Gesundheitswesen 2004; 66 - 29
DOI: 10.1055/s-2004-825170

Kooperation ÖGD – Public Health: Und das Glas füllt sich doch

B Szagun 1
  • 1Landratsamt Bodenseekreis, Gesundheitsamt, Friedrichshafen

Bekanntermaßen ist die von einigen erwartete Traumhochzeit zwischen ÖGD und Public Health (PH) ausgefallen. Vielfach dominiert heute Ernüchterung angesichts der Bilanz der Kooperation. Etwa in den Gesundheitsämtern Baden-Württembergs sind zur Zeit lediglich ein Dutzend PH-Absolventen beschäftigt, eine sicherlich zu geringe Zahl.

Natürlich gibt es auch Probleme. Seitens des ÖGD wird geklagt über die zu wissenschaftliche Ausrichtung von PH allgemein sowie der Absolventen speziell und das Desinteresse von PH am real existierenden ÖGD und seinen Fragestellungen. Seitens PH hört man hingegen Klagen über ein veraltetes Aufgabenprofil des ÖGD auf Basis seiner – oft ebenso alten – Gesetze, daraus abgeleitet zu wenig PH-spezifische Arbeitsfelder im ÖGD und seine Fokussierung auf Infektionsschutz und amtsärztliche Begutachtungstätigkeit.

Bei näherer Betrachtung stimmt all dies ein wenig, ist jedoch erheblich zu schwarz gemalt. Der zunehmende Einsatz von PH-AbsolventInnen stellt schon heute eine große Bereicherung des ÖGD dar. Speziell die Arbeitsbereiche Gesundheitsberichterstattung und Epidemiologie profitieren stark vom Einsatz von PH-Absolventen, da die im PH-Studium angeeigneten Methodenkompetenzen hier für eine effiziente Arbeit ideal sind und sie oft sogar erst ermöglichen. Auch im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention zeigt der Einsatz von PH-Kräften positive Effekte im Hinblick auf Qualität und die zunehmend geforderte Evidenzbasierung. PH-Wissen ist darüber hinaus auch im Bereich der Umweltmedizin und Hygiene gut nutzbar, z.B. bei der Risikokommunikation. Nicht zuletzt werden auch die Qualitätssicherung von ÖGD-Aufgaben, die Anwendung von Kennzahlensystemen und internes Berichtswesen durch die Methodenkompetenz von PH-Absolventen erleichtert. Der Einsatz von PH-Absolventen ist insofern über verschiedenste Aufgabenbereiche hinweg positiv zu bewerten und fördert die Qualität der Arbeit des ÖGDs.

Oben genannte Probleme resultieren in erster Linie aus der subjektiv zu langsamen Entwicklung zweier wesentlicher Faktoren. Erstens hinkt die Gesetzgebung aktuellen Entwicklungen zwangsläufig hinterher, was heute noch dazu führt, dass PH-nahe ÖGD-Aufgaben als „weicher“ angesehen werden als etwa traditionelle klientenbezogene ÖGD-Aufgaben – ein nicht unerhebliches Problem angesichts chronisch knapper Ressourcen. Zweitens haben traditionelle Leitbilder und Arbeitsweisen jahrzehntelang die Sozialisation des weitaus größten Teils der ÖGD-Mitarbeiter – wie auch die Kundenerwartungen an den ÖGD(!) – geprägt. Ein übriges tun ausräumbare Differenzen aufgrund des Wertekanons.

Dennoch sind wir auf dem Weg. Den beiden oben genannten – stark voneinander abhängigen – Faktoren muss objektiv betrachtet eine jahre- bis jahrzehntelange Entwicklungsdauer eingeräumt werden, ohne an der Partnerschaft als solcher zu zweifeln. Der ÖGD öffnet sich zunehmend und die anfängliche Fremdheit schwindet beiderseits. Vom oben genannten Dutzend sind die Hälfte schon heute in Führungspositionen beschäftigt und prägen den zukünftigen ÖGD mit. Auch die Gesetzgebung passt sich langsam an neue Erfordernisse an. Eine dauerhafte Partnerschaft von Theorie und Praxis scheint heranzuwachsen – wo sonst hat sich eine solche jemals a priori eingestellt?