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Ärzte Woche

27.05.2022

Ritter aus dem fernen Osten

verfasst von: Martin Krenek-Burger

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Die Awaren beherrschten fast 250 Jahre lang weite Teile Mittel- und Osteuropas. Als belegt gilt, dass sie im sechsten Jahrhundert unserer Zeit aus Zentralasien kamen, doch ihre Herkunft blieb bisher antiken Autoren und modernen Historikern gleichermaßen ein Rätsel.

Avaria – so hieß das Gebiet an der Donau, aus dem später einmal Niederösterreich, Burgenland und Nordwestungarn entstehen würde, im frühen Mittelalter: Awarische Mark. Die namensgebenden Awaren bildeten hier eine militärische Oberschicht, ihre stark gepanzerten Reiterkrieger waren die Vorbilder für die europäischen Ritter späterer Jahrhunderte. Dennoch blieb die Herkunft der Awaren, der neuen Hunnen, schon den Zeitgenossen verborgen. Nun hat ein Forschungsteam bestehend aus Genetikern, Archäologen und Historikern alte Genome aus den bedeutendsten Stätten der Awaren-Elite untersucht. Die Studie verortet den genetischen Ursprung der Awaren in einer weit entfernten Region Ost-Zentralasiens.

In den 560er-Jahren errichteten die Awaren im Karpatenbecken ein Reich, welches mehr als 200 Jahre lang bestand. Man kennt sie aus historischen Quellen ihrer Feinde, der Byzantiner, die sich nach dem Auftauchen der furchterregenden Reiter-Krieger in Europa gewundert hatten, woher diese ursprünglich kamen. Stammten sie aus dem Rouran-Khaganat in der mongolischen Steppe, welches damals gerade von den Türken zerstört worden war, oder sollte man den damaligen Türken glauben, die ein solch prestigeträchtiges Erbe bestritten? Historiker haben sich gefragt, ob es sich um eine gut organisierte Migrantengruppe oder um Geflüchtete handelte.

Die Awaren selbst hinterließen keine schriftlichen Aufzeichnungen, doch die nun in Ungarn erhobenen Genom-Daten liefern Hinweise auf ihre Herkunft. Ein Forscher-Team, an dem die Österreichische Akademie der Wissenschaften beteiligt war, analysierte das Erbgut von 66 Individuen aus dem Karpatenbecken. „Wenn wir die archäogenetischen Ergebnisse in den historischen Kontext bringen, lässt sich der Zeitpunkt der Awaren-Wanderung eingrenzen. Sie legten in wenigen Jahren mehr als 5.000 km zurück – von der Mongolei zum Kaukasus – und ließen sich weitere zehn Jahre später im heutigen Ungarn nieder. Es handelt sich um die schnellste bisher rekonstruierte Fernmigration der Menschheitsgeschichte“, sagt Co-Autor Choongwon Jeong (Seoul). Die Forscher fanden eine hohe Variabilität der Abstammung in der südungarischen Fundstätte Kölked. Diese zeigte, dass die eingewanderten Awaren mithilfe einer alteingesessenen Oberschicht über eine genetisch diverse Bevölkerung herrschte.

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Metadaten
Titel
Ritter aus dem fernen Osten
Publikationsdatum
27.05.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 23/2022

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