Gesundheitswesen 2005; 67(11): 763-769
DOI: 10.1055/s-2005-858794
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Patientenstromanalyse im Münchner Suchthilfesystem - eine Pilotstudie

A Patient Flow Analysis within the Munich Addiction Treatment System - A Pilot StudyS. Queri1 , M. Servaty1 , G. Eckstein1 , F. Tretter1, 2
  • 1Bayerische Akademie für Suchtfragen in Forschung und Praxis BAS e. V., München
  • 2Bezirkskrankenhaus Haar
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Publication History

Publication Date:
24 November 2005 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: Die höchste Effektivität bei der Behandlung von Abhängigkeitsstörungen wird einem mehrstufigen, aus unterschiedlichen Interventionstypen bestehenden Behandlungsprogramm mit bestimmten intendierten Sequenzen an Interventionen zugesprochen. Es gibt jedoch wenig Analysen der Effizienz des Suchthilfesystems. Ziel: Nachfolgend beschriebene Pilotstudie fokussiert auf die Prozessqualität, indem sie die erfolgreichen Vermittlungen bzw. den Patientenstrom zwischen den einzelnen Interventionstypen des Suchthilfesystems in München und Umgebung erfasst und bewertet. Methoden: In elf Einrichtungen aus den verschiedenen Funktionsbereichen im Großraum München wurden insgesamt 452 Personen in anonymisierter Weise befragt. Dazu wurde ein Fragebogen entwickelt, der den individuellen Behandlungsverlauf in Bezug auf die verschiedenen Hilfe-/Einrichtungstypen erfasst. Ergebnisse: Die analysierten Behandlungsverläufe sind konsistent mit den im mehrstufigen Behandlungsprogramm für Suchterkrankungen intendierten Kooperationen. Über ein Viertel der befragten Patienten kam allerdings auf eigene Initiative zur Behandlung/Beratung. Nennenswert erscheint darüber hinaus, dass nur selten von den beteiligten Einrichtungen recherchiert wurde, wie sich die Weiterbehandlung „ihres” Patienten gestaltet. Bezüglich der konkreten Vermittlungsraten der einzelnen Einrichtungstypen im Verlauf der vierwöchigen Erhebungsphase war die relativ geringe Vermittlungsfrequenz der niederschwelligen Einrichtung augenfällig. Kritik: Fraglich bleibt die Repräsentativität der ausgewählten Einrichtungen für den jeweiligen Interventionstyp, da keine regionale Vollerhebung möglich war und sich die Einrichtungen auch innerhalb eines Interventionstyps teilweise deutlich in ihrer Aufgabenstellung unterscheiden. Außerdem erlauben die unterschiedlichen und teilweise geringen Fallzahlen pro Einrichtungstyp nur eine vorsichtige Ergebnisinterpretation. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse legen den Einsatz sowie die gesetzliche Verankerung von Case-Managern im Sinne von Schnittstellenmanagern nahe, die den Gesamtbehandlungsverlauf eines Patienten koordinieren, um eine möglichst zielführende und effiziente Behandlung im mehrstufigen Behandlungsprogramm bei Abhängigkeitsstörungen zu gewährleisten.

Abstract

Background: The highest efficiency in addiction treatment is attributed to a multistage programme consisting of several intervention types (e. g., counselling, withdrawal, therapy, community adjustment) in a specific order. Aim: The pilot study described focuses on the interactions between treatment modalities (i. e. on the process quality) within the addiction treatment system in Munich and the broader environs. Method: In eleven institutions out of the several intervention types 452 persons were anonymously queried. The interview was conducted by means of a questionnaire, which gathered information about the sequence of interventions. Results: The results suggest that the treatment sequences (i. e. the patient flow) investigated are consistent with the intended cooperation within the multistage treatment programme. Furthermore, the results also indicate that more than a quarter of the participants came sought treatment/counselling of their own initiative. Particularly interesting is the observation that the participating institutions rarely checked where “their” patients pursue aftercare/treatment follow-up upon completion of the prescribed programme. Regarding the actual referrals during the four week investigation period, relatively low referrals among the participants in the drop-in center were observed. Criticism: It remains doubtful whether the selected institutions are really representative of the different intervention types, because the participating institutions within an intervention type operate from diverse conceptual backgrounds. Furthermore, the sample size obtained was both small and contained a diverse number of participants per institution type. Therefore, whether or not the results can be generalized is questionable. Conclusion: Based on these results the BAS supports the deployment and legal establishment of case managers in the coordination of a patient’s global treatment process. It is believed that this step would result in a more purposeful and economical treatment within the multistage addiction treatment programme.

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Dr. Silvia Queri

Bayerische Akademie für Suchtfragen in Forschung und Praxis BAS e. V.

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