Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(49): 2579-2580
DOI: 10.1055/s-2003-45201
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Herrn Prof. Dr. med. Dr. h.c. Walter Siegenthaler zum 80. Geburtstag

On the occasion of Prof. Siegenthaler’s 80th birthdayH. E. Blum
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Publication Date:
04 December 2003 (online)

Herr Prof. Dr. med. Dr. h. c. Walter Siegenthaler, langjähriger Schriftleiter der Deutschen Medizinischen Wochenschrift, feiert am 14. Dezember 2003 seinen 80. Geburtstag, ein freudiger Anlass, ihn als eine der herausragenden Persönlichkeiten der Inneren Medizin mit diesem Heft zu würdigen.

Geboren 1923 in Davos durchlief Walter Siegenthaler die Primarschule in Davos und das Gymnasium an der Kantonsschule in Chur. Von 1942-1948 studierte er Medizin an der Universität Zürich. Nach anschließendem Militärdienst arbeitete er an der Zürcher Pathologie unter den Professoren Dres. H. von Meyenburg und H. Zollinger. Danach wechselte er an die Medizinische Klinik des damaligen Kantonsspitals Zürich zu Herrn Prof. W. Löffler.

Nach 4-jähriger Ausbildung als Internist am Kantonsspital Zürich ging er 1954 als Oberarzt mit dem zum Chefarzt der Medizinischen Klinik am Kantonsspital St. Gallen gewählten Prof. R. Hegglin und kehrte 1958 mit ihm nach seiner Wahl zum Ordinarius und Direktor der Medizinischen Poliklinik an der Universität Zürich zusammen mit seiner Frau Dr. med. Gertrud Siegenthaler-Zuber, die er an der Medizinischen Klinik in St. Gallen als Assistenzärztin kennenlernte und Ende 1957 heiratete, nach Zürich zurück.

1961 habilitierte sich Walter Siegenthaler an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich für das Fach Innere Medizin und ging danach zusammen mit seiner Frau als Stipendiat der Stiftung zur Förderung des akademischen Nachwuchses an der Universität Zürich an die Medical School der Stanford University in Palo Alto und anschließend an das Cornell University Medical College in New York. An beiden Orten arbeitete er in Labors, die weltweit führend auf dem Gebiet des Aldosterons waren. 1963 kehrten die Siegenthalers nach Zürich zurück.

Hier war er als Stellvertreter des Klinikchefs Prof. R. Hegglin tätig und baute im wissenschaftlichen Bereich ein Aldosteron- und Renin-Forschungslabor auf, das sich mit Grundlagenfragen und klinischen Fragestellungen zum neu entdeckten Renin-Angiotensin-Aldosteron-System beschäftigte. Aufgrund seiner klinischen und wissenschaftlichen Leistungen wurde er bereits 1965 zum Titularprofessor und 1967 zum Extraordinarius ernannt und 1969 als Ordinarius und Direktor der Medizinischen Poliklinik nach Bonn berufen. 1970 erhielt Prof. W. Siegenthaler einen Ruf an die Medizinische Klinik der Universität Bonn und einen Ruf an die Medizinische Poliklinik am Universitätsspital Zürich, nachdem Prof. R. Hegglin unerwartet verstorben war.

Zurück in Zürich baute er in den Jahren 1971-1991 unterstützt von seiner Frau und einem großen, engagierten Team von ärztlichen und nicht-ärztlichen Mitarbeitern, eine über die Schweiz hinaus bekannte und beispielhaft funktionierende Klinik auf. Er hat die Einheit des Faches Innere Medizin gelehrt und bewahrt, aber gleichzeitig im Laufe der Jahre sukzessive Subspezialitäten mit Leitenden Ärzten aufgebaut und in die gesamte Klinik integriert. Zusammen mit den Spezialisten wurden an der Medizinischen Poliklinik in Zürich schon sehr früh u. a. gastroenterologische Endoskopien, ambulante Peritonealdialysen sowie Dilatationen der peripheren Gefäße und 1977 durch den Mitarbeiter A. Grüntzig die weltweit erste Koronardilatation durchgeführt.

