Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(02): 47-48
DOI: 10.1055/s-0042-104715
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Geburtshilfe
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Kindliche Fehlbildungen – Risiko durch Kontrazeptiva in der Frühschwangerschaft

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Publication Date:
25 April 2016 (online)

Hintergrund: Ob die Einnahme hormoneller Kontrazeptiva zum Zeitpunkt der Konzeption bzw. in der Frühschwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für fetale Fehlbildungen assoziiert ist, wird kontrovers diskutiert. Insbesondere ist unklar, über welchen Zeitraum potenziell schädliche Einflüsse der synthetischen Hormonpräparate nachwirken können. Eine dänische Arbeitsgruppe hat diese Problematik anhand einer nationalen prospektiven Kohortenstudie untersucht.

Methoden: Charlton und Kollegen haben mit Hilfe des dänischen Geburtenregisters 880 694 zwischen 1997 und 2011 lebend geborene Einlinge identifiziert. Kinder mit Fehlbildungen aufgrund einer bekannten Ursache (z.B. Chromosomenanomalien) wurden von der Analyse ausgeschlossen. Mit Hilfe weiterer Datenbanken wurden soziodemographische Informationen sowie Daten zu kindlichen Fehlbildungen, zu maternalen Vorerkrankungen sowie zur Anwendung oraler hormoneller Kontrazeptiva gewonnen. Die Prävalenz schwerer Fehlbildungen bei Kindern, deren Mütter 0 bis 3 Monate vor der Schwangerschaft bzw. nach Eintritt der Schwangerschaft orale hormonelle Kontrazeptiva angewendet hatten, wurde unter Berücksichtigung potenzieller Störvariablen untersucht. Die Referenzgruppe umfasste Kinder, deren Müttern eine Kontrazeptiva-Einnahme spätestens 3 Monate vor der Schwangerschaft beendet hatten.

Ergebnisse: 183 963 Frauen der Studienkohorte (21 %) hatten noch nie orale Kontrazeptiva angewendet, 611 007 (69 %) hatten mindestens 3 Monate vor der Schwangerschaft keine Kontrazeptiva eingenommen, 74 542 (8 %) waren bis 0 bis 3 Monate vor der Schwangerschaft exponiert gewesen, und 11 182 (1 %) hatten noch während der Schwangerschaft Kontrazeptiva eingenommen. Bei 22 013 Kindern (2,5 %) wurde innerhalb des ersten Lebensjahres eine schwere Fehlbildung diagnostiziert. Die Fehlbildungsprävalenz in den o.g. Gruppen war vergleichbar (25,1 vs. 25,0 vs. 24,9 vs. 24,8). Im Vergleich zur Referenzgruppe war die Häufigkeit kindlicher Fehlbildungen bei Kontrazeptiva-Einnahme bis 0 bis 3 Monate vor bzw. während der Schwangerschaft nicht erhöht (Prävalenz-Odds Ratio 0,98; 95 %-CI 0,93–1,03 bzw. 0,95; 95 %-CI 0,84–1,08). Die Ethnizität, das Alter, der Bildungsgrad der Mütter sowie ein Nikotinabusus hatten keinen Einfluss auf die Ergebnisse. Auch bezüglich spezifischer Fehlbildungen (Hypoplastisches Linksherz, Gastroschisis, Extremitätendefekte, Harnwegsanomalien) zeigte sich bei perikonzeptioneller Kontrazeptiva-Exposition kein erhöhtes Risiko. Bei den Kindern der Frauen, die nie hormonelle Kontrazeptiva eingenommen hatten, ließ sich jedoch im Vergleich zur Referenzgruppe ein leicht erhöhtes Risiko für Fehlbildungen (Prävalenz-Odds Ratio 1,06; 95 %-CI 1,02–1,10), insbesondere für Anomalien des Genitale, des Nervensystems sowie des Verdauungstrakts nachweisen.

Fazit

Etwa 9 % der Frauen, die hormonelle Kontrazeptiva einnehmen, werden im ersten Anwendungsjahr schwanger. Auch die Kinder von Frauen, die kurz nach Beendigung der Kontrazeptiva-Einnahme konzipieren, können potenziell den schädlichen Einflüssen der exogenen Hormone ausgesetzt sein. Die Ergebnisse der Beobachtungsstudie legen jedoch nahe, so das Fazit der Autoren, dass die Anwendung hormoneller Kontrazeptiva kurz vor oder während der Schwangerschaft nicht mit einem signifikant erhöhten kindlichen Fehlbildungsrisiko assoziiert ist.

Dr. Judith Lorenz, Künzell