Aktuelle Dermatologie 2004; 30(10): 425-428
DOI: 10.1055/s-2004-825741
Von den Wurzeln unseres Fachs
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kulturgeschichtliche Aspekte heller Haut

Historic Aspects of Fair SkinC.  Wietig1 , S.  Williams1 , M.  Davids1 , M.  Kerscher1
  • 1 Universität Hamburg, Kosmetik und Körperpflege (FB 13)
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Publication Date:
13 October 2004 (online)

Zusammenfassung

Das Merkmal „helle Haut” war in der Entwicklungsgeschichte des westlichen Zivilisationsprozesses nie ein wertfreies Merkmal des Menschen, sondern nahm kulturgeschichtlich oft eine Sonderstellung ein. Der Ursprung dieser Sonderstellung geht auf die antiken Ägypter zurück, bei denen das Fleisch der Götter metaphysisch mit dem hellen Licht der Sonne gleichgesetzt wurde, und auf die griechische Liebesgöttin Aphrodite, die als hellhäutige, blonde Frau dargestellt wurde. Helle Haut, der über lange Epochen mit bleihaltigen, langfristig hautschädigenden Abdeckpasten nachgeholfen wurde, wies später auf eine Zugehörigkeit zur Oberschicht hin, da sie das nicht Angewiesensein auf Arbeit im Freien visualisierte.

Erst im „Jetset”-Zeitalter des endenden 20. Jahrhunderts löste die prestigebesetzte Bräune das „Ideal” der hellen Haut ab. Sonnengebräunte Haut visualisierte materielle Unabhängigkeit mit der Möglichkeit zu reisen, während helle Haut mit Blässe und Krankheit assoziiert wurde. Das Image der sonnengebräunten Haut wurde zwar wenige Jahre später durch Hautkrebs- und Anti-aging-Kampagnen relativiert, jedoch nicht vollständig umgekehrt. Auch heute noch gilt ein leicht gebräunter Teint als erstrebenswert, wenn auch nicht um jeden Preis.

Abstract

The bodily feature of „fair“ skin has never been a neutral phenotypic feature in western societies, but has always taken a special position. The origin of this goes back to ancient Egypt, where the flesh of the gods was metaphysically equated to the bright light of the sun and the Greek love goddess Aphrodite was depicted as a fair-skinned, blond woman. Later in history fair skin indicated the membership of the higher social classes, as ”normal” people had to work outdoors, therefore quickly acquiring a tan. For long time fair skin was enhanced by lead-containing camouflage-pastes, which caused severe damage to the skin after long-term application.

The ”ideal” of a fair teint, which had remained constant over many centuries, was replaced by the prestigious sun-tan in the jet-set age of the late 20th century. Well-tanned skin then came to represent material independence and ability to travel, while fair skin was seen as somewhat unhealthy. This image has changed to some extent through educational skin cancer and anti-aging campaigns which stress the harmful effects of ultraviolet irradiation. Tanned skin however is still seen as desirable, but no longer at any cost.

Literatur

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  • 10 Benthien C. Haut, Literaturgeschichte - Körperbilder - Grenzdiskurse. 2. Aufl. Hamburg; Rowohlts Enzyklopädie 2001

Prof. Dr. Martina Kerscher

Universität Hamburg, Kosmetik und Körperpflege (FB 13)

Von Melle Park 8 · 20146 Hamburg

Email: martina.kerscher@uni-hamburg.de

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