Gesundheitswesen 2004; 66 - 222
DOI: 10.1055/s-2004-833960

Die Bedeutung der Arbeitsbedingungen und des Sense of Coherence für Burnout im Rettungsdienst

Th Hering 1, I Beerlage 1
  • 1Hochschule Magdeburg-Stendal (FH) Magdeburg

Hintergrund: Der Bedarf an psychosozialer Unterstützung für Einsatzkräfte im Rettungsdienst wurde bisher hauptsächlich aus der Inzidenz extremer Folgen (z.B. posttraumatische Belastungsstörung) nach extremen Einsätzen abgeleitet. Der Einfluss von Belastungen im Alltag und von arbeitsorganisatorischen Rahmenbedingungen wurde bisher kaum berücksichtigt. Ziel: Es soll dargestellt werden, welche Bedeutung Burnout im Rettungsdienst hat und wie sich Belastungen der Arbeit auf das Wohlbefinden und auf Burnout auswirken. Zudem interessiert der Einfluss der personalen Ressource „Sense of Coherence“ auf diese potenziellen Zusammenhänge. Methoden: Mittels schriftlicher Fragebogenerhebung wurden N=140 hauptamtliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst der Bundesländer Berlin, Sachsen-Anhalt und Thüringen befragt. Eingesetzt wurden neben bewährten Instrumenten (u.a. Maslach Burnout-Inventory) auch ein selbstentwickelter Fragebogen zur Erfassung tätigkeitsspezifischer Stressoren im Rettungsdienst. Ergebnisse: Zwischen 13 und 47% der Einsatzkräfte weisen hohe Werte in einzelnen Burnoutkomponenten auf. Ungünstige arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen wirken Burnout verstärkend. Wohlbefinden wird maßgeblich von Burnout beeinträchtigt. Ein hoher Sense of Coherence puffert den Einfluss von Stressoren auf Burnout ab und hat erwartungsgemäß einen günstigen Einfluss auf das Wohlbefinden. Diskussion: Burnout hat bei Einsatzkräften eine ähnliche Relevanz wie bei Beschäftigten in anderen Sozial- und Gesundheitsberufen. Der Einfluss von Belastungen auf Burnout sowie von Burnout auf das Wohlbefinden stützt die Annahme, Burnout als Mediator und Maß der Vulnerabilität von Einsatzkräften im Extremereignis anzusehen. Ein hoher Sense of Coherence stellt einen Schutzfaktor für Einsatzkräfte im Rettungsdienst dar. Schlussfolgerungen: Neben strukturierten Angeboten psychosozialer Notfallversorgung wird hinsichtlich der Gesundheit von Einsatzkräften auch ein Handlungsbedarf auf der Ebene der Arbeitsorganisation und bei der Erhöhung des persönlichen Kompetenzerlebens von Einsatzkräften deutlich.