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Ärzte Woche

09.12.2024 | Praxis und Beruf

Wie buchstabiert man Diphtherie?

verfasst von: Susanne Krejsa MacManus

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Die Expertise von Ärzt:innen und die textliche Aufbereitung durch Journalisten kann konstruktiv sein und wissenschaftliche Themen einer breiteren Öffentlichkeit verständlich machen – wenn man einige Regeln in der Zusammenarbeit beherzigt.

Es stimmt durchaus, Journalistenanfragen können ungelegen kommen. Beispielsweise ist man in die spezielle Fragestellung nicht eingearbeitet oder geht gerade in Patiententerminen unter. Das Thema ist heikel und man müsste sich erst mit Kollegen abstimmen. Man hat gerade dringende private Verpflichtungen oder man fühlt sich einfach unsicher. Oder man mag Journalisten nicht. Das Resultat: Man stellt sich tot und antwortet nicht auf die Anfrage. Nicht jetzt, vielleicht später…

Jede Anfrage beantworten

Das ist definitiv die falsche Reaktion. Stattdessen sollte man umgehend antworten. Erstens um sich zu bedanken, dass man gefragt wurde – ein andermal kann ein Journalistenkontakt ja doch hilfreich sein –, und zweitens darlegen, dass man gerade keine Zeit hat oder sich im Thema nicht zuhause fühlt. Journalisten haben es immer eilig, das gehört zu ihrem Geschäft – egal ob Tagesmedien oder Fachmedien. Daher müssen sie sich notfalls schnell auf die Suche nach einem anderen Interviewpartner machen.

Interviewpartner gut auswählen

Wenn ich mir Interviewpartner suche, spreche ich jemanden an, mit dem ich schon gute Erfahrungen habe. Oder ich frage jemanden, deren/dessen Name meinen Artikel schmücken könnte. Aus weiblicher Solidarität halte ich auch vermehrt nach Frauen als Interviewpartnerinnen Ausschau, gerne eine, die noch keinen bekannten Namen hat und der unser Kontakt vielleicht nützen wird.

Aber ich will auch meinerseits gut behandelt werden. Meine allererste Negativerfahrung hatte ich als junge Journalistin bei einem Beitrag über Impfungen: Ich vertippte mich beim Wort Diphtherie. Dr. H., dem ich den Text mit der Bitte um Freigabe geschickt hatte, druckte ihn aus, strich mit roter(!) Tinte den Fehler an – diesen einzigen Fehler im gesamten Text –, und schrieb als Kommentar, dass ich wohl insgesamt keine Ahnung hätte. Muss ich erwähnen, dass ich ihn nie wieder anfragte?

Aus derselben Zeit erinnere ich mich aber auch an eine positive Überraschung: Ich traf einen hochrangigen Funktionär der Ärztekammer zum Interview. Kurz davor hatte ich einen Journalisten-Workshop absolviert, in dem uns eingetrichtert worden war: „Wer fragt, der führt!“ Also bemühte ich mich, Prim. N. mit meinen Fragen zu meinem Wunschthema zu leiten. Schnell unterbrach er mich und sagte: „Es ist für uns beide einfacher und zeitsparender, wenn Sie mir einfach sagen, was Sie von mir hören wollen. Dann kann ich dazu „Ja“ oder „Nein“ sagen.“ Unsere spätere Zusammenarbeit gestaltete sich sehr konstruktiv: Ich schickte ihm fertige Vorschläge mit möglichen wörtlichen Aussagen und bekam in Windeseile seine Freigabe oder Ergänzungswünsche. Er war eben ein Profi.

Manchmal läuft es nicht gut

Aber natürlich passieren mir auch Fehler: Beispielsweise dem Interviewpartner den kompletten Text zu schicken und nicht bloß den Teil, in dem sie oder er vorkommt. Es kann kompliziert werden, falls sich der Angefragte bei seinen Korrekturen nicht auf seine eigenen Aussagen beschränkt, sondern auch in denen anderer Interviewpartner herumfummelt – das wird häufig als Besserwisserei verstanden und ist ärgerlich!

Auch Missverständnisse sind möglich: Unlängst traf ich Dr. W. zu einem sehr netten Gespräch. Wir verabschiedeten uns freundschaftlich. Damit er eine Vorstellung hatte, wie ich seine Antworten einbauen würde, schickte ich ihm den gesamten Text. Das hätte ich besser nicht tun sollen! Vielleicht war der Experte beim Lesen in Eile gewesen oder hatte meine E-Mail missverstanden, jedenfalls bezog er einen Teil auf sich, der nichts mit ihm zu tun hatte, und schrieb mir eine detaillierte und leicht erboste Entgegnung. Da musste ich erst nach Luft schnappen und mein aufgeregtes Herzklopfen beruhigen. Zum Glück konnten wir das Missverständnis aus der Welt schaffen.

