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Ärzte Woche

04.06.2023 | Primärversorgung

Der „leiwande“ Revoluzzer

verfasst von: Mit Andreas Babler hat Patrizia Steurer vor dem Parteitag gesprochen.

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Andreas Babler war Außenseiter im Rennen um den SPÖ-Chefsessel - und hat es geschafft. Babler verspricht eine Politik von unten, ein starkes öffentliches Gesundheitssystem und propagiert im Kampf um die Parteispitze die Umverteilung von den Reichen zu den Armen. 

Ärzte Woche: Sie wollen SPÖ-Chef werden. Warum glauben Sie, sind Sie der Richtige für die Spitze der SPÖ?

Babler: Ich trete an, um die Partei zu einen. Mein Vorteil ist, dass ich weder Teil des Streits der letzten Jahre war, noch einem Lager angehöre. In den letzten Tagen reden viele von Verletzungen und Kränkungen – ich bin weder verletzt noch gekränkt. Meine Hände sind ausgestreckt.

Ärzte Woche: Warum glauben Sie, als Regionalpolitiker das Amt des Kanzlers bekleiden zu können?

Babler: Ich habe natürlich größten Respekt vor dieser Aufgabe, keine Frage. Ich denke, um ein guter Kanzler zu sein, muss man vor allem ehrlich sein, es ernst meinen, in engem Kontakt mit den Leuten stehen – und wissen, für wen man sich einsetzt. Da ist Bürgermeister keine schlechte Übung. Ich habe in Traiskirchen und Niederösterreich gezeigt, dass ich Wahlen gewinnen kann. Die FPÖ ist bei mir in der Stadt einstellig. Und wir zeigen in Traiskirchen täglich, was es bedeutet, Politik für die Vielen zu machen. Wir haben beispielsweise in Traiskirchen eine Mietpreisbremse oder gratis Kindergarten- und Schulessen eingeführt, beides nach Einkommen gestaffelt.

Ärzte Woche: Sie sagen, Sie stehen dafür, die Sozialdemokratie aus der verstaubten Demokratie herauszuführen. Sie stehen für ein anderes System der Politik. Was heißt das genau?

Babler: Ich stehe für die Demokratisierung der Partei, dafür, dass die SPÖ eine echte Mitmach-Bewegung wird, von der Direktwahl des Vorsitzenden bis zur Abstimmung über Wahlprogramme und Koalitionsvereinbarungen. Unsere Mitglieder wollen mitbestimmen und Verantwortung tragen. Ihnen gehört die Partei.

Ärzte Woche: Bürger sind politikverdrossen, haben kein Vertrauen mehr in die Politik und die Politiker. Wie wollen Sie das ändern?

Babler: Es gibt ein Glaubwürdigkeitsproblem. Viele Menschen haben sich von der Politik abgewandt, weil sie genug von Hinterzimmerdeals und Machtspielen haben. Ich stehe für eine ganz andere Politik. Mir geht es darum, Politik von unten zu machen, mit einer Kindergrundsicherung, mit der Einführung einer 32-StundenWoche bei vollem Lohnausgleich, mit einer gerechten Vermögensbesteuerung.

Ärzte Woche: Wähler haben auch das Vertrauen in die Sozialdemokratie verloren. Wie wollen Sie diese Wähler wieder zurückgewinnen?

Babler: Ich habe meinen Plan zur Einigung der Sozialdemokratie präsentiert. Ein wichtiger Teil dessen ist auch eine Basis-Tour durch ganz Österreich, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen und sie davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, politisch mitzugestalten und für sozialdemokratische Überzeugungen einzutreten. Auch eine Mitgliederoffensive und Mitgliederversammlungen sowie ein Einigungsparteitag im Herbst sind Teil meines Plans, um der Sozialdemokratie den Stolz und die Würde zurückzugeben.

Ärzte Woche: Sie sind überzeugt, bei Wahlen klar Nummer eins zu werden. Wie wollen Sie das schaffen, wo das rechte Lager enorm dazu gewinnt bzw. die KPÖ?

Babler: Mit einem klaren Programm und authentischer Politik. Die arbeitenden Menschen haben einen Rechtsanspruch auf ein Leben in Würde, sie sind keine Bittstellerinnen und Bittsteller. Kein Kind in Österreich soll in Armut leben. Keine Patientin soll monatelang auf einen Arzttermin warten müssen. Keine Frau soll für die gleiche Arbeit 30 Prozent weniger Lohn als ihr männliches Gegenüber bekommen. Das sind Themen, bei denen wir die Mehrheit der Bevölkerung hinter uns haben, und damit werden wir auch die Wahlen gewinnen.

Ärzte Woche: Das heimische Gesundheitssystem steckt in der Krise. Es wird und wurde massiv in das Gesundheitssystem investiert. Österreich hat eines der teuersten Gesundheitssysteme Europas und der Welt. Was rennt Ihrer Meinung nach schief?

Babler: Die Problemlagen im heimischen Gesundheitssystem kann man nur multifaktoriell erklären. Das beginnt bei der Zersplitterung der Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung und den dazugehörigen Streitigkeiten um die Finanzierung; und geht weiter beim Personalmangel in der Pflege sowie dem Ärztemangel im öffentlichen System. Schließlich muss man auch sagen, dass die Lenkung der Patientenströme suboptimal funktioniert und viele Patientinnen und Patienten in den Spitalsambulanzen aufschlagen, die im niedergelassenen Bereich besser aufgehoben wären – natürlich auch deshalb, weil die Versorgung im niedergelassenen Bereich zu Tagesrandzeiten und an Wochenenden nicht oder nicht ausreichend gegeben ist.

Ärzte Woche: Österreich schlittert in eine Zwei-Klassen-Medizin. Sie bezeichnen sich selbst als Marxisten. Was sind Ihre Lösungsvorschläge?

