliert (siehe Tab.)
Anamnese
Die typische Anamnese beschreibt einen Schmerz beim Anheben und Absenken des Arms zur Seite und nach vorne, insbesondere zwischen ca. 60°- und 120°-Abduktion (schmerzhafter Bogen, Painful Arc). Der Beginn ist schleichend und steht nicht im Zusammenhang mit einem spezifischen Ereignis oder Trauma. Schmerzen im Bereich der Schulter werden insbesondere ventral und lateral angegeben, beim Heben des Arms zur Seite und nach vorne über die Horizontale sowie bei repetitiver Überkopfarbeit. Die Schmerzen treten vorrangig bei sportlicher oder alltäglicher Belastung auf, können aber auch in Ruhe und nachts vorkommen.
Klinische Untersuchung
Es wird auf Fehlhaltungen, Hoch-/ Tiefstand der Schulter, Schulterrelief, Muskelatrophien (insbesondere M. deltoideus, M. supraspinatus und infraspinatus) sowie auf die statische und dynamische Scapulaposition geachtet. Es wird das Akromion, Schultereckgelenk, Tuberculum majus und minus sowie der Bizeps-Sulcus palpiert und auf Druckschmerzhaftigkeit geachtet. Die Bewegungsprüfung umfasst auch den Nacken- und Schürzengriff. Die Beweglichkeit (aktiv und passiv) wird nach der Neutral-Null-Methode dokumentiert.
Painful Arc: Zwischen 60°- und 120°-Abduktion weist er auf eine Pathologie im Subakromialraum hin. Ein positiver Painful Arc zwischen 140°- und 180°-Abduktion spricht hingegen für eine Acromioclaviculargelenk(ACG)-Pathologie, da es hierbei zu einer erhöhten Kompression des Akromions gegen das laterale Clavicula-Ende kommt. Der ausgelöste Schmerz bleibt jedoch über dem ACG lokalisiert.
Test nach Neer: Beim Impingementtest nach Neer steht der Untersucher hinter dem Patienten und fixiert mit einer Hand die Scapula, während die andere den innenrotierten Patientenarm in die forcierte Elevation in der Scapulaebene anhebt. Dabei kommt es aufgrund des mechanischen subakromialen Konflikts zwischen Tuberculum majus und Fornix humeri zu einer Schmerzprovokation. Eine Wiederholung in Außenrotation des Arms führt dann eher zur einer Schmerzlinderung.
Hawkins-Test: Der antevertierte Arm des Patienten wird bei 90°-flektiertem Ellenbogen forciert maximal innenrotiert. Eine entsprechende Schmerzangabe des Patienten weist auf ein subakromiales oder subcoracoidales Impingement hin.
Diagnostik mit Bildgebungsverfahren
In der Sonografie können dynamisch und statisch die Integrität der Rotatorenmanschette (RM) sowie Veränderungen der Bursa subacromialis gut dargestellt werden.
Das konventionelle Röntgen der Schulter in drei Ebenen (true a. p., axial und outlet-view) gehört zur Basisdiagnostik. Es kann Impingement-typische knöcherne Veränderungen wie Akromionsporn, ACGArthrose mit kaudalen Osteophyten, Os acromiale sowie eine Anomalie des Processus coracoideus identifizieren. Zusätzlich können Kalkdepots in der RM oder ein Humeruskopfhochstand als Zeichen einer RM-Ruptur vorliegen. Die MRT erlaubt eine klare Zuordnung der weichteiligen Strukturen des Schultergelenks und hat einen hohen Stellenwert in der Abklärung des Schulterimpingements. Es können Teil- oder Komplettrupturen der RM, subakromiale oder subcoracoidale Bursitiden, Kalkdepots, Knorpelläsionen, Zysten oder pathologische Veränderungen der langen Bizepssehne dargestellt werden (siehe Abb.) .
Konservative Behandlung
Fehlen struktureller Schäden, steht die konservative Therapie im Vordergrund. In der Akutphase können nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), eine lokale Infiltration oder eine temporäre Immobilisierung zur Schmerzreduktion bzw. Symptomlinderung führen. Um die Beschwerden langfristig zu bessern, liegen die Hauptziele der konservativen Therapie in der Wiederherstellung des physiologischen scapulothorakalen Gleitrhythmus und der Humeruskopfzentrierung. Dies ist die Domäne der Physio- bzw. manuellen Therapie. Insbesondere eine eigenständige Übungstherapie – zunächst unter Anleitung – ist indiziert. Das Core-Workout hat eine große Bedeutung, insbesondere in Hinblick auf Muskelkräftigung und Haltungsverbesserung. Unterstützend sind physikalische Maßnahmen wie Thermo- bzw. Elektro- oder Stoßwellentherapie hilfreich.
Operative Behandlung
Eine Operation kommt in Betracht, wenn sich die Beschwerden nach drei bis sechs Monaten unter intensiver konservativer Therapie nicht bessern. Bei einem subakromialen Outlet-Impingement ist das Ziel, den Subakromialraum durch die partielle Resektion des mechanischen Hindernisses zu erweitern. Nach arthroskopischer Akromioplastik dauert die Arbeitsunfähigkeit durchschnittlich bis zu drei Monate.
Dr. Markus-Johannes Rueth ist als Leiter der Abteilung für Sportorthopädie, Muskuloskelettales Zentrum Marktredwitz, im Klinikum Fichtelgebirge tätig.
Der Originalbeitrag „Impingementsyndrom der Schulter“ ist erschienen in „MMW-Fortschritte der Medizin 8/2024“; https://doi. org/10.1007/s15006-024-4339-8 © Springer Verlag