Handchir Mikrochir Plast Chir 1999; 31(6): 367-372
DOI: 10.1055/s-1999-13554
Originalarbeit
Hippokrates Verlag Stuttgart

Der Einfluß der Prädegeneration peripherer Nerven auf die Plastizität von kultivierten Schwannschen Zellen und ihre Zellzahl in vitro

Influence of Predegeneration of Peripheral Nerves on Plasticity of Cultured Schwann Cells and in vitro Cell Yield H. Fansa1 , G. Keilhoff2 , O. Frerichs1 , G. Wolf2 , W. Schneider1
  • Aus der 1Klinik für Plastische, Wiederherstellungs- und Handchirurgie (Direktor: Prof. Dr. med. W. Schneider) und dem 2Institut für Medizinische Neurobiologie (Direktor: Prof. Dr. rer. nat. G. Wolf), Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
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Publication History

25.5.1999

Publication Date:
31 December 1999 (online)

Zusammenfassung

Unter Prädegeneration versteht man die Durchtrennung eines Spendemervs in situ für einen bestimmten Zeitraum vor der Entnahme, um den Ablauf der Wallerschen Degeneration abzuwarten. Am N. ischiadicus der Ratte führt die Prädegeneration zu einer deutlich verbesserten axonalen Regeneration. Es wird vermutet, daß die proliferierenden Schwannschen Zellen durch eine erhöhte Produktion und Akkumulation trophischer Faktoren ursächlich an der besseren axonalen Regeneration beteiligt sind. Das Ziel dieser Untersuchungen war es, den optimalen Effekt der Prädegeneration auf die Proliferation von Schwannschen Zellen über unterschiedliche Zeiträume zu determinieren und den Einfluß der Prädegeneration auf die Produktion trophischer Substanzen zu ermitteln.

Hierzu wurde der N. ischiadicus der Ratte distal seines Austritts aus dem Wirbelkanal durchtrennt. Je nach Versuchsgruppe betrug die Dauer der Prädegeneration einen, zwei, drei und vier Tage sowie eine, zwei und drei Wochen. Nach Ablauf der Prädegeneration wurde der Nerv entnommen und für die Kultivierung der Schwannschen Zellen aufgearbeitet. Die aus dem nicht behandelten kontralateralen Nerv des Versuchstieres kultivierten Schwannschen Zellen dienten als Kontrollgruppe. Zur Charakterisierung der Zellen wurden diese immunhistochemisch S100 gefärbt. Als trophischer Faktor wurde der „nerve growth factor” (NGF) und als Zelladhäsionsmolekül N-Cadherin bestimmt. Die Vitalität wurde durch die Fluoreszein-Fluoreszenz-Färbung ermittelt, der Proliferationsindex durch die Inkorporation von BrdU in die DNA.

Bei allen Zellen aus prädegenerierten Nerven ließ sich im Vergleich zu den Kontrollnerven eine erhöhte Proliferation feststellen. Die Proliferationsrate war abhängig von der Prädegenerationsdauer. Bereits nach Prädegeneration von 24 Stunden und bis zu drei Wochen konnte eine erhöhte Zellanzahl erzielt werden. Optimale Proliferation zeigte sich nach einer Prädegeneration von einer Woche. NGF und N-Cadherin-Expression fanden sich bei allen S100-positiven Zellen. Die Prädegeneration veränderte die Vitalität der Schwannschen Zellen nicht.

Ein möglicher Grund für die verbesserte axonale Regeneration in prädegenerierten Nerventransplantaten kann die hier ermittelte hohe mitotische Aktivität der prädegenerierten Schwann schen Zellen in Kombination mit einer früh einsetzenden Proliferation sein. Die Expression von NGF und N-Cadherin in den prädegenerierten Zellkulturen impliziert eine deutliche Plastizität der Schwann schen Zelle mit der Fähigkeit zur Dedifferenzierung und in deren Folge mit einer verbesserten axonalen Regeneration. Weiterhin ist die Prädegeneration peripherer Nerven eine äußerst effiziente Methode, ohne die Zugabe zytotoxischer Substanzen in kurzer Zeit eine hohe Ausbeute aktiver Schwannscher Zellen zu erzielen. Dies erscheint uns für die zukünftige Therapie von Läsionen peripherer Nerven bedeutsam.

Abstract

Predegeneration of peripheral nerve grafts is known to improve axonal regeneration in the sciatic nerve of the rat. Predegeneration involves sectioning the donor nerve in situ for a period of time prior to harvesting in order to allow Wallerian degeneration to take place. It is suggested that proliferating Schwann cells are responsible for this regeneration-promoting effect due to an increased production and accumulation of trophic factors. The aim of this study was to evaluate whether the proliferation of Schwann cells is increased after various predegeneration periods and whether predegeneration does affect the production of trophic factors.

The rat's sciatic nerve was transsected distal to the spinal ganglion. Predegeneration was allowed to take place for one, two, three and four days and one, two and three weeks, respectively. The nerve was resected and prepared for Schwann cell cultivation. Cells cultivated from the contralateral untreated nerve served as control. S100 immunostaining, nerve-growth factor (NGF), and N-cadherin were used to characterize Schwann cells. Viability was assessed by fluoresceine fluorescence staining. Proliferation index was determined by BrdU DNA incorporation.

Cultivation of cells harvested from predegenerated nerves indicated an increased proliferation of Schwann cells compared to the control. Proliferation effects depended on the period of predegeneration. A higher cell yield was obtained as early as 24 hours and up to three weeks after predegeneration. Optimal proliferation was seen after one week of predegeneration. The rapid expansion of Schwann cell populations oppressed the development of contaminating fibroblasts. NGF and N-cadherin were expressed by all S100-positive cells. Predegeneration did not affect viability.

The determined high mitotic activity of predegenerated Schwann cells in combination with an early onset of proliferation may explain the regenerating-promoting effect of predegenerated nerve grafts. The expression of both NGF and N-cadherin in the predegenerated cultures indicates a high level of plasticity with dedifferentiation capacity, which in turn promotes neural regeneration. Predegeneration allows a proliferation of Schwann cells without concomitant pharmacological treatment. Thus, predegeneration of peripheral nerves is considered to be a highiy efficacious method if a high yield of activated Schwann cells is desired within a short period of time. This may become relevant in the future of repair of peripheral nerve lesions, when autologous Schwann cells with their capacity to provide neurotrophines and cell adhesion molecules are used as cellular prostheses to bridge nerve gaps.

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