Selten stoße ich auf unangenehme Ablehnungen. Unlängst begann ich einen Text über die Entwicklung von Medikamenten aus tierischen Giften. Ich fragte einen Experten an, einen der Besten in seinem Fach. Keine Antwort. Ich sprach ihm auf den Anrufbeantworter. Keine Antwort. Ich fand seine private Telefonnummer heraus. Ich entschuldigte mich für die Störung. Ja, sagte er, er hätte meine E-Mail bekommen. Was ich denn eigentlich von ihm wolle. Ich erklärte ihm (nochmals), dass ich auf der Suche nach Interviewpartnern bin. Nein, meinte er, er würde mir keine Namen nennen, denn das verstoße gegen Betriebsgeheimnisse. Ob er nicht wenigstens meine Anfrage an potenzielle Interviewpartner weiterleiten würde, die dann selber entscheiden könnten, ob sie mit mir sprechen wollen? Wir drehten uns im Kreis. Er wurde immer ruppiger. Ich sah ein, dass er Journalisten nicht mag und gab auf.

Die erstaunlichste Erfahrung machte ich bei der Suche nach kurz zuvor emeritierten Professoren. Ich hoffte auf „offene Rechnungen“, über die sie mir berichten würden. Doch wie kann ich jemanden zu einem heiklen Thema ansprechen, der mich noch nicht kennt, also nicht weiß, ob sie/er mir vertrauen kann? Und vor allem: Wohin schicke ich meine Anfrage? Soll/darf die Sekretärin davon wissen? Ich versuchte es über WhatsApp und erklärte mein Vorhaben. „Um Ihnen die Entscheidung zu erleichtern, sich auf so ein Gespräch mit mir einzulassen, kommt hier der Rahmen: Dauer ca. 1 Stunde. Ort nach Ihrer Wahl, wo keiner zuhört und wo Sie sich wohlfühlen. Sie bekommen den Text zur Freigabe und können ihn notfalls auch zurückziehen. Der Text erscheint mit Ihrem Namen.“

Keine Antwort. Nach 14 Tagen wiederholte ich meine Anfrage. Diesmal schien es zu klappen: „Sehr gerne! Darf ich Ihnen einen Termin vorschlagen.“

Das war’s. Mehr kam nicht. Weitere Anfragen blieben unbeantwortet, meine Bitten um Rückruf verhallten. Doch es gab ein Nachspiel: Als ich einem der „Doyens“ erzählte, wie schwierig diese Recherche war, schaute er mich vorwurfsvoll an und sagte: „Warum haben Sie mich nicht zu Hilfe geholt? Ich hätte Ihnen einige ergiebige Kontakte vermittelt.“ Er hatte recht, daran hatte ich gar nicht gedacht.

Bitte ein paar Regeln beherzigen

Es erstaunt mich, wenn meine freundliche Anfrage ins Leere geht, einfach unbeantwortet bleibt. Wer keine Auskunft geben will oder kann, soll das schnell sagen. Wer aber nur unsicher ist, sollte ein paar simple Fragen stellen:

  • Wann soll das Interview stattfinden?
  • Wann und wo soll es erscheinen?
  • Bekomme ich den Text vor der Veröffentlichung noch zur Freigabe (geht nicht bei Tagesjournalismus aber sehr wohl bei Fachjournalen)?
  • Wie viel Zeit bekomme ich zum Gegenlesen (und bitte ernstnehmen!)?
  • Werden die Überschriften dabei sein (klingt banal, aber durch nachträglich eingefügte Zwischentitel können sich Aussagen verändern)?

Und dann geht es noch um Fotos. Hier muss ich mit einer falschen Vorstellung aufräumen: OnlineFotos sind nicht drucktauglich! Die meisten von uns haben das aus den Augen verloren und liefern Fotos, die zwar nett sind, aber deren Auflösung für den Druck nicht ausreicht. Daher spart es allen Beteiligten Nerven und gute Laune, wenn man von vornherein fragt, ob es sich um eine gedruckte Publikation oder um eine Online-Publikation handelt.

Ein häufiger Irrtum ist die Bewertung von Journalisten nach der Bedeutung ihres Mediums. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass beispielsweise der Chefredakteur des Spiegel oder der Boss eines populären TV-Senders persönlich bei Ihnen anfragt. Und falls doch, dann ist wohl Feuer am Dach. Viel häufiger kommen Anfragen von Freelancern, Volontären, Bloggern, die nicht mit dem Namen eines großen Mediums auftrumpfen können oder wollen.

Auch Journalisten fangen klein an und arbeiten sich aufwärts, behalten in Erinnerung, welcher Gesprächspartner kooperativ war und wen man in Zukunft besser auslässt.

Metadaten
Titel
Wie buchstabiert man Diphtherie?
Schlagwort
Praxis und Beruf
Publikationsdatum
09.12.2024
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 51-52/2024