Geburtshilfe Frauenheilkd 2015; 75(09): 892-894
DOI: 10.1055/s-0035-1546221
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Patientenwille/Kommunikation. Der „mündige Patient“: Wie viel Beteiligung ist gesund?

Barbara Erbe
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Publication Date:
07 October 2015 (online)

Eine partizipative Entscheidungsfindung (shared decision making) wird von der Mehrzahl der Patienten gewünscht. In einem Reviewartikel, in den 115 Studien aus den Jahren 1980–2007 einflossen, zeigte sich, dass 63 % der Patienten eine gemeinsame Entscheidung mit dem Arzt bevorzugen. Bei jüngeren Studien (2005–2007) wünschten sogar 71 % eine Mitbestimmung. Vor allem bei Tumorerkrankungen und invasiven Behandlungen möchten 77 bzw. 79 % der Patienten in die Entscheidung miteinbezogen werden (Patient Educ Cons 2012; 86: 9–18). Auch Ärzte stehen einer partizipativen Entscheidungsfindung meist positiv gegenüber, sehen jedoch im Alltag oft Hindernisse. Nach Meinung von Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Ernil Hansen vom Universitätsklinikum Regensburg ist der Begriff „shared decision making“ irreführend, da er suggeriere, dass die Patientin oder der Patient fachlich mitentscheiden könne: „Shared Decision Making in diesem engeren Sinne wäre aber eine Tragödie. Denn allein die Ärztin bzw. der Arzt kann das Fach vertreten und die medizinisch nötigen Entscheidungen treffen.“ Demgegenüber stehe selbstverständlich das Patientenrecht, den vorgeschlagenen ärztlichen Eingriff oder die Therapie abzulehnen. Vor diesem Hintergrund könne eine partizipative Entscheidungsfindung nur bedeuten, einen Patienten nach bestem Wissen und Gewissen zu informieren und ihm mögliche Behandlungswege und ihre Konsequenzen zu eröffnen – aber eben nicht, ihm eine Entscheidung darüber anheimzustellen, wie die medizinische Behandlung im Einzelnen dann zu erfolgen habe.

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Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Ernil Hansen