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Erschienen in: neuropsychiatrie 1/2020

Open Access 23.01.2020 | Psychiatrie Psychosomatik Psychotherapie | review

Review über Psychopharmaka mit Zulassung in Österreich für die Anwendung an Kindern und/oder Jugendlichen

verfasst von: Mercedes Huscsava, Christine Vesely, Christian Scharinger, Paul Plener, Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie

Erschienen in: neuropsychiatrie | Ausgabe 1/2020

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Zusammenfassung

Bei entsprechender Indikation für eine medikamentöse Behandlung wird im Rahmen der psychopharmakologischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen auf wenige zugelassene Substanzen zurückgegriffen. Um den aktuellen Zulassungsstand der in Österreich verfügbaren Psychopharmaka für die Altersgruppe der unter 18-Jährigen zu erfassen, und damit einen Baustein für eine informierte Aufklärung bereitzustellen, wurde das Arzneispezialitätenregister des österreichischen Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen systematisch durchsucht. Die entsprechenden Detailtabellen sind abgebildet.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Im Zuge einer klinikinternen Arbeitsgruppe der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Medizinische Universität Wien, zur Erstellung umfassender Aufklärungsmaterialien für die psychopharmakologische Behandlung minderjähriger Patient*innen wurde der aktuelle Zulassungsstand in Österreich in dieser Altersgruppe überprüft. Geschuldet ist diese Aufarbeitung letztlich der Tatsache, dass Inhalt und Umfang der Aufklärung die Gültigkeit der Einwilligung der Patient*innen und der Erziehungsberechtigten bestimmen [1]. Dabei ist zu beachten, dass, begrenzter Datenlage folgend, selbst erheblich beeinträchtigte Minderjährige durchaus angemessen in der Lage sein können, mitbestimmend am therapeutischen Entscheidungsprozess teilzunehmen [2]. Demnach muss das konkrete Vorgehen immer auf das jeweilige Gegenüber abgestimmt werden.
Um einen wesentlichen Baustein für informierte Aufklärungen in der oben angeführten Patient*innengruppe bereitzustellen, wurde das Arzneispezialitätenregister [3] des österreichischen Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen systematisch nach den relevanten ATC Codes (Anatomisch-Chemisch-Therapeutisches Klassifikationssystem) abgefragt und die Fachinformationen aller resultierenden Arzneimittel jeweils pro Hersteller und Darreichungsform sondiert. Das ist insofern relevant, da die Zulassung für bestimmte Indikationsgebiete, Darreichungsformen, Dosierungen, sowie ggf. Patientengruppen erfolgt und eine Zulassungsüberschreitung bereits bei Verletzung einer dieser Schranken gegeben ist [4].
Tab. 123 und 4 erheben, bei aller Sorgfalt, keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weiter wird hiermit keinerlei Behandlungsempfehlung ausgesprochen, sondern lediglich der aktuelle Zulassungsstand abgebildet. Letzterer hat im Besonderen im Rahmen der erhöhten Aufklärungspflicht bei einem Off-Label-Use Relevanz, weil in diesem Zusammenhang unter Anderem zugelassene Medikamente besprochen werden müssen (siehe dazu Leitlinie zum „Off-Label-Use“ von Psychopharmaka im Kindes- und Jugendalter [5]).
Tab. 1
Antidepressiva (ATC N06A)
Wirkstoff
Alter
Indikation
Einschränkung
Sonstiges
Amitriptylin
Ab 6 Jahren
Enuresis nocturna
Organische Ursache, inkl. Spina bifida und verwandte Störungen, muss ausgeschlossen sein
Wenn kein Ansprechen mit allen anderen medikamentösen und nicht-medikamentösen Behandlungsmaßnahmen, inkl. Antispastika und Vasopressin-verwandten Arzneimittel
Sollte nur von Ärzt*innen mit Erfahrung in der Behandlung von persistierender Enuresis verordnet werden
Clomipramin
Ab 5 Jahren
Zwangsstörung
Zulassung gilt für Dragees, nicht für Retardtabletten!
Fluoxetin
Ab 8 Jahren
Mittelgradige bis schwere Depression
Wenn nach 4–6 Sitzungen kein Ansprechen auf psychologische Behandlung
Sollte nur in Kombination mit einer psychologischen Behandlung verabreicht werden
Fluvoxamin
Ab 8 Jahren
Zwangsstörung
Über max. 10 Wochen
Sertralin
Ab 6 Jahren
Zwangsstörung
Tab. 2
Antipsychotika (ATC N05A)a
Wirkstoff
Alter
Indikation
Einschränkung
Sonstiges
Aripiprazol
Ab 13 Jahren
Mäßige bis schwere manische Episoden bei Bipolar-I-Störung
Über max. 12 Wochen
Ab 15 Jahren
Schizophrenie
Clozapin
Ab 16 Jahren
Therapieresistente Schizophrenie
