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Ärzte Woche

18.08.2020 | Praxis und Beruf

Hände weg – Kopfarbeit

verfasst von: Natalie Hinkkanen und Markus Hütter im Gespräch mit Philip Klepeisz

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Die Hände des Chirurgen sind seine wichtigsten Werkzeuge, sollen daher alleine dem Eingriff vorbehalten bleiben. RoboticScope® hilft dabei, indem es das Operationsfeld durchgehend optimal beleuchtet und vergrößert. Dabei reagiert das System bereits auf ein Kopfnicken, wodurch der Operateur fokussiert bleibt.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, RoboticScope® zu entwickeln?

Hinkkanen: Die