Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(49): 2583-2587
DOI: 10.1055/s-2003-45206
Originalien
Akademische Laufbahn
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Die medizinische Dissertation - kein Auslaufmodell[1]

Ergebnisse einer Befragung von Promovierenden stehen im Widerspruch zu oft geäußerten MeinungenThe medical dissertationResults of a survey contradict frequently stated opinionsM. Weihrauch1 , J. Strate2 , R. Pabst3
  • 1Abteilung Arbeitsmedizin (Leiterin: Prof. Dr. med. R. Wrbitzky)
  • 2Präsidialamt
  • 3Abteilung Funktionelle und Angewandte Anatomie (Leiter: Prof. Dr. R. Pabst), Medizinische Hochschule Hannover
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Publication History

eingereicht: 19.5.2003

akzeptiert: 23.9.2003

Publication Date:
04 December 2003 (online)

Hintergrund und Fragestellung: Der Stellenwert medizinischer Dissertationen wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Auch der Wissenschaftsrat hat in den kürzlich publizierten Empfehlungen zur Doktorandenausbildung empfohlen, die bisherige medizinische Dissertation abzuschaffen. Das Ziel dieser Befragung war, valide Daten von Promovierenden zu erhalten, um die Diskussion dieser Thematik zu versachlichen.

Probanden und Methodik: Mittels eines 22 Items umfassenden Fragebogens wurde eine Befragung aller Promovierenden im Zeitraum vom 1.10.2000 bis 30.9.2001 an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) durchgeführt. Es wurden Angaben zur Dissertation und Betreuung, zum zeitlichem Aufwand und zur Publikation der Ergebnisse erbeten. Die Auswertung erfolgte mit Mitteln der deskriptiven Statistik im Sinne einer explorativen Datenanalyse.

Ergebnisse: Es lagen 232 auswertbare Erhebungsbögen vor, was einer Rücklaufquote von 87 % entsprach. Der Anteil der Frauen an den Promovierenden betrug 47 %, ihr durchschnittliches Alter lag zum Zeitpunkt des Einreichens der Arbeit bei 29,7 Jahren. Der überwiegende Teil der Befragten (69 %) promovierte in einer Klinik. Für die Dissertation wurde ein Gesamtaufwand von im Mittel 2066 Stunden über durchschnittlich 107 Wochen bei einer wöchentlichen Belastung von 20,3 Stunden aufgebracht. Die Betreuung während der verschiedenen Phasen der Dissertation wurde überwiegend als gut bewertet. Für 90 % der befragten Promovierenden war das Erstellen einer Promotionsarbeit persönlich sinnvoll. In 57 % der Fälle waren die Ergebnisse der Doktorarbeit bereits publiziert, wobei 39 % der Promovenden als Erstautor fungierten.

Folgerungen: Vergleichbar zu früheren Untersuchungen an deutschen Hochschulen hält die überwiegende Mehrheit von 90 % der Promovierenden die Dissertation trotz des großen Zeitaufwands für einen sinnvollen Teil des Studiums. Bei der Diskussion um eine Neuordnung der Promotion in der Medizin sollten derartigen repräsentativen Erhebungen eine größere Bedeutung zukommen als persönlichen Meinungen und Erfahrungen von „Experten”.

Background and objective: The relevance of medical dissertations is controversial in Germany. The „Wissenschaftsrat” (Science Council) of Germany even made the radical proposal of abolishing medical dissertations, in their present form, in the recently published „Guidelines on writing a thesis”.

Methods: Using a questionnaire with 22 items all students submitting their dissertations within one year at the Medical School in Hannover were asked to participate in a survey about the dissertation, supervision, time spent on it and publishing the results. The answers were evaluated statistically by explorative data analysis.

Results: A total of 232 questionnaires were evaluated, which is equivalent to a response rate of 87 % (47 % were women). A majority of 69 % had prepared their thesis in a clinical institution. The supervision during various phases of the dissertation was graded as good. Altogether 90 % thought that it had been personally worth-while. In 57 % of cases the data of the dissertation had already been published and in 39 % of these cases the author of the dissertation was listed as first author of the publication.

Conclusions: In agreement with former studies in German universities an overwhelming majority of 90 % of respondents graded dissertations as a significant part of their medical studies, although requiring much additional time. They would recommend such a research phase to younger students as highly valuable. These results are in contrast to many repeatedly made statements.

1 Herrn Prof. Dr. med. Dr. h.c. Walter Siegenthaler zum 80. Geburtstag

Literatur

  • 1 Dietz C, Arkenau C, Meyer-Wentrup F. Why German medical students abandon dissertations.  Educ Health. 2000;  13 97-100
  • 2 Kersting N. Promotionsstudium im Vergleich. Reihe: Marburger Meinungsbilder. Marburg 2000
  • 3 Kock N, Gauer C, Busch L C, Kirchner H. Betreuung medizinischer Doktoranden im interuniversitären Vergleich - Sollte das Promotionsverfahren geändert werden?.  Dtsch Med Wochenschr. 2000;  125 724-728
  • 4 Kopetsch T. Ärztinnen. Potentiale werden noch nicht genutzt.  Dtsch Ärztebl. 2003;  100 B753-B757
  • 5 Lenze S. Wissenschaftsrat: „Medical Doctor” in der Diskussion.  Dtsch Ärztebl. 2003;  100 B13
  • 6 Pabst R, Strate J, Rothkötter H -J. Die medizinische Dissertation: Sinnvolle Ergänzung oder Ablenkung vom Studium?.  Dtsch Ärztebl. 1997;  94 A2314-2318
  • 7 Schwering H. Großer Regelungsbedarf. Leserbrief zu dem Beitrag „Medical Doctor” in der Diskussion.  Dtsch Ärztebl. 2003;  100 B 529
  • 8 Seger G. 5. Via medici Kongress. Unter neuen Vorzeichen.  Dtsch Ärztebl. 2002;  99 B1704-B1707
  • 9 Studentensurvey an der Medizinischen Fakultät im Sommersemester 2000. Studiendekanat Medizinische Fakultät Köln. Köln 2000
  • 10 Weihrauch M, Weber A, Weltle D, Lehnert G. „Doktor” ohne Dr. med. - Wie beurteilen nicht-promovierte Vertragsärzte medizinische Dissertationen?.  Gesundheitswesen. 1999;  61 255-259
  • 11 Weihrauch M, Weber A, Weltle D, Pabst R, Lehnert G. Der Weg zum Dr. med. - wie beurteilen Doktoranden ihre Dissertation?.  Dtsch Med Wochenschr. 1998;  123 375-380
  • 12 Winnacker E L. Klinische Forschung. DFG-Denkschrift 1997
  • 13 Wissenschaftsrat. Empfehlungen zur Doktorandenausbildung. Köln 15.11.2002

1 Herrn Prof. Dr. med. Dr. h.c. Walter Siegenthaler zum 80. Geburtstag

Prof. Dr. Reinhard Pabst

Abt. Funktionelle und Angewandte Anatomie 4120, Medizinische Hochschule Hannover

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