Psychotherapeutische Versorgung im Rahmen psychosozialer Rehabilitation: Eine quantitative Untersuchung zur soziodemographischen Charakteristik der Klient:innen und den Behandlungsergebnissen in einer oberösterreichischen Reha-Klinik
- Open Access
- 29.10.2025
- originalarbeit
Zusammenfassung
Einleitung: Forschungsfrage und Methodik
Im Jahr 2019 wurde im Sonnenpark Bad Hall – pro mente Reha, einer stationären Einrichtung zur psychosozialen (respektive sozialpsychiatrischen) Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Oberösterreich (Pro Mente Reha 2025; Schöny et al. 2018, S. 122) die Aggregierung von prozessgenerierten Routinedaten initiiert, um Effekte des Behandlungsangebots, insbesondere der einzel- und gruppentherapeutischen Komponenten quantitativ zu untersuchen.1
Mittels standardisierter Klassifikationssystemen wie der ICF können Funktionsbeeinträchtigungen im psychischen Bereich, und ihre Veränderungen im Behandlungsverlauf vergleichsweise reliabel und valide untersucht werden (DIMDI 2005; Schöny et al. 2018, S. 61–86). Im konkreten Fall kann zwar auf die spezifische Wirksamkeit einzelner Bestandteile der Rehabilitation nicht direkt geschlossen werden, jedoch können die Gesamteffekte von Kompetenzverbesserungen im Behandlungsverlauf konstatiert werden – gemäß dem „Gesetz der großen Zahl“ am besten für durchschnittlich erzielte Wirkungen (Henze 2023, S. 221).
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Zu der Behandlungskomponenten zählen im konkreten Fall neben dem mehrwöchigen stationären Aufenthalt selbst die psychiatrisch-medizinische sowie die psychotherapeutische Behandlung im Einzel- und Gruppensetting. Hinzu kommen weitere, individuell variierende Komponenten, wie Bewegungstherapie, Ergotherapie, Kreativtherapie, Psychoedukation, pflegerische, diätologische und sozialarbeiterische Betreuung bzw. Beratung (Pro Mente Reha 2025; Stelzig-Schöler et al. 2009; Haberfellner et al. 2006).
Erhebungsinstrumente, Durchführung und Datenanalyse
Für die Datenerhebung kam einerseits das im deutschsprachigen Rehabilitationssektor häufig gebrauchte Screening-Instrument SIBAR zur Anwendung (Bürger und Deck 2009a, b), welches für die österreichische sozialversicherungsrechtliche Lage leicht adaptiert wurde, andererseits die Rating-Skala Mini-ICF-APP (Linden et al. 2015, 2018). Die 2019 begonnene Erhebung konnte ab Beginn der Corona-Pandemie hierzulande im Frühjahr 2020 nicht mehr so systematisch wie geplant weitergeführt werden, sodass viele Datensätze unvollständig blieben. Auch standen für die geplanten statistischen Auswertungen zunächst keine personellen Kapazitäten zur Verfügung. Im Jahr 2023 kam es zu einer Wiederaufnahme der Aufbereitung vorhandener Daten im Rahmen einer Forschungskooperation der beiden Autor:innen. Die Kontrolle der anonymisierten Datensätze erbrachte, bei Ausschluss solcher mit zu unvollständigen Angaben, eine Summe von 219 auswertbaren Behandlungsfällen. Die statistische Datenanalyse erfolgte mittels der Software SPSS (Brosius 2018).
Ergebnisse
Soziodemographische Merkmale und Erwerbsbeeinträchtigungen der Klient:innen
Im Sample (N = 219) zeigte sich ein gegenüber der Verteilung in der österreichischen Gesamtbevölkerung (51 % Frauen, 49 % Männer) etwas erhöhter Anteil weiblicher (55 %) und ein etwas geringerer Anteil männlicher (45 %) Patienten in der Stichprobe.2 Personen mit non-binärer Geschlechtsidentität waren nicht repräsentiert (Tab. 1). Hinsichtlich der Altersstruktur lag ein Schwerpunkt im mittleren Erwachsenenalter, speziell bei Klient:innen [= Kl.] von 50 bis 59 Jahren, die mit 45 % nahezu die Hälfte aller Behandlungsfälle ausmachten, während die nächsthäufige Altersklasse der 40- bis 49-Jährigen nur mit 24 % vertreten war, alle anderen aber mit maximal 13 %.
