Psychiatr Prax 2005; 32(7): 369-370
DOI: 10.1055/s-2005-919724
Fortbildung und Diskussion
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kinder psychisch kranker Eltern

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Publication Date:
11 October 2005 (online)

 

Die im Zusammenleben mit einem psychisch Kranken auftretenden Belastungen, das Leid und der Hilfebedarf der Angehörigen sind in der Fachliteratur bereits vielfach thematisiert worden. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit standen dabei allerdings die erwachsenen Angehörigen, insbesondere die Eltern und zum Teil auch die (Ehe-)Partner der Patienten. Die minderjährigen Kinder psychisch kranker Eltern wurden dagegen lange Zeit von der Angehörigenforschung "ausgeblendet". Erst seit etwa zehn Jahre hat sich der Blick der Angehörigenforschung in dieser Richtung erweitert. Heute nimmt die Fachöffentlichkeit zunehmend zur Kenntnis, dass Kinder durch die Auswirkungen der elterlichen Erkrankung in ihrer Persönlichkeitsentwicklung erheblich beeinträchtigt sind und eine Risikogruppe für die Entwicklung psychischer Störungen darstellen. Gleichwohl ist die empirische Datenbasis hinsichtlich Epidemiologie, subjektivem Belastungserleben und dem Hilfebedarf der betroffenen Familien noch sehr lückenhaft.

Die im Frühjahr 2005 bei Hogrefe erschienene Studie "Kinder psychisch kranker Eltern" von Albert Lenz leistet einen wichtigen Beitrag zur Überwindung dieses Forschungsdefizits. Neben einem informativen Literaturüberblick präsentiert der Autor die Ergebnisse seines Forschungsprojektes "Kinder als Angehörige - Einbeziehung der Kinder in die Behandlung psychisch kranker Eltern". Das Forschungsdesign umfasste drei Teilstudien: Erstens wurden 22 Kinder psychiatrischer Patienten (7-18 Jahre) mithilfe leitfadengestützter Interviews zu ihrem Erleben und ihrer Bewältigung der elterlichen Erkrankung befragt. Zweitens erfolgte eine katamnestische Untersuchung hinsichtlich der Wirksamkeit von Mutter-Kind-Behandlungen; dabei wurden 22 Mütter, die mit ihren Kindern stationär behandelt worden waren mit einer Kontrollgruppe von 22 Müttern verglichen, die sich ohne ihre Kinder in Behandlung befunden hatten. Drittens wurden 29 Experteninterviews durchgeführt, mit dem Ziel, die Kooperation zwischen Erwachsenenpsychiatrie und Jugendhilfe zu untersuchen.

Indem der Autor die Perspektiven der betroffenen Kinder, ihrer Mütter und der zuständigen Experten aus Erwachsenenpsychiatrie und Jugendhilfe gleichberechtigt nebeneinander stellt und seine Befunde im Kontext der neueren Forschungsliteratur diskutiert, gelingt es ihm in differenzierter Weise, den Hilfebedarf für die betroffenen Familien zu dokumentieren. Abschließend werden konkrete Lösungsvorschläge und Anregungen für präventiv orientierte professionelle Unterstützungsangebote gegeben; ferner wird auf die wichtige Bedeutung von interinstitutioneller Kooperation und auf die Möglichkeiten und Grenzen der Einbeziehung von Kindern in die stationäre Behandlung ihrer psychisch kranken Eltern eingegangen.

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