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Ärzte Woche

07.02.2022

Robo-Doc

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist , Medizin-Kabarettist Dr. Ronny Tekal

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© nadia_bormotova // istock

Wenn ein geflüchteter Saugroboter für Furore sorgt.

Ich war schon immer der Auffassung, dass man unbelebten Dingen nicht zu wenig Aufmerksamkeit schenken sollte. Und es möge den ersten Stein werfen, der noch nie einen Stein beschimpft hat, über den er gestolpert ist. Zumindest trägt der Stein Teilschuld. Dass wir Dinge personalisieren, ist nichts Neues. Als Kind war es der Teddybär, als Erwachsener das Auto. 40 Prozent geben ihrem Fahrzeug einen Namen: Baby, Flocki und Frosch(i) sind zurzeit die Top 3. Bemerkenswert sind auch die vom Sexualtherapeuten Bernhard Ludwig beobachteten Aussagen „Ich steh da vorne“, bei der man sich als Einheit mit seinem Fahrzeug sieht, wohingegen man das eigene Geschlechtsteil nicht als zugehörig empfindet: „Er steht nicht!“. Die Prioritäten sind klar verteilt und jeder zehnte jugendliche Smartphone-User könnte, Studien zufolge, über Wochen eher auf den Partner verzichten als auf das Handy, wohl auch, da der Partner keinen Flugmodus hat.

Tatsächlich haben zahlreiche Gegenstände auch zutiefst fiese Charaktereigenschaften: Die Ampel schaltet just dann auf Rot, wenn wir uns nähern, der Computer beginnt sein stundenlanges Update, wenn wir ein wichtiges Mail schreiben müssen und selbst der glamouröse Gala-Abend, zu dem man in glitzernder Abendrobe mit der Stretch-Limousine vorfährt, scheitert an der Security, weil die Grüne-Pass-App „im Sinne unserer Kunden“ über Nacht gewartet wird. Mein Kaffeevollautomat ist ohnehin ein Tamagotchi, das ständig nach „Wasser“, „Entkalkung“, „Kaffeesatzbehälter entleeren“, „Zuneigung ergänzen“, „Luft“ und „Liebe“ verlangt. Allerdings macht er hervorragenden Kaffee und ich bin beschämt, dass ich mich zu selten bei ihm dafür bedanke.

Kürzlich hat ein entlaufener Saugroboter aus Niederösterreich sogar international für Schlagzeilen gesorgt. Wie auf der Überwachungskamera zu sehen war, ist „Fluffy“ in einem unbeobachteten Moment aus einem Geschäft gefahren und wurde lange nicht gefunden. So etwas berührt, denn die elektronischen Staubsauger sind für Allergiker, die sich ein Haustier wünschen, ein würdiger Ersatz. Nun wird gerätselt, was Fluffy zur Flucht bewogen und warum er die Überwachungskamera nicht ausgeschaltet hat. Solche Projektionsobjekte funktionieren, sodass man sich mit einem empathischen Volleyball auf einer einsamen Insel besser unterhalten kann als mit einem apathischen Partner auf der Fernsehcouch. Im Gesundheitswesen denkt man bereits über die Möglichkeit nach, den unverschämten Forderungen des Pflegepersonals nach einem Gehalt im vierstelligen Eurobereich Paroli zu bieten, indem man kostengünstigere Pflegeroboter einsetzt. Die sind zum Glück gewerkschaftlich noch nicht organisiert. Bis wir aus diesem Grund auch durch den Robo-Doc ersetzt werden, wird es wohl noch dauern. Doch es ist auch nur eine Frage der Zeit, bis auch diese medizinischen Helferlein vor lauter Überforderung massenhaft aus den Kliniken flüchten.

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Metadaten
Titel
Robo-Doc
Publikationsdatum
07.02.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 7/2022

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