Tab. 1
Demographische Charakteristik der Klient:innen in der Stichprobe
Frauen | Männer | Gesamt | ||||
|---|---|---|---|---|---|---|
Alter in J. | H. | % | H. | % | H. | % |
20–29 | 17 | 14,0 | 11 | 11,2 | 28 | 12,8 |
30–39 | 12 | 9,9 | 11 | 11,2 | 23 | 10,5 |
40–49 | 28 | 23,1 | 25 | 25,5 | 53 | 24,2 |
50–59 | 55 | 45,5 | 43 | 43,9 | 98 | 44,7 |
60 + | 9 | 7,4 | 8 | 8,2 | 17 | 7,8 |
Gesamt | 121 | 100 | 98 | 100 | 219 | 100 |
Bei geschlechtsspezifischer Betrachtung der Altersverteilung ergeben sich nur leichte Varianzen (Eta = 0,02). Das Durchschnittsalter der Kl. betrug 47,0 Jahre (Frauen: 46,8; Männer 47,2) und lag damit etwas höher als das Durchschnittsalter der oberösterreichischen Bevölkerung im Jahr 2019 mit 42,6 (Statistik Austria 2024, Tabelle II).
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Die im SIBAR-Fragebogen enthaltenen Erhebungsparameter erfassen auch grundlegende Merkmale zu sozialem Status und Erwerbstätigkeit, die mit jenen der Gesamtbevölkerung verglichen werden können. So zeigt sich, dass etwa die Hälfte der erfassten Kl. (53 %) einen Lehr- oder mittleren Schulabschluss (ohne Matura) aufweisen, was dem Anteil in der oberösterreichischen Bevölkerung von 2019 entspricht (53 %; Österreich insgesamt: 48 %) (Statistik Austria 2022a, S. 525). Personen, die lediglich über Pflichtschulabschluss verfügen, sind mit 15 % versus 19 % etwas unterrepräsentiert. Die Diskrepanz fällt unter männlichen Pflichtschulabsolventen deutlicher aus (10 % vs. 15 %) als unter weiblichen (19 % vs. 22 %). Innerhalb dieses Bevölkerungssegments liegt wohl kaum ein per se geringerer Bedarf an psychosozialer Rehabilitation vor (vgl. Schöny et al. 2018), die Diskrepanz ist wahrscheinlich auf negative Selektionsmechanismen bei Begutachtungen hinsichtlich Rehabilitations-Fähigkeit u. ä. zurückzuführen. Personen mit Matura waren demgegenüber überrepräsentiert (20 % vs. 13 % in der Bevölkerung), Personen mit tertiären Bildungsabschlüssen (Kolleg/FH/Universitäten) aber leicht unterrepräsentiert (13 % vs. 16 %). Demnach nutzten Personen mit AHS- oder BHS-Matura als höchstem Bildungsabschluss das Angebot stationärer psychosozialer Rehabilitation am stärksten (Tab. 2).
