Dialyse aktuell 2008; 12(3): 127
DOI: 10.1055/s-2008-1079325
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Mehr Aufmerksamkeit für die Nieren - bevor es zu spät ist

Stephanie Schikora
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Publication Date:
05 June 2008 (online)

Prävention ist das A und O - ernähren wir uns ausgewogen und treiben wir viel Sport, dann bleiben wir gesund. Diese Botschaft suggerieren uns nicht nur die Models in der Werbung, die uns von Gummibärchen vorschwärmen, die kein Gramm Fett enthalten oder die Fernsehformate, die eine ganze Insel beim Abspecken begleiten. Darüber hinaus gibt es aber viele seriöse Angebote zum Beispiel in den Apotheken, wo man Blutzucker, Blutdruck oder Cholesterin messen lassen kann. Immer mehr Menschen kennen diese Werte aus dem „FF”. Ganz anders sieht es jedoch noch aus, wenn es um die Niere geht. Im Gegensatz zu den Volkskrankheiten wie Diabetes, Adipositas und Bluthochdruck ist das Wissen um die Bedeutung der Nieren erschreckend gering. Glaubt man einer Meldung zum Weltnierentag 2008, wissen weniger als 5 % der Bevölkerung, wo die Nieren anatomisch lokalisiert und was deren Aufgaben sind.

„Derzeit leben in Deutschland etwa 64000 Dialysepatienten und 24000 Menschen, die eine Spenderniere erhalten haben und sich nun in der Transplantationsnachsorge befinden”, konstatierte Prof. Jan Galle, Lüdenscheid, im Rahmen einer Presseveranstaltung zum dritten Weltnierentag am 12. März dieses Jahres. Und wir wissen: „Das ist nur die Spitze des Eisbergs!” Inzwischen sind rund 10 % der europäischen Bevölkerung von einer chronischen Niereninsuffizienz betroffen. Die meisten davon ahnen allerdings nichts von der drohenden Gefahr. „Nur 0,2 % der Patienten (bezogen auf die Bevölkerung) kommen überhaupt an der Dialyse an, so Galle. Und wer es bis an die Dialyse schafft, der hat „Glück”: „Er ist ein 'Survivor' der all die Patienten überlebt hat, die schon zuvor an anderen Krankheiten verstorben sind!”, meinte Galle.

Denn die Niereninsuffizienz ist mit einer intolerabel hohen Mortalität verknüpft, und dies nicht erst im „Endstadium” der Erkrankung, sondern durchaus bereits in den Frühstadien. Aufgrund der vorherrschenden Mediasklerose verlieren die weichen Zellen der Gefäßwand ihre muskulären Eigenschaften und wandeln sich bereits früh in knochenähnliche Zellen um. Spätestens dann sind kardiale Probleme vorprogrammiert. Weltweit gehen schätzungsweise über 36 Millionen Todesfälle auf das Konto chronischer Nierenerkrankungen und der daraus resultierenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Für Sie sicherlich nichts Neues.

Ganz klar: Wir brauchen ein größeres Bewusstsein für das Organ 'Niere' - in der Allgemeinbevölkerung und darüber hinaus! Auch die Allgemein- und Hausärzte, so wäre zu wünschen, müssen sensibilisiert werden. Denn sie sind es, die ihren Patienten die einfachen und kostengünstigen Vorsorgeuntersuchungen (ein Urintest zur Messung der Proteinurie und die Bestimmung der Serumkreatininkonzentration zur Einschätzung der glomerulären Filtrationsrate) empfehlen und gefährdete Personen gegebenenfalls engmaschig gemeinsam mit einem Nephrologen weiterbetreuen sollten.

Dieses Ziel verfolgen die internationalen und nationalen nephrologischen Fachgesellschaften zum Beispiel mit dem Weltnierentag mit vielen Aktionen - und sind damit sicher auf einem guten Weg. Zweifellos wird aber noch viel Zeit vergehen, bis sich auch in der breiten Bevölkerung herumgesprochen hat, dass die Nieren wunderbare und lebensnotwendige Organe sind. Doch auch wenn es dazu noch vieler Weltnierentage bedarf, bleibt doch zu guter Letzt die Hoffnung, dass steter Tropfen den Stein höhlt. Und irgendwann werden die Patienten ihren Arzt nicht mehr nur nach ihren Blutdruck- und Cholesterinwerten fragen, sondern auch nach Eiweiß im Urin.

Stephanie Schikora

Stuttgart

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