Therapieresistenz = klinisch unzureichendes Ergebnis nach Behandlung mit 2 Antipsychotika (zumindest eines davon atypisch) in angemessener Dosis für ausreichende Zeit
Es sind besondere Vorsichtmaßnahmen bzgl. Agranulozytose und Myokarditis vorgeschrieben
Haloperidol
Ab 6 Jahren
Anhaltende Aggression bei Autismus-Spektrum-Störung und anderen tiefgreifenden Entwicklungsstörungen
Aggression muss schwerwiegend sein
Für alle Indikationen gilt:
Haloperidol darf nur angewandt werden, wenn alle anderen medikamentösen und weiteren Therapien versagt haben, oder unverträglich sind!
Ab 10 Jahren
Tics inkl. Tourette
Patient*in muss stark beeinträchtigt sein
Ab 13 Jahren
Schizophrenie
Paliperidon
Ab 15 Jahren
Schizophrenie
Risperidon
Ab 5 Jahren
Anhaltende Aggression bei unterdurchschnittlicher intellektueller Funktion oder mentaler Retardierung
Über max. 6 Wochen
Überprüfung der intellektuellen Funktion nach DSM-IV
Schweregrad der Aggression muss medikamentöse Behandlung erfordern
Medikation nur als Teil eines umfassenden Behandlungprogramms
Sollte von einem Spezialisten verordnet werden
Sulpirid
Ab 6 Jahren
Akute und chronische Schizophrenien
Tiaprid
Ab 12 Jahren
Früh‑/Spätdyskinesien und Bewegungsanomalien (psychomotorische Störungen bei chronischem Alkoholismus)
Ziprasidon
Ab 10 Jahren
Manische und gemischte Episoden mittleren Schweregrads im Rahmen bipolarer Störungen
aBei mehreren der gelisteten Substanzen stehen neben der oralen Darreichungsform auch Injektionslösungen (Depot- bzw. Akutmedikation) zur Verfügung. Diese sind allesamt für Kinder und Jugendliche nicht zugelassen!
Tab. 3
Anxiolytika, Hypnotika und Sedativa (ATC N05B und N05C)
Wirkstoff
Alter
Indikation
Einschränkung
Sonstiges
Bromazepam
Ab 6 Jahren
Angst- und Spannungszustände
Ängstliche Verstimmung bei Depressionen
Nervosität
Erregung
Unruhe
Adjuvans in der Therapie von Psychoneurosen
Durch Angst und Spannung verursachte funktionelle Störungen verschiedener Organsysteme
Nur, wenn:
Die Erkrankung schwer ist
Den Patienten stark behindert
Extremen Leidensdruck verursacht
Diazepam
Ab 1 Jahr (10 kg KG)
Initiale Behandlung von akuten schweren Angst‑, Spannungs- und Erregungszuständen
Diese Zulassung gilt nur für Applikation in Form eines Rektaltubus!
Ab 6 Jahren
Angst und Spannungszustände
Kurzfristig bei Schlafstörungen
Alkoholentzugstherapie
Nur bei zwingender Indikation!
Diphenhydramin
Ab 12 Jahren
Kurzzeitbehandlung von Ein- und Durchschlafstörungen
Nach zweiwöchiger Einnahme reevaluieren!
Melatonin
Ab 2 Jahren
Insomnie im Rahmen einer Autismus-Spektrum-Störung
(od. bei Smith-Magenis-Syndrom)
Zulassung gilt nur für das Präparat Slenyto®!
Tab. 4
Substanzen zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit‑/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) (ATC N06B & C02AC)
Wirkstoff
Alter
Indikation
Einschränkung
Sonstiges
Atomoxetin
Ab 6 Jahren
ADHS
Für alle Präparate gilt:
Nur als Teil eines umfassenden Behandlungsprogramms
Verordnung von einem Spezialisten
Guanfacin
Ab 6 Jahren
ADHS
Wenn Behandlung mit Stimulanzien:
Nicht in Frage kommt
Unverträglich ist
Sich als unwirksam erwiesen hat
Lisdexamfetamin
Ab 6 Jahren
ADHS
Wenn Ansprechen auf zuvor erhaltene Behandlung mit Methylphenidat klinisch unzureichend
Methylphenidat
Ab 6 Jahren
ADHS
Wenn andere therapeutische Maßnahmen unzureichend
Es sind alle rezeptpflichtigen, zugelassenen Arzneimittel unabhängig von ihrer Erstattungsfähigkeit gelistet (Anm.: Zulassung impliziert nicht zwangsläufig Erstattungsfähigkeit), wobei nur jene Arzneimittel enthalten sind, die eine Zulassung für eine psychiatrische Anwendung haben. Selbst wenn der Zulassungsumfang teilweise größer ist, sind hier jeweils nur die psychiatrischen Zulassungen angeführt.
Bezüglich des Alters wurde die Formulierung „ab“ einem gewissen Alter gewählt, wobei die nachfolgenden Angaben nur bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zu verstehen sind. Wiewohl die meisten der angegebenen Substanzen auch im Erwachsenenalter zugelassen sind, gilt dies nicht für alle der hier gelisteten Arzneimittel.
Abschließend darf angemerkt werden, dass aus der Gruppe der stimmungsstabilisierenden Medikamente in Österreich keines der verfügbaren Präparate eine Zulassung für die Anwendung im Kindes- und Jugendalter hat.
Alle Angaben sind nach bestem Wissen und sorgfältig erstellt worden, erfolgen aber ohne Gewähr und müssen vor der Verwendung auf ihre Aktualität überprüft werden.