Tab. 2
Formaler Bildungsgrad der Klient:innen der psychosozialen Rehabilitation (2019/20) in der Stichprobe im Vergleich zur oberösterreichischen Gesamtbevölkerung (2019)
Frauen | Männer | Gesamt | |||||||
|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Höchster Schulabschluss | Kl. H. | Kl. % | Bev. % | Kl. H. | Kl. % | Bev. % | Kl. H. | Kl. % | Bev. % |
Pflichtschule | 23 | 19,4 | 21,9 | 10 | 10,2 | 15,4 | 33 | 15,2 | 18,6 |
Lehre/Mittlere Schule | 57 | 47,9 | 47,9 | 57 | 58,2 | 58,7 | 114 | 52,5 | 53,3 |
AHS/BHS mit Matura | 25 | 21,0 | 13,0 | 18 | 18,4 | 12,1 | 43 | 19,8 | 12,5 |
Kolleg/FH/Universität | 14 | 13,7 | 17,2 | 13 | 13,3 | 13,8 | 27 | 12,5 | 15,5 |
Gesamt | 119 | 100 | 100 | 98 | 100 | 100 | 217 | 100 | 100 |
Deutliche Abweichungen zeigen sich beim Aspekt der Erwerbstätigkeit selbst: Zwar gaben mit 121 Kl. mehr als die Hälfte (55 %) an, vor Reha-Beginn einer Erwerbstätigkeit nachgegangen zu sein, aber 37 % – 34 % der Frauen, 42 % der Männer – waren entweder arbeitslos, bezogen Rehabilitationsgeld oder eine (Invaliditäts‑)Pension. Unter den erwerbstätigen Klient:innen gab der Großteil (71 %) an, mehr als 30 h pro Woche erwerbstätig zu sein (56 % für 38–40 h, also in klassischer Vollzeit). Nur 29 % der erwerbstätigen Kl. erklärten, maximal 30 Wochenstunden zu arbeiten; dabei handelte es sich überwiegend um Frauen.
Einer eingehenden Betrachtung wert schien die Art der Berufstätigkeit: hierzu wurden die in einem offenen Fragefeld genannten Berufsbezeichnungen nach ÖISCO-Klassifikationsschema recodiert. Die Ergebnisse sind, samt Gegenüberstellung zu Vergleichswerten für unselbständig Erwerbstätige sowie Land- und Forstwirt:innen in Österreich 2018 (Statistik Austria 2011, 2021, S. 179, 2022b, S. 29)3, Tab. 3 zu entnehmen.
Tab. 3
Berufstätigkeit der Klient:innen der psychosozialen Rehabilitation (2019/20) im Vergleich zur österreichischen Bevölkerung (ohne Selbständige außerhalb von Land- und Forstwirtschaft)
Frauen | Männer | Gesamt | |||||||
|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
ÖISCO-Kl. | Kl. H. | Kl. % | Bev. % | Kl. H. | Kl. % | Bev. % | Kl. H. | Kl. % | Bev. % |
1, 2 | 10 | 14,7 | 13,3 | 3 | 6,6 | 15,1 | 13 | 11,5 | 14,4 |
3 | 20 | 29,4 | 16,1 | 13 | 28,9 | 16,0 | 33 | 29,2 | 16,0 |
4 | 11 | 16,2 | 17,1 | 4 | 8,9 | 6,1 | 15 | 13,3 | 10,5 |
5 | 16 | 23,5 | 24,6 | 8 | 17,8 | 8,3 | 24 | 21,2 | 14,9 |
6, 7, 8, 9 | 11 | 16,1 | 28,8 | 17 | 37,7 | 54,5 | 28 | 24,7 | 44,1 |
Gesamt | 68 | 100 | 100 | 45 | 100 | 100 | 113 | 100 | 100 |
Wie ersichtlich sind Angehörige der mit dem größten Sozialprestige und höchsten Einkommen ausgestatteten Berufskategorien (Haller 2008) „Führungskräfte und Akademische Berufe“ (ÖISCO 1 und 2) hier eher unterrepräsentiert. „Techniker:innen und gleichrangige Fachkräfte“ – gemeint sind v. a. solche im Gesundheits‑, Sozial‑, Verwaltungs- und Finanzbereich (ÖISCO 3) – sind dagegen mit 29 % vs. 16 % stark überrepräsentiert. In diesem Segment sind Bedarf und/oder Inanspruchnahmebereitschaft für stationäre psychosozialer Rehabilitation offenbar häufiger gegeben. Die Kategorie „Bürokräfte“ (ÖISCO 4) war dagegen nur geringfügig häufiger vertreten als anhand der Bevölkerungsdaten erwartbar (13 % vs. 11 %). Unter den (wenig qualifizierten) „Dienstleister:innen“ (ÖISCO 5) wiederum entspricht die Quote bei weiblichen Kl. in etwa jener der Bevölkerung (24 % vs. 25 %), wohingegen männliche Kl. mit 18 % vs. 8 % deutlich häufiger vertreten sind, wodurch eine mit 21 % versus 15 % erhöhte Gesamtquote resultiert. Diese Beobachtung verweist auf spezifisch erhöhte psychische Belastungen, aber auch Inanspruchnahmebereitschaft bei erwerbstätigen Männern in solchen Dienstleistungs-Berufen mit relativ geringem Prestige. Bei Land- und Forstwirt:innen, Handwerker‑, Industrie- und Bauarbeiter:innen sowie Hilfskräften (ÖISCO 6, 7, 8 und 9) begegnet wiederum eine Unterrepräsentation von 25 % vs. 44 % in der Vergleichsbevölkerung. Da kaum angenommen werden kann, dass mentalen Belastungen in diesen Berufsklassen gering wären – so weisen sie deutlich erhöhte Suizidraten auf (Watzka 2008) –, ist auch hier von Selektionseffekten im Vorfeld der Inanspruchnahme als Hauptursache der Diskrepanz auszugehen.
