Rehabilitation (Stuttg) 2009; 48(6): 325
DOI: 10.1055/s-0029-1242737
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der ältere Patient in der medizinischen Rehabilitation

The Elderly Patient in Medical RehabilitationF. Schliehe
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Publication Date:
12 January 2010 (online)

Praktische Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen seit Jahren, dass konzeptionelle Ausdifferenzierungen und die Orientierung an individuellen Bedarfslagen der Patienten wichtig sind für eine stetige Verbesserung der medizinischen Rehabilitation. Im Zuge der damit verbundenen „Individualisierung” der Rehabilitation ist sowohl krankheitsspezifisch als auch übergreifend eine Vielzahl von Weiterentwicklungen zu verzeichnen. Wichtige allgemeine Entwicklungen sind beispielsweise die generell stärkere Ausrichtung an den Patienten und ihren Bedürfnissen, der Ausbau ambulanter – auch mobiler – Angebote einschließlich Nachsorge, die Konzepte zur medizinisch-berufsorientierten Rehabilitation (MBO), die Weiterentwicklung von Assessments als Voraussetzung für bedarfsgerechte Interventionen usw.[1]

Diese Entwicklungen in der medizinischen Rehabilitation[2] werden zunehmend auch durch Anforderungen bestimmt, die sich aus dem veränderten Altersaufbau in der Gesellschaft, dem stetig wachsenden Anteil älterer Menschen und den Rückwirkungen dieser Veränderungen auf die Rehabilitation ergeben. Auch in der medizinischen Rehabilitation von Versicherten im erwerbsfähigen Alter nimmt der Anteil der Älteren stetig zu. Daher stellt sich die Frage, ob die bisherigen Differenzierungsprozesse in der Rehabilitation diese Entwicklung bereits ausreichend berücksichtigen oder ob ältere Rehabilitanden mit ihren spezifischen Problemlagen und subjektiven Erwartungen mehr Aufmerksamkeit erfordern. Die Aktualität dieser Fragestellung ergibt sich nicht allein aus den sozialpolitischen oder rechtlichen Rahmenbedingungen wie beispielsweise der Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Generell wird sich die Rehabilitation – nicht nur die medizinische Rehabilitation – noch stärker als bisher auf einen wachsenden Anteil älterer Rehabilitanden einstellen müssen.

In diesem Heft möchten wir deshalb besonders auf eine Studie aufmerksam machen, die die Probleme und Bedürfnisse von älteren Rehabilitanden zum Gegenstand hat und die sich daraus ergebenden besonderen Anforderungen aufzeigen will. Im Rahmen einer Sekundäranalyse von Daten aus der orthopädischen Rehabilitation nähern sich die Autoren [2] den damit zusammenhängenden Fragen. Eine Ausgangsthese ist, dass ältere Rehabilitanden „krankheitsspezifisch und krankheitsassoziiert … eine andere Beschwerdelast” aufweisen als jüngere. In diesem Zusammenhang wurden auch die spezifischen Erwartungen und Ziele, der Gesundheitszustand sowie die darauf bezogenen Therapieangebote bei Rehabilitanden über 55 Jahre aus subjektiver Sicht untersucht.

Die Autoren fanden einerseits Hinweise auf besondere Problemlagen mit höherer Belastung bei den älteren Rehabilitanden. Andererseits scheinen die Erwartungen an die Rehabilitation bei ihnen geringer, nicht zuletzt vor dem Hintergrund ausgeprägterer Rentenerwartungen. Nach den Analysen profitieren ältere Rehabilitanden von der Rehabilitation offenbar nicht in gleichem Maße wie jüngere. Sind die Rehabilitationsangebote trotz zunehmender Differenzierung und Patientenorientierung immer noch zu „gleichförmig”, beispielsweise in Bezug auf die Zusammensetzung der therapeutischen Leistungen oder die Therapiedichte?

Die Forschungsgruppe versteht die Analyse als „erste Bestandsaufnahme” und will die Thematik in weiteren Untersuchungen vertiefen, um dann konkrete Empfehlungen für die Rehabilitation älterer Rehabilitanden auszusprechen.

Neben weiteren interessanten Forschungsergebnissen in dieser Ausgabe möchten wir besonders auf den Beitrag von S. Ellger-Rüttgardt hinweisen, der sich mit der UN-Behindertenrechtskonvention und den Herausforderungen für die deutsche Bildungspolitik befasst [3]. Ferner erläutert die wissenschaftliche Arbeitsgruppe Reha Futur die aus ihrer Sicht wichtigen Handlungsfelder für Innovationsprozesse in der beruflichen Rehabilitation [1].

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Literatur

  • 1 Riedel H-P, Ellger-Rüttgardt S, Karbe H. et al . Die Zukunft der beruflichen Rehabilitation Erwachsener gestalten: Acht Handlungsfelder als Ausgangspunkt für einen akteursübergreifenden Innovationsprozess.  Rehabilitation. 2009;  48 ((6)) 375-382
  • 2 Deck R, Richter S, Hüppe A. Der ältere Patient in der Rehabilitation – Probleme und Bedürfnisse.  Rehabilitation. 2009;  48 ((6)) 326-334
  • 3 Ellger-Rüttgardt S. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und ihre Herausforderungen an die deutsche Bildungspolitik.  Rehabilitation. 2009;  48 ((6)) 369-374

1 Vgl. zum Beispiel das Schwerpunktheft über neuere Versorgungsmodelle in: Rehabilitation 2009; 48 (1).

2 Vergleichbare Entwicklungen werden zunehmend auch in der beruflichen Rehabilitation gefordert. Vgl. etwa den Bericht der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe RehaFutur in diesem Heft [1].

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