Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(02): 85-86
DOI: 10.1055/s-0042-102470
Aus der Geschichte der Perinatalmedizin
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wassergeburt – „Für geburtshilfliche Operationen im Wasser“

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Publication Date:
25 April 2016 (online)

Im Jahre 1887 hatte der Moskauer Geburtshelfer und praktische Arzt J. A. Kaschkaroff „für die Ausführung geburtshilflicher Operationen im Wasser“ eine Gebärwanne konstruiert und im „Centralblatt für Gynäkologie“ darüber berichtet.

Ein großes Thema in der chirurgischen Medizin war damals, ein aseptisches Milieu für operative Eingriffe zu schaffen. Lister hatte 1871 den Karbolspray eingeführt mit dem Ziel, eine Asepsis im Operationsfeld zu erreichen. Seit 1887 hatte Lister diese Methode nicht mehr benutzt. Die Sicht im Operationsfeld war durch den Karbolnebel beeinträchtigt, der scharfe Geruch ätzte die Schleimhäute und die Haut der Hände des Operateurs litt unter der Einwirkung der Karbolsäure.

Im sterilen Wasser sah Kaschkaroff die Lösung des Problems, ein aseptisches Umfeld für eine Operation zu schaffen, „da Wasser für praktische Ziele sicherer und leichter sterilisiert werden kann als die Luft, besonders wo es auf große Quantität dieser beiden Medien ankommt... Der Apparat hat einige Ähnlichkeit mit einem gynäkologischen Operationstisch. Der geneigte Theil der Wanne (D) ist für die Lagerung des Kreuzes der Gebärenden bestimmt, die Schenkel letzterer werden durch besondere Schenkelhalter befestigt. An den Seitenwänden befinden sich Öffnungen für den Zu- und Abfluss des Wassers, in dem Boden der Wanne einige Reserveöffnungen zum Behufe eines schnelleren Abflusses des Wassers... Die Wanne ist von hinreichenden Dimensionen und gestattet dem Operateur, auf der einen oder anderen Seite derselben stehend, leicht und bequem zu operieren.“

Die Wanne war also primär nicht für normale, unkomplizierte Geburten gedacht, sondern sie sollte als „antiseptischer Apparat“ eingesetzt werden, um „zwei Ziele zu erreichen: einestheils wird das Eindringen von Mikroorganismen in die Geburtstheile verhindert, anderentheils wird ihr Austritt aus letzterem und Übergang in die Luft unmöglich gemacht und zusätzlich wird, besonders in Operationsfällen bei todtfaulen Früchten, das umgebende Personal von dem höchsten Grade üblen Geruchs verschont bleiben.“ Alle Nachteile von Listers Karbolspray wollte Kaschkaroff mit seinen „Operationen unter der Wasseroberfläche“ vermeiden. Er hatte mit der Wanne positive Erfahrungen gemacht und gute Erfolge erzielt bei „Wendungen auf die Füße und Kraniotomien“.

Seiner Publikation im „Centralblatt für Gynäkologie“ hat er eine perspektivisch sehr unbeholfene Abbildung der Apparatur mit gelagerter Patientin ( [Abb. 1]) sowie eine Konstruktionsskizze der Gebärwanne ( [Abb. 2]) beigefügt. Die Adresse des Herstellers und den Kaufpreis von etwa 300 Rubeln je nach verwendetem Material hat er angegeben. Am Ende der Darstellung seiner Erfindung steht der Hinweis, dass „die Anschaffung dieses Apparates für eine wohl eingerichtete Gebäranstalt eben so unerlässlich sei, wie für eine wohl eingerichtete Wohnung ein vollkommen konstruiertes Water-Closet.“ Man muss sagen, dass das Water-Closet sich durchgesetzt hat, die Operationswanne nicht. Es war lediglich ein Versuch, ein aseptisches Milieu in der operativen Geburtshilfe zu erreichen.

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Abb. 1 Vorrichtung „für die Ausführung geburtshilflicher Operationen im Wasser“ von J. A. Kaschkaroff (aus dem Centralblatt für Gynäkologie, 1887).
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Abb. 2 Konstruktionsskizze der Kaschkaroffschen Gebärwanne (aus dem Centralblatt für Gynäkologie, 1887).

Etwa 75 Jahre nach Kaschkaroff hat der Russe J. Charkowsky ebenfalls in Moskau die Geburt unter Wasser propagiert, allerdings unter anderen Gesichtspunkten. Ihm ging es nicht vorrangig um Asepsis, sondern um Geburtserleichterung. In Westeuropa war es der Franzose M. Odent, der 1978 die Wassergeburt bekannt machte.

Prof. Dr. Volker Lehmann, Hamburg