Zu erhobenen Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit erscheint berichtenswert: Etwa die Hälfte der Kl. (51 %) befanden sich zu Beginn des Reha-Aufenthalts im Krankenstand; dieser hatte in 12 % der Fälle bereits 3–6 Monate, bei 10 % zwischen 6 Monaten und einem Jahr gedauert. Weiters hatten sich 13 % bereits mehr als 6 Monate in Arbeitslosigkeit befunden. Die allermeisten schätzten sich selbst vor Beginn des Aufenthalts als nur „eingeschränkt leistungsfähig“ (62 %) bzw. „gar nicht leistungsfähig“ (34 %) ein. Auf einer 5‑teiligen Skala zu ihrer aktuellen beruflichen Situation befragt, bezeichneten 56 % diese als „stark belastend“ und 18 % als „etwas belastend“, während 20 % die Mittelkategorie „teils-teils“ wählten, und nur 2 % bzw. 4 % diese als „eher“ bzw., „sehr erfüllend“ charakterisierten.
Evaluation der Behandlungsresultate
Zu den evaluationsbezogenen Resultaten der Datenanalyse ist vorauszuschicken: Für die Erhebung mittels Mini-ICF-APP war den Behandlungsteams überlassen, eine Auswahl der Beurteilungsaspekte zu treffen, wobei ausschließlich jene Fähigkeiten evaluiert wurden, welche auch als individuelle Therapieziele definiert worden waren. Somit stellen bereits die Häufigkeiten vorhandener Ratings aufschlussreiche Informationen dar: Von den 13 grundsätzlich im Erhebungsinstrument enthaltenen Dimensionen der „Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“ wurden zu drei Bereichen („Selbstpflege und Selbstversorgung“, „Mobilität und Verkehrsfähigkeit“, „Fähigkeit zu engen dyadischen Beziehungen“) mangels Fokus im vorliegenden Kontext gar keine Daten erhoben (zu Ausschlusskriterien für psychosoziale Rehabilitation vgl. Reiter et al. 2020). Bei acht weiteren Fähigkeitsbereichen kam es nur vereinzelt (in weniger als zwanzig Fällen) zu Ratings.
Zu den Kompetenzen „Flexibilität“ sowie „Selbstbehauptungsfähigkeit“ liegen dagegen Daten für 30 % bzw. 69 % der Kl. vor (siehe Tab. 4). Dies reflektiert u. a. die im spezifischen Behandlungssetting erwerbsfähigkeitsorientierter, psychosozialer Rehabilitation häufigen Zielsetzungen der Psychotherapie; in beiden Fällen handelt es sich um Fähigkeiten, hinsichtlich derer Defizite für Betroffene im Erwerbsleben der neoliberalen Gegenwartsgesellschaft oft besonders nachteilige und belastende Folgen haben (Lenz et al. 2013a; von Senarclens de Grancy und Haug 2019).