Interessenkonflikt

M. Huscsava, C. Vesely, C. Scharinger und P. Plener geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

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Literatur
1.
Zurück zum Zitat Thöni M, Stühlinger V, Staudinger R. Rechtliche Rahmenbedingungen zum Off-Label-Use in Österreich. Recht Medizin. 2008;66(4):109. Thöni M, Stühlinger V, Staudinger R. Rechtliche Rahmenbedingungen zum Off-Label-Use in Österreich. Recht Medizin. 2008;66(4):109.
2.
Zurück zum Zitat Mandarelli G, Sabatello U, Lapponi E, Pace G, Ferrara M, Ferracuti S. Treatment Decision-Making Capacity in Children and Adolescents Hospitalized for an Acute Mental Disorder: The Role of Cognitive Functioning and Psychiatric Symptoms. J Child Adolesc Psychopharmacol. 2017;27(5):462–5.CrossRef Mandarelli G, Sabatello U, Lapponi E, Pace G, Ferrara M, Ferracuti S. Treatment Decision-Making Capacity in Children and Adolescents Hospitalized for an Acute Mental Disorder: The Role of Cognitive Functioning and Psychiatric Symptoms. J Child Adolesc Psychopharmacol. 2017;27(5):462–5.CrossRef
4.
Zurück zum Zitat Halmich M. Die Strafbarkeit des „Off-Label-Use“ von Psychopharmaka. Linz: Johannes Kepler Universität Linz; 2013. Halmich M. Die Strafbarkeit des „Off-Label-Use“ von Psychopharmaka. Linz: Johannes Kepler Universität Linz; 2013.
5.
Zurück zum Zitat Evaluierungs- und Qualitätssicherungskommission der ÖGKJP, Vesely C. Leitlinie zum „Off-Label-Use“ von Psychopharmaka im Kindes- und Jugendalter. Neuropsychiatr. 2013;27(3):149–52,168.CrossRef Evaluierungs- und Qualitätssicherungskommission der ÖGKJP, Vesely C. Leitlinie zum „Off-Label-Use“ von Psychopharmaka im Kindes- und Jugendalter. Neuropsychiatr. 2013;27(3):149–52,168.CrossRef
Metadaten
Titel
Review über Psychopharmaka mit Zulassung in Österreich für die Anwendung an Kindern und/oder Jugendlichen
verfasst von
Mercedes Huscsava
Christine Vesely
Christian Scharinger
Paul Plener
Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
Publikationsdatum
23.01.2020
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
neuropsychiatrie / Ausgabe 1/2020
Print ISSN: 0948-6259
Elektronische ISSN: 2194-1327
DOI
https://doi.org/10.1007/s40211-020-00332-2

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