Der Klinikarzt 2007; 36(1): 19
DOI: 10.1055/s-2007-970170
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Arzt und Patient als Team

Christiane Bieber, Wolfgang Eich
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Publication Date:
31 January 2007 (online)

Die meisten Patienten wünschen sich, an medizinischen Entscheidungen beteiligt zu werden - ein Vorgehen, das auch günstige Effekte nach sich zieht, wie internationale Studien belegen. In den letzten Jahren hat sich ein wissenschaftliches Forschungsfeld zur Patientenbeteiligung unter dem Stichwort „partizipative Entscheidungsfindung”, kurz PEF, etabliert. Eine Expertenkommission hat diesen Begriff für den deutschen Forschungskontext folgendermaßen definiert: „Die partizipative Entscheidungsfindung (PEF) bezeichnet einen Interaktionsprozess mit dem Ziel, unter gleichberechtigter aktiver Beteiligung von Patient und Arzt auf der Basis geteilter Information zu einer gemeinsam verantworteten Übereinkunft zu kommen.”

Im Oktober 2000 richtete das Bundesgesundheitsministerium einen Förderschwerpunkt „Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess” ein. Dieser hatte zum Ziel, die Einbeziehung von Patientinnen und Patienten bei medizinischen Entscheidungen zu stärken und wissenschaftliche Erkenntnisse über die Auswirkungen einer solchen partnerschaftlichen Beteiligung auch für das deutsche Gesundheitswesen zu erhalten. Zunächst wurden im Rahmen dieses Förderschwerpunkts von 2002 bis 2005 drei Jahre lang deutschlandweit zehn Modellprojekte gefördert, welche die Effekte einer partizipativen Entscheidungsfindung bei internistischen, pädiatrischen, gynäkologischen, neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen untersuchten (siehe auch www.patient-als-partner.de).

Um dieses partizipative Vorgehen erfolgreich in die Klinik einzuführen, wurden in den meisten Projekten PEF-Kommunikationstrainings für Ärzte sowie Informationsprogramme oder Entscheidungshilfen für Patienten entwickelt und evaluiert. Die Ergebnisse der zehn Modellprojekte fielen durchweg positiv aus und sind ebenfalls auf der oben genannten Homepage nachzulesen.

Derzeit werden in einer zweiten Förderphase des Bundesministeriums für Gesundheit vier Transferprojekte bis ins Jahr 2007 weiterverfolgt, die das Konzept der partizipativen Entscheidungsfindung in der medizinischen Praxis etablieren sollen. Einige Ansätze der Modellprojekte sowie der Transferprojekte haben wir in dieser Ausgabe des klinikarzt zusammengestellt. Ziel ist es nicht nur, interessierten Lesern einen Überblick über das Thema zu geben, sondern die Charakteristika und Vorteile des Konzepts auch im Vergleich zu anderen Interaktionsstilen zu vermitteln. Konkrete Beispiele aus der Praxis der Modell- und Transferprojekte sollen zum eigenen Ausprobieren anregen und Hilfestellung bei der Umsetzung leisten.

Dr. Christiane Bieber und ihre Co-Autoren stellen zunächst ein allgemeines Ärztetraining zur partizipativen Entscheidungsfindung vor. Die Vorteile und Einsatzmöglichkeiten solcher Entscheidungshilfen für Patienten wiederum zeigen Dr. Fülöp Scheibler und Dr. Beatrice Moreno in ihrem Beitrag auf. Die übrigen drei Artikel beschäftigen sich mit konkreten Beispielen: So berichten Dr. Brigitte van Oorschot und ihre Mitautoren über ein PEF-Ärztetraining in der Palliativmedizin. Dr. Andreas Loh stellt zusammen mit seinen Kollegen die klinischen Ergebnisse einer kombinierten PEF-Intervention bei der hausärztlichen Behandlung von Depressionspatienten vor. Dr. Jürgen Kasper und Dr. Friedemann Geiger wiederum beschreiben die Entwicklung und den Einsatz von Entscheidungshilfen für Patienten bei der Behandlung der multiplen Sklerose.

Wir hoffen, Sie mit diesen Beiträgen für das Thema der partizipativen Entscheidungsfindung interessieren zu können und möchten Sie zur Umsetzung im eigenen Betätigungsfeld ermutigen. Ihre Patienten werden es zu schätzen wissen! Und wenn wir Ihr Interesse wecken konnten, sei an dieser Stelle auf die fünfte Tagung des deutschen Förderschwerpunkts „Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess” am 29. Mai 2007 sowie auf die 4. Internationale Shared Decision Making Conference „Transfer into practice” vom 30. Mai bis 1. Juni 2007 in Freiburg verwiesen (weitere Informationen: www.patient-als-partner.de). Im Namen der Veranstalter möchten wir Sie schon jetzt recht herzlich zu einer Teilnahme einladen.

Dr. Christiane Bieber
Prof. Dr. Wolfgang Eich

Heidelberg

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