Tab. 4
Häufigkeiten des Ratings von Kompetenzbereichen gemäß Mini-ICF-APP als Therapieziel (beide Erhebungs-Zeitpunkte) und festgestellte Veränderungen im Zuge des Reha-Aufenthalts (N = 219)
Differenz t2-t1 | |||||||
|---|---|---|---|---|---|---|---|
Fähigkeitsbereich gemäß Mini-ICF-APP | H. | % | 0 | 1 | 2 | 3 | Diff. MW |
1. Anpassung an Regeln und Routinen | 3 | 1,4 | – | 2 | 1 | – | 1,3 |
2. Planung und Strukturierung von Aufgaben | 9 | 4,1 | – | 9 | – | – | 1,0 |
3. Flexibilität und Umstellungsfähigkeit | 65 | 29,7 | 18 | 37 | 7 | 3 | 0,9 |
4. Kompetenz- und Wissensanwendung | 1 | 0,5 | 1 | – | – | – | – |
5. Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit | 10 | 4,6 | 3 | 6 | 1 | – | 0,8 |
6. Proaktivität und Spontanaktivitäten | 16 | 7,3 | 1 | 10 | 5 | – | 1,3 |
7. Widerstands- und Durchhaltefähigkeit | 11 | 5,5 | 5 | 5 | 1 | – | 0,6 |
8. Selbstbehauptungsfähigkeit* | 151 | 68,9 | 25 | 97 | 25 | 4 | 1,1 |
9. Konversation und Kontaktfähigkeit | 18 | 8,2 | 3 | 14 | 1 | – | 0,9 |
10. Gruppenfähigkeit | 7 | 3,2 | 3 | 3 | 1 | – | 0,7 |
Hinsichtlich der Behandlungsresultate zeigt der Vorher-Nachher-Vergleich für sämtliche erfasste Kompetenzen registrierte Verbesserungen beim Großteil der tangierten Kl., meist im Bereich von 1 bis 2 Skalenpunkten. Die Mittelwerte der Veränderungen liegen durchwegs zwischen 0,7 und 1,3. Betreffend Flexibilität registrieren 72 % der hierzu vorhandenen 65 Datenpaare Fähigkeitsverbesserungen; bei 28 % wurde keine Verringerung der Beeinträchtigung konstatiert – was bedauerlich ist, aber auch zeigt, dass die betreffenden Ratings durchaus differenziert vorgenommen wurden. Analoges kann zu Veränderungen von Selbstbehauptungsfähigkeit gesagt werden: Hier steht eine große Mehrzeit von 83 % festgestellten Reduktionen von Beeinträchtigungen einem Anteil von 17 % gegenüber, bei welchem am Ende der Reha keine Kompetenzverbesserung wahrgenommen wurden. Der Vorher-Nachher-Vergleich zeigt in beiden Fällen eine so klare Tendenz, dass inferenzstatistische T‑Testungen für gepaarte Stichproben (die streng genommen angesichts des Nicht-Vorliegens einer Zufallsstichprobe methodisch nicht angemessen erscheint) Signifikanzniveaus von 99,9 % aufweisen. Aussagekräftiger ist die Kalkulation der Effektgröße Cohen’s d, deren Werte von 1,2 für Flexibilität bzw. 1,5 für Selbstbehauptungsfähigkeit auf sehr starke Effekte hinweisen (Bortz und Schuster 2010). Weitere Analysen können diesen Befund absichern: so sind die Verbesserungen in diesen beiden Selbstkompetenzdimensionen deutlich positiv mit der tatsächlichen Dauer des Rehabilitationsaufenthalts korreliert (Pearson’s r = 0,38 bzw = 0,27).
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Weitere Analysen wurden zu Differenzen in den Auswirkungen des Reha-Aufenthalts gemäß soziodemographischen Kriterien wie Geschlecht (binär), Alter (binär: bis 49; ab 50), formalem Bildungsgrad (binär: unter bzw. ab Matura) und Erwerbstätigkeit (binär: ja/nein) hinsichtlich der Verbesserungen von Flexibilität und Selbstbehauptungsfähigkeit durchgeführt (siehe Tab. 5).
