Geburtshilfe Frauenheilkd 1999; 59(2): 62-69
DOI: 10.1055/s-1999-14162
Originalarbeit

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Erfassung der fetalen Retardierung mittels Ponderal Index und Gewichtsperzentilen

Assessment of Fetal Retardation via Ponderal Index and Weight Percentiles E. Beck3 , A. Bittl1 , S. Koller1 , E. Merkle3 , A. Katalinic2 , W. Jäger1 , N. Lang1
  • 1Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
  • 2Institut für Biomathematik und Statistik der Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
  • 3Städtische Frauenklinik Stuttgart
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Publication History

Publication Date:
31 December 1999 (online)

Zusammenfassung

Intrauterin wachstumsretardierte Neugeborene konnten ihr genetisches Wachstumspotential aufgrund einer intrauterinen Mangelversorgung nicht realisieren und werden deshalb zu klein oder zu leicht geboren. Das Merkmal „zu leicht” wird mit Hilfe von Gewichtsperzentilen quantifiziert. Kinder mit einem Gewicht< 10. Perzentile werden als „small for gestational age” (SGA) bezeichnet. Diese Einteilung berücksichtigt jedoch nicht die Proportionen eines Neugeborenen, so daß vor allem asymmetrisch retardierte Neugeborene, deren Gewicht zwar die 10. Perzentile noch überschreitet, die jedoch für ihre Körpergröße untergewichtig sind, nicht erfaßt werden. Der Ponderal Index (PI) dagegen berücksichtigt sowohl Gewicht als auch Länge des Neugeborenen. Kinder mit einem PI < 10. Perzentile werden als „low Ponderal Index” (LPI) klassifiziert. Aus pädiatrischen Studien ist bekannt, daß LPI-Kinder vermehrt durch Hypoglykämien, Hypothermien, Hypokalzämien und Mekoniumaspirationen/Aspirationspneumonien gefährdet sind. Langzeiterhebungen zeigten eine verzögerte körperliche Entwicklung und gehäuft motorische oder neurologische Verhaltensauffälligkeiten sowie schulische Probleme.

Fragestellung: Ziel der vorliegenden Arbeit war die Frage, ob Mangelgeborene, insbesondere LPI-Neugeborene, auch intrapartum einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind.

Methoden: Hierzu wurden 3687 Neugeborene retrospektiv erfaßt, die anhand von Perzentilenkurven des betrachteten Kollektivs als SGA, LPI, SGA/LPI oder Vergleichskollektiv klassifiziert wurden.

Ergebnisse: Unterschiede im Geburtsmodus zwischen SGA- bzw. LPI-Mangelgeborenen und eutrophen Neugeborenen waren schwach ausgeprägt. Demgegenüber unterschied sich die Indikation, aufgrund deren ein geburtshilflicher Eingriff vorgenommen werden mußte deutlich. Bei 31 % aller operativ entbundenen LPI-Neugeborenen, 47 % der SGA-Neugeborenen und 52 % der SGA/LPI-Kinder erfolgte die operative Entbindung aus fetaler Indikation, im Vergleich zu 16 % des Normalkollektivs. Bezüglich des „fetal outcome”, das die Merkmale neonataler Säure-Basen-Status, Apgar-Wert, Verlegung in die Kinderklinik und perinatale Mortalität einbezog, verhielten sich die Gruppen SGA, LPI und SGA/LPI in gleicher Weise schlechter gegenüber dem Vergleichskollektiv. Die Unterschiede zwischen proportionierten (SGA) und dysproportionierten (LPI) Mangelgeborenen waren weniger deutlich.

Schlußfolgerungen: Es zeigte sich, daß das gegenwärtige engmaschige, geburtshilfliche Management mit nahezu permanenter CTG-Überwachung sub partu Probleme rechtzeitig erkennen und beherrschen ließ. Die Erfassung des niedrigen Ponderal Index war zur Erkennung und Vermeidung subpartaler geburtshilflicher Risikofaktoren nicht entscheidend.

Abstract

Intrauterine growth retarded fetuses could not realize their genetic potential due to intrauterine malnutrition and could thus not reach an appropriate length or weight according to their gestational age. New born infants below the 10 th percentile are termed „small for gestational age” (SGA). However, this definition does not account for asymmetrically retarded infants who's birth weight is above the 10th percentile, but who are underweight for their length. In contrast the fetal Ponderal Index (PI) regards both fetal length and weight. New born infants with a PI <10th percentile are classified as „low Ponderal Index” (LPI). From pediatric studies it is well known that LPI infants are more likely threatened by hypoglycemia, hypothermia, hypocalcemia and meconium aspiration pneumonitis. Long term follow-up studies showed a retarded physical and mental development of these infants.

Purpose: The current study followed the question if intrauterine growth retarded fetuses, esp. LPI infants are also at higher risk during labour. The data of 3687 new born infants were retrospectively analyzed.

Study Design: According to their birth weight and length they were characterized as SGA, LPI, SGA/LPI or „appropriate for gestational age” AGA. The AGA infants together with the LGA infants were used as control group.

Results: No significant differences in respect to birth modalities (i.e. vaginal delivery, cesarean section, operative vaginal delivery) could be detected between SGA-, LPI- and AGA infants. However, concerning the indication which formed the basis for an operative delivery, we found significant differences. In 31 % of all operatively delivered LPI new born, 47 % of the SGA infants and 52 % of the SGA/LPI group the indication for the operative management was based on fetal problems. This indication accounted for only 16 % of the operatively delivered infants in the control group. Regarding the fetal outcome, specified by the fetal acid base status, Apgar index, frequency of transfer to the neonatal intensive care unit, and perinatal mortality, no differences between LPI, SGA and SGA/LPI infants could be detected.

Conclusion: We conclude that the current strategies of monitoring labour, e.g. by continuous CTG scanning, are sufficient to detect and master fetal problems. The detection of a „low Ponderal index” did not add any information concerning the management of labour.

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