Gesundheitswesen 2004; 66(5): 319-325
DOI: 10.1055/s-2004-813092
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Versorgungsbedarf und Behinderung - Taugt die amtliche Schwerbehindertenstatistik für die Bedarfsanalyse?

Care Required by Disabled Persons: Are Official Severe Disability Statistics Good Enough for Requirement Analyses?E. Driller1 , E. v Pritzbuer1 , H. Pfaff1
  • 1Zentrum für Versorgungsforschung Köln (ZVFK), Medizinische Fakultät der Universität zu Köln
  • 2Abteilung Medizinische Soziologie des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät der Universität zu Köln
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Publication Date:
13 May 2004 (online)

Zusammenfassung

Die Brauchbarkeit der amtlichen Schwerbehindertenstatistik für die Planung des zukünftig zu erwartenden Versorgungsbedarfs für Menschen mit Behinderung ist strittig und wird daher in diesem Artikel systematisch untersucht. Dazu werden zunächst Kriterien für die Ermittlung eines objektiven Versorgungsbedarfs formuliert. Am Beispiel von Prävalenz und Inzidenz kann gezeigt werden, dass die amtliche Statistik zur Ermittlung des objektiven Versorgungsbedarfs in der Behindertenhilfe nur bedingt tauglich ist. Insbesondere bei der Datenerfassung, der Datenaufbereitung und der Datenspeicherung werden Probleme deutlich. Vor allem die turnusmäßige Löschung der Datenbestände nach fünf Jahren macht längerfristige Vorhersagen nahezu unmöglich. Während Einschränkungen der Datenaufbereitung und -speicherung allerdings durch verhältnismäßig geringe Modifikationen gelöst werden könnten, erfordert eine Verbesserung der Datenerfassung vor allem die Einbeziehung der international anerkannten ICF-Kriterien der WHO.

Abstract

The appropriateness of the German Official Severe Disability Statistics for determining the amount of care needed by disabled persons is a controversial issue and therefore in the focus of this article. The criteria for determining the care required by disabled persons are pointed out. Data on prevalence and incidence exemplify that Official Severe Disability Statistics is only partially appropriate for assessing future care requirements. The problems become particularly obvious in topics of data collection, data processing and data storage. The deletion of the statistical data at regular intervals of five years makes long term prognosis almost impossible. While the problems concerning data processing and data storage could be solved by few modifications, the improvement of data collection could only be achieved by including and appeying the International Classification of Functioning (ICF) of the WHO.

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Elke Driller

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