Geburtshilfe Frauenheilkd 2013; 73(7): 661
DOI: 10.1055/s-0033-1350680
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

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M. W. Beckmann
Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen
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Publication Date:
29 July 2013 (online)

Liebe Leserin, lieber Leser,

nach welchen Kriterien entscheidet sich eine Patientin zur Behandlung für ein bestimmtes Krankenhaus und gegen ein anderes? Ausschlaggebend sind in erster Linie die Empfehlung des überweisenden Arztes, Medienberichte über bestimmte Kliniken, Empfehlungen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis. „Harte“ Kriterien aufgrund von überprüfbaren Leistungsdaten spielen demgegenüber eine nachgeordnete Rolle. Um Patienten überhaupt Informationen an die Hand zu geben, um Kliniken zu vergleichen, wurde der sog. Qualitätsbericht eingeführt. Kliniken sind verpflichtet, einen standardisierten Datensatz im Internet zu veröffentlichen, der Informationen zur Struktur der Klinik und zur Leistung der einzelnen Fachabteilungen aufführt.

In dieser Ausgabe finden Sie eine Arbeit von E. F. Solomayer et al. „Die Universitäts-Frauenkliniken im Spiegel der Qualitätsberichte“, in der versucht wurde, die Aussagekraft dieser Qualitätsberichte zu überprüfen. Dazu wurden die Qualitätsberichte der Universitätsfrauenkliniken von 2010 überprüft. Die Ergebnisse sind insofern nicht uninteressant, als sie belegen, dass die Frauenkliniken an den Universitäten mit durchschnittlich 10 % der Patientenzahlen einen wichtigen Anteil an der Gesamtpatientenzahl der Kliniken haben und dass alle Universitätsfrauenkliniken jeweils das gesamte Spektrum des Fachs abdecken. Die Größenordnungen der stationär versorgten Patientinnen differiert zwischen den Kliniken zwischen ca. 2700 und 15 000 Patientinnen pro Jahr. Die häufigsten Diagnosen und Prozeduren betreffen, sehr grob gesprochen, Geburten und Brustkrebs, wobei gerade die onkologischen Patientinnen von anderen Abteilungen wie Radiodiagnostik, Nuklearmedizin, Strahlentherapie, Innere Medizin, Viszeralchirurgie, Urologie, Neurologie, Neurochirurgie, Orthopädie, etc. mitbehandelt werden und damit für die Kliniken insgesamt eine große Rolle spielen.

Die universitäre Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Deutschland, so stelle ich als Mitautor fest, hat einen bundesweit vergleichbaren, hohen Standard. Gleichwohl kamen wir nicht umhin, festzustellen, dass das Instrument „Qualitätsbericht“ seinen Zweck nicht wirklich erfüllt. Individuelle Charakteristika einer Klinik wie Spezialsprechstunden oder Forschungsschwerpunkte werden nicht abgebildet. Es ließe sich einwenden, dass in den Vergleich nur Universitätskliniken einbezogen wurden, die z. B. alle mit einem Perinatalzentrum Level I ausgestattet sind und sich damit zwar untereinander nicht unterscheiden, wohl aber gegen andere Kliniken ein Distinktionsmerkmal aufweisen.

Die Funktion des Qualitätsberichts als Patienteninformation steht dennoch infrage. Für die Information, dass eine Klinik über ein Perinatalzentrum oder ein Brustzentrum verfügt, ist er nicht notwendig. Da aber für Patienten nachvollziehbare Kriterien für die Qualität der klinischen Versorgung – abgesehen von den Fallzahlen – nicht enthalten sind, bietet er keine echte Entscheidungshilfe. Andere Orientierungshilfen sind notwendig, um Patienten in ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen.


Ihr

Prof. Dr. med. Matthias W. Beckmann