Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(12): 352
DOI: 10.1055/s-2001-12097
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Internisten auf dem chirurgischen Auge blind?

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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Die Artikel zur Adipositas [2] [4] habe ich mit großer Spannung und Aufmerksamkeit gelesen. Ich finde es sehr verdienstvoll, dass Laufs und Böhm [6] die Adipositas als behandlungsbedürftige chronische Krankheit bezeichnen.

Weiterhin ist es m. E. fundamental wichtig, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die überwiegende Mehrheit der Kollegen diese Patienten immer noch (wohl u. a. aus purer Hilflosigkeit) nach vorwurfsvollen und/oder respektlosen Bemerkungen im Regen stehen lässt. Leider führen erst Neuerungen der Pharmakotherapie zu einem allmählichen Erwachen und aufkeimender Neugier der Ärzte für diese Erkrankung.

Was ich nicht akzeptieren kann, ist die skeptische Haltung gegenüber der operativen Adipositastherapie [2]. Ich möchte auf die eindrucksvollen Daten verweisen, die z. T. auf der Jahrestagung der Deutschen Adipositasgesellschaft 1999 vorgestellt wurden [1] [3] [4]. Es ist schlicht blamabel, dass konservative Behandler und Forscher auch nicht ansatzweise Vergleichbares bieten können. Damit meine ich nicht nur die hohe Effizienz der chirurgischen Therapie, sondern vor allem die exzellenten akribischen Nachuntersuchungen, die einen anhaltenden Langzeiterfolg über 5 bzw. 10 Jahre beweisen.

Insofern wird es umso unverständlicher, dass zwei Medikamente angepriesen werden, die gerade mal ein bzw. 2 Jahre auf dem Markt sind, über die bisher allenfalls Pilotstudien vorliegen und von denen kein Experte sagen kann, ob es sich dabei um eine Dauertherapie handelt (alles spricht dafür). Während ich aufgrund der Pharmakokinetik bei Orlistat relativ großzügig bin (obwohl auch hier ein Risiko bleibt, denn das Medikament wird auch resorbiert), muss man m. E. mit Sibutramin extrem skeptisch abwartend verfahren. Da dies ein naher Verwandte von Fenfluramin und Dexfenfluramin ist, die beide aufgrund gravierender Nebenwirkungen weltweit aus dem Handel gezogen wurden, kann ich einer Verordnung derzeit nicht zustimmen. Gerade wenn Ellrott [2] seine Übersicht »Ansätze ...« nennt, sollte die Problematik dieser Stoffe nicht voreilig auf deren Kombination geschoben werden. Die Stoffgruppe ist und bleibt unter dem hochgradigen Verdacht, eine pulmonale Hypertonie verursachen zu können.

Auf jeden Fall sollte bei Patienten mit einer morbiden Adipositas (BMI > 40 kg/m2) eine operative Therapie, in der Regel eine modifizierte vertikale Gastroplastie mit oder ohne »banding« ernsthaft in Erwägung gezogen werden [8]. Die Patienten sind (zu ca. 70 %) sehr dankbar. Die objektiven Erfolge sind beeindruckend und anhaltend.

Literatur

  • 1 Desaive C. A critical review of a personal series of 1000 gastroplasties.  Int J Obes Relat Metab Disord. 1995;  19(Suppl 3) S56-60
  • 2 Ellrott T. Aktuelle medikamentöse Therapieansätze in der Adipositastherapie.  Dtsch med Wschr. 2000;  125 262-268
  • 3 Fobi M A. Vertical banded gastroplasty vs gastric bypass: 10 years follow-up.  Obes Surg. 1993;  3(2) 161-164
  • 4 Husemann B. Surgery for obesity - the most successful long-term therapy?.  Wien Med Wochenschr. 1998;  148(17) 407-412
  • 5 Jiang D. et al . Weight loss curve analysis.  Obes Surg. 1991;  1(4) 373-380
  • 6 Laufs V, Böhm M. Kardiovaskulärer Risikofaktor Adipositas.  Dtsch med Wschr. 2000;  125 262-268
  • 7 Rich S, Rubin L, Walker A M, Schneeweiss S, Abenhaim L. Anorexigens and pulmonary hypertension in the United States.  Chest. 2000;  117(3) 870-874
  • 8 Wirth A. Adipositas. Heidelberg: Springer 1997
  • 9 Zhi J, Mulligan T E, Hauptmann J B. Long-term systemic exposure of orlistat, a lipase inhibitor, and ist metabolites in obese patients.  J Clin Pharmacol. 1999;  39(1) 41-46

Dr. med. Peter Schmid

Gesundheitsamt Bielefeld

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