Tab. 5
Festgestellte Differenzen hinsichtlich Kompetenzverbesserungen bei „Flexibilität“ und „Selbstbehauptungsfähigkeit“ nach soziodemographischen Kriterien
Variable/Merkmal | Flexibilität – Diff. t2-t1 | Selbstbehauptungsfähigkeit – Diff. t2-t1 | ||||
|---|---|---|---|---|---|---|
MW | SD | Cohen’s d | MW | SD | Cohen’s d | |
Frauen | 0,8 | 0,6 | −0,19 | 1,0 | 0,7 | −0,20 |
Männer | 1,0 | 0,9 | 1,1 | 0,8 | ||
Alter 20–49 | 1,0 | 0,8 | 0,12 | 1,0 | 0,8 | −0,07 |
Alter 50–69 | 0,9 | 0,7 | 1,1 | 0,7 | ||
Unter Matura | 0,9 | 0,6 | −0,16 | 1,2 | 0,7 | 0,37 |
Ab Matura | 1,0 | 0,1 | 0,9 | 0,8 | ||
Erwerbstätig | 1,0 | 0,8 | 0,25 | 1,1 | 0,6 | 0,12 |
Nicht erwerbstätig | 0,8 | 0,7 | 1,0 | 0,8 | ||
Gesamt | 0,9 | 0,8 | – | 1,1 | 0,7 | – |
Als summarisches Hauptergebnis kann festgehalten werden, dass alle vier Differenzierungsvariablen leichte Divergenzen aufzeigen, diese sind aber fast durchwegs gering mit i. d. R. nur um 0,1 Skalenpunkte vom Gesamt-Durchschnitt abweichenden Gruppenmittelwerten, sowie Werten von 0,1 bis 0,2 für Cohen’s d. Die hier untersuchten Kl. profitierten hinsichtlich ihrer Fähigkeiten zu Flexibilität und Selbstbehauptungsfähigkeit demnach weitgehend unabhängig von Geschlecht, Alter, Bildungsgrad und Erwerbstätigkeit in durchschnittlich ähnlichem Ausmaß von der psychosozialen Rehabilitationsmaßnahme.
Eine gewisse Abweichung zeigt sich für die Dimension Selbstbehauptungsfähigkeit in Bezug auf den Bildungsgrad. Hier profitierten Personen mit relativ niedriger formaler Bildung im Mittel stärker, als solche mit höherem Bildungsgrad, indem die festgestellte mittlere Verbesserung bei ersteren bei 1,2, bei zweiteren aber bei 0,9 Skalenpunkten lag. Hinzugefügt sei, dass das Mittel der Ausgangswerte zu Beginn der Rehabilitation bei Kl. ohne Matura mit 2,6 Skalenpunkten etwas höher – und damit ungünstiger – lag, als jenes der anderen (2,4). Klient:innen mit niedrigerem formalen Bildungsgrad profitierten demnach ausgehend von einem im Mittel etwas ungünstigeren Anfangsniveau hier im Mittel etwas stärker als andere.
Diskussion
Die hier präsentierten Resultate der Erhebung der Wirksamkeit psychosozialer Rehabilitation mit ihren u. a. psychotherapeutischen Behandlungsangeboten erscheinen schon deshalb von Belang, weil der Umfang von Forschungspublikationen zur diesbezüglichen Situation in Österreich lange überschaubar geblieben ist4; obwohl in Österreich bis Mitte 2025 17 stationäre und 20 ambulante psychosoziale bzw. psychiatrische Rehabilitationseinrichtungen etabliert wurden (Pochobradsky und Reiter 2025). 2019 konnte eine Metaanalyse – Sprung et al. (2019) – immerhin bereits 12 Evaluationsstudien zur sozialpsychiatrischen Rehabilitation in Österreich auswerten5, mit dem Ergebnis von im Durchschnitt beträchtlichen Verbesserungen; diese Studien verwendeten oft Selbstbeurteilungsskalen wie SCL-90, WHOQOL-BREF bzw. Diagnose-spezifische Instrumente wie das BDI, sodass die hier berichtete, anhand der Fremdbeurteilungsskala Mini-ICF-APP erhobene Wirksamkeit der Behandlung eine aufschlussreiche komplementäre Erkenntnis darstellt.
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
C. Watzka und C. Hinterstoisser geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Ethische Standards
Für diesen Beitrag wurden in der Rehabilitationseinrichtung erhobene Routinedaten anonymisiert ausgewertet, und keine klinischen Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt.
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Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.