Aus der Vielfalt der Facetten, die das Lebenswerk von Prof. W. Siegenthaler charakterisieren, sind vier Aspekte besonders zu nennen: Sein herausragendes Engagement als Arzt und Kliniker, seine besonderen Verdienste um die klinische Lehre und die Fortbildung, seine ständige Unterstützung der klinisch-wissenschaftlichen Forschung und sein engagierter Einsatz für die Forschungs- und Nachwuchsförderung in seiner Klinik war der Patient König und hatte immer erste Priorität. Die Patienten-orientierte und maßvolle Medizin war für ihn immer eine Selbstverständlichkeit.

Ein ganz besonderes Anliegen war für ihn die fundierte Ausbildung von Studenten in einer sich rasch entwickelnden Medizin. So gehörten seine Vorlesungen zu den Höhepunkten der klinischen Ausbildung. Ebenso wichtig wie der Studentenunterricht war für ihn die Weiter- und Fortbildung von Internisten und Spezialisten wie auch der praktischen Ärzte. Zusammen mit seiner Frau organisierte er viele Jahre ärztliche Fortbildungsveranstaltungen, die vor allem in Davos zu einer festen Institution geworden sind. Viele seiner Schüler in Bonn und Zürich waren bzw. sind heute in universitären Positionen oder als Chefärzte in Krankenhäusern tätig.

Das wissenschaftliche Interesse von Prof. W. Siegenthaler war äußerst breit. Es umfasste neben der Erforschung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems auch die Infektionskrankheiten und viele andere Bereiche der Inneren Medizin. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern publizierte er mehr als 800 wissenschaftliche Arbeiten.

Ganz besonders haben aber auch die von ihm herausgegebenen und in viele Sprachen übersetzten Lehrbücher wesentlich zur Ausbildung der Medizinstudenten und zur Weiter- und Fortbildung der Ärzte im deutschsprachigen Raum und weit darüber hinaus beigetragen. Die „Differentialdiagnose Innerer Krankheiten” und die „Klinische Pathophysiologie” sind zu Klassikern der medizinischen Fachliteratur geworden.

Neben der Förderung der klinisch-wissenschaftlichen Forschung an der eigenen Klinik hat er in zahlreichen Gremien der Forschungsförderung von Fakultät und Universität sowie der Spitalpolitik mitgewirkt. Als Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich von 1978 - 1980, im Fakultätsvorstand sowie durch seine Tätigkeit als Vorsitzender der Klinikdirektorenkonferenz am Universitätsspital Zürich von 1980-1991 hat er sich für die verschiedensten Aspekte der Hochschulmedizin engagiert und bei zahlreichen Stiftungen und Kommissionen mitgewirkt.

Aufgrund seiner vielfältigen herausragenden Leistungen wurden Prof. W. Siegenthaler zahlreiche Ehrungen zuteil. So war er u. a. Präsident der Paul Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 1983 - 84, Mitglied des Vorstandes der Deutschen und der Schweizerischen Gesellschaft für Innere Medizin. 1990 übernahm er das Präsidium der Gesellschaft für Fortschritte in der Inneren Medizin und seit 1992 ist er Präsident des Schweizerischen Forschungsinstituts für Hochgebirgsklima und Medizin in Davos. Seine Tätigkeit im Stiftungsrat der Schweizerischen Studienstiftung für begabte junge Menschen, im Stiftungsrat „Schweizer Jugend forscht” sowie bei verschiedenen anderen Stiftungen und als Mitglied der Schriftleitung verschiedener medizinischer Zeitschriften im Inland und Ausland dokumentieren das enorme persönliche Engagement von Prof. W. Siegenthaler.

Der von ihm und seiner Frau immer gelebten sozialen Verantwortung war er auch nach seiner Emeritierung weiter verpflichtet, indem er begabte junge Leute aus dem akademischen Umfeld im In- und Ausland persönlich gefördert und unterstützt hat. In diesem Sinne wurde auch im Jahre 2003 die Walter und Gertrud Siegenthaler Stiftung zur Förderung des akademischen Nachwuchses an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich errichtet.

Aus der Vielzahl der persönlichen Auszeichnungen, die Prof. W. Siegenthaler zuteil wurden, seien nur einige genannt: Ehrenmitglied der Deutschen Ärzteschaft als Träger der Ernst von Bergmann-Plakette 1972, Visiting Professor am Baylor Medical College in Houston 1981, Fellow der American Academy of Microbiology 1981, Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina 1981, Ludwig-Heilmeyer-Medaille in Gold 1984, Fellow der Infectious Diseases Society of America 1989, Ehrenmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Infektiologie 1991, Ehrendoktor der Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg 1991, Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 1992, Ehrenmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Innere Medizin 1993, Ehrenmitglied der Paul Ehrlich Gesellschaft für Chemotherapie 1994, Ernst Jung-Medaille für Medizin in Gold 1997, Kristall von Davos 1998, Ehrenmedaille der Medizinischen Fakultät Charité der Humboldt-Universität zu Berlin 1999, Stiftung des Walter Siegenthaler-Preises durch den Thieme Verlag 2000, Gustav von Bergmann-Medaille in Gold der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 2000, Ehrenmitglied des Berufsverbandes Deutscher Internisten 2001, Hippocrates Award der Griechischen Gesellschaft für Innere Medizin 2002, sowie 2003 Honorary Member of the Association of American Physicians.

Mit der Emeritierung von Prof. W. Siegenthaler 1991 ging eine Ära in der Inneren Medizin zu Ende. Über 20 Jahre prägte er die innere Medizin am Universitätsspital Zürich und weit darüber hinaus. Im Verlauf seiner mehr als 40-jährigen akademischen Tätigkeit hat er die enormen Entwicklungen der Medizin miterlebt und mitgestaltet. Seine Würdigung wäre jedoch nicht vollständig, würde nicht seine Ehefrau Dr. med. Gertrud Siegenthaler-Zuber ebenfalls Erwähnung finden. Sie ermöglichte ihm diese ungewöhnliche Laufbahn, indem sie ihm stets zur Seite stand und ihn in jeder nur denkbaren Weise unterstützte. Sie war nicht nur eine brillante Klinikerin und herausragende Persönlichkeit, sondern auch eine Mittlerin zwischen ihm und seinem Umfeld.

Herr Prof. Dr. med. Dr. h. c. Walter Siegenthaler hat durch sein persönliches Vorbild als Arzt, Kliniker, Lehrer und Forscher und sein großes Engagement in zahlreichen Fachgesellschaften und Gremien, die Herausgabe renommierter medizinischer Lehrbücher sowie die Organisation nationaler und internationaler ärztlicher Kongresse und Symposien in engster Verbindung mit seiner Frau Studenten und Ärzte ausgebildet. Er hat die Innere Medizin weit über die Schweiz hinaus geprägt und gehört zu den ganz herausragenden Persönlichkeiten der Inneren Medizin der Gegenwart.

So dürfen wir Herrn Prof. W. Siegenthaler ganz herzlich zu seinem Geburtstag gratulieren und ihm für die Fortsetzung seiner Tätigkeit in den verschiedensten Gremien der Nachwuchs- und Forschungsförderung sowie der ärztlichen Fort- und Weiterbildung weiterhin Gesundheit, Freude und allen Erfolg wünschen.

Prof. Dr. med. Drs. h. c. H. E. Blum

Abteilung Innere Medizin II, Medizinische Universitätsklinik

Hugstetter Straße 55

79106 Freiburg

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