Babler: In den vergangenen Jahren ging der Trend in Richtung Wahlarzt- und Privatmedizin. Das sehe ich sehr kritisch. Ich stehe für ein starkes öffentliches Gesundheitssystem, in dem die Patientinnen und Patienten unabhängig vom Geldbörsel zeitnah die beste medizinische Versorgung erhalten, und in dem die Beschäftigten Arbeitsbedingungen vorfinden, unter denen sie gerne und bis zur Pensionierung im öffentlichen System arbeiten und nicht scharenweise in den Privatsektor oder ins Ausland fliehen.

Ärzte Woche: Minister Johannes Rauch plant 2023 eine Gesundheitsreform. Angenommen Sie wären Gesundheitsminister, wie würden Ihre Reformpläne ausschauen?

Babler: Immer mehr Menschen erleben, dass sie monatelang auf einen Termin bei Ärztinnen und Ärzten warten. Wer es sich leisten kann, weicht auf Privatmediziner aus. Um das öffentliche Gesundheitssystem zu stärken, setze ich auf einen massiven Ausbau von Primärversorgungseinheiten und -netzwerken, die die Versorgung zu Tagesrandzeiten und an Wochenenden sicherstellen. Um dem Pflegemangel zu begegnen, braucht es neben der generellen Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich rasche Sofortmaßnahmen, wie einen Rückkehr-Bonus für alle, die den Beruf in den vergangenen Jahren verlassen haben. Es wird darüber hinaus diverse Maßnahmen geben müssen, um das öffentliche Gesundheitssystem wieder auf ein solides Fundament zu stellen, darunter auch ein Ausbau der Studienplätze für Hebammen oder etwa eine Ausweitung des Eltern-Kind-Passes um logopädische und ergotherapeutische Erstabklärungen oder die Aufnahme zahnmedizinischer Leistungen.

Ärzte Woche: Hans Peter Doskozil hält die Österreichische Gesundheitskasse für überflüssig. Sind Sie der gleichen Meinung?

Babler: Nein, im Gegenteil. Ich setzte mich für die Wiederherstellung der demokratischen Arbeitnehmer-Selbstverwaltung in der ÖGK ein, die von Sebastian Kurz ( Ex-ÖVP-Kanzler, Anm. ) zerschlagen wurde.

Ärzte Woche: Sind Sie für eine Arbeitsverpflichtung für Medizinabsolventen?

Babler: Es gibt diesen Ansatz, vor dem Hintergrund, dass den Medizinabsolventinnen und -absolventen hierzulande das Studium finanziert wird und das als eine Art Gegenleistung gefordert wird. Mein Ziel ist es, dass alle in Österreich ein Recht auf einen Termin für fachärztliche Betreuung innerhalb von 14 Tagen haben. Dazu braucht es natürlich Maßnahmen, um insbesondere in Mangelfächern, wie Gynäkologie und Geburtshilfe oder Kinder- und Jugendheilkunde, mehr Medizinerinnen und Mediziner dazu zu bringen, im öffentlichen System zu arbeiten. Ich setze dabei aber lieber auf positive Anreize als auf Zwang, beispielsweise mit besonderen Stipendien und einem erleichterten Zugang für Medizinstudierende, die sich verpflichten, dem öffentlichen Gesundheitssystem eine gewisse Zeit zur Verfügung zu stehen.

Ärzte Woche: Sind Sie für eine Einschränkung der Wahlärzte?

Babler: Ich bin vor allem für ein starkes öffentliches Gesundheitssystem, in dem sowohl Patientinnen und Patienten zeitnah und auf dem aktuellsten Stand der Medizin versorgt werden als auch die Beschäftigten Arbeitsbedingungen vorfinden, unter denen sie sich vorstellen können, den Beruf ein Leben lang auszuüben. Ich bin überzeugt, dass sich unter diesen Voraussetzungen der Trend zur Wahlarzt- und Privatmedizin rasch umkehren würde.

Ärzte Woche: Sind Sie zusatzversichert?

Babler: Nein.

Ärzte Woche: Was sind Ihre Lösungsvorschläge gegen den eklatanten Medikamentenmangel?

Babler: Die Gründe für den Medikamentenmangel sind vielfältig, unter anderem sind dafür aber Produktionsausfälle und Exportverbote sowie Schwierigkeiten bei den Lieferketten verantwortlich. Ein Ansatz wäre es also, die Produktion zumindest teilweise wieder nach Europa zu verlagern und damit zu beginnen, in Österreich Lager mit den wichtigsten Wirkstoffen und Arzneimitteln aufzubauen.

Ärzte Woche: Sie stehen dafür, dass man nur ein bestimmtes Vermögen haben soll. Warum? Ist das nicht sehr krass?

Babler: Wohlstand ist extrem ungerecht verteilt – das reichste Prozent besitzt die Hälfte des Gesamtvermögens in der Gesellschaft. Ich stehe dafür, mit einer Vermögenssteuer den unmoralischen Vermögenszuwachs zu begrenzen. Die arbeitenden Menschen in diesem Land sind keine Bittstellerinnen und Bittsteller. Sie haben das Recht, sich einen Teil der Produktivitätssteigerungen der letzten Jahrzehnte zurückzuholen. Zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher befürworten Erbschafts- und Vermögenssteuern. Es ist Zeit, diesen Willen auch umzusetzen. Ich stehe für eine Steuerpolitik, die auch wirklich steuert – die Wohlstand gerechter verteilt und die das Fundament für einen Sozialstaat ist, von dem alle profitieren.

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Metadaten
Titel
Der „leiwande“ Revoluzzer
Schlagwort
Primärversorgung
Publikationsdatum
04.06.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 23/2023

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