Gesundheitswesen 2013; 75 - A238
DOI: 10.1055/s-0033-1354190

Integrative und innovative Wohnformen für ältere Menschen: Angebote und Bedürfnisse

S Busch 1, J Westenhöfer 1, W Polenz 1, C Behn 1
  • 1Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Hamburg

Einleitung: Die Entwicklung des demographischen Wandels und der zu erwartenden hohen Anzahl an pflege- bzw. hilfebedürftigen Menschen stellt die Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit nach einer Entwicklung integrativer, innovativer und alter(n)sgerechter Wohnkonzepte für ältere und älter werdende Menschen. Einerseits wurde eine systematische Bestandsaufnahme bestehender Wohnprojekte und andererseits eine korrespondierende Bedarfserhebung für ältere Menschen mit dem Schwerpunkt des Mehrgenerationswohnens durchgeführt. Damit sollten jeweils aus der Angebots- bzw. der Nachfrageperspektive Informationen für die Ableitung der Entwicklung vergleichbarer Wohnformen gewonnen werden. Die empirischen Grundlagen wurden im Rahmen von Forschungslehrprojekten gewonnen. Methode: Anhand von Einschlusskriterien wurde bei einem Fachprojekt ein Kriterienraster mit dem Schwerpunkt des Mehrgenerationenwohnens entwickelt, auf dessen Grundlage fünf Wohnprojekte (Wipperfürth, Fürth, Pfingstweide, Karlshorst, Cohousing) näher beleuchtet und verglichen wurden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden zusammengefasst und ausgewertet. Bei einem zweiten Lehrforschungsprojekt wurden anhand eines qualitativen Interviewleitfadens 42 Personen über 60 Jahren hinsichtlich ihrer aktuellen Wohn- und Versorgungssituation und nach den entsprechenden Bedürfnissen und Wünschen an eine zukünftige Wohnumgebung befragt. Von besonderem Interesse war dabei, unter welchen Bedingungen sich die Befragten einen Wechsel in eine alternsgerechtere Wohnung vorstellen können. Ergebnisse: Insgesamt stellen alle einbezogenen Wohnprojekte das gemeinschaftliche Zusammenleben und die Nachbarschaftshilfe in den Vordergrund. Unterschiede bestehen in der Fokussierung der angebotenen Aktivitäten und der Zielgruppenorientierung. Es zeigte sich, dass die Gestaltungsmöglichkeiten gemeinsamer Aktivitäten von der Eigeninitiative jedes Bewohners/jeder Bewohnerin abhängt. Das gemeinsame Miteinander und die soziale Integration in die Gemeinschaft steigern das Wohlbefinden der Bewohner_innen. Eine gut funktionierende Kinderbetreuung wird durch eine Kombination aus professioneller Hilfe und nachbarschaftlichem Engagement gestellt. Die Gemeinden bzw. Städte fördern die Weiterentwicklung und das Bestehen solcher Projekte und bilden somit ein wichtiges Bindeglied. Zur Stärkung der Interaktion innerhalb der Bewohner_innen erweisen sich Netzwerker_innen oder Koordinator_innen als erfolgreich. Entscheidend für die Nachhaltigkeit und Fortentwicklung der Wohnprojekte ist die Identifikation der Bewohner_innen mit den jeweiligen Zielvorgaben. Eine hohe Vorlaufzeit oder hohe Mietpreise einiger Projekte können zu einer verstärkten Fluktuation innerhalb der Gruppe führen. Zentrale Ergebnisse aus der Befragung zeigen den Wunsch nach einer barrierefreien Wohnumgebung, einer besseren Infrastruktur und Hilfestellung im Haushalt. Fast ein Drittel der Befragten wünscht einen Balkon oder Garten und eine barrierefreie Wohnumgebung. Am häufigsten wurden Ärzte, Apotheken und Einkaufsmöglichkeiten als wichtige Umgebungsmerkmale genannt. Auch Möglichkeiten zu sportlicher Aktivität und zum Aufenthalt in der Natur wurden besonders häufig genannt. Die Mehrheit der befragten Personen war hinsichtlich Einkaufen und Selbstversorgung selbständig. Aber Unterstützung im Haushalt und beim Einkauf sind auch die Bereiche bei denen sich die Befragten eine spätere Unterstützung durch die Nachbarn besonders häufig wünschen. Diskussion: Als problematisch erwiesen sich die fehlenden Evaluationen der untersuchten Wohnprojekte. Auch die teilweise nur lückenhaft vorhandenen Informationen über die Projekte erschwerten eine Bewertung. In der qualitativen Befragung war besonders auffällig, dass die Befragten kaum antizipieren konnten, dass sich ihre gesundheitliche Situation und die daraus resultierenden Unterstützungsbedarfe verändern können. Es besteht kaum eine Bereitschaft, präventiv die Wohnsituation zu verändern. Veränderungen können sich die Befragten erst dann vorstellen, wenn bereits gravierende Veränderungen der eigenen Gesundheit oder der familiären Situation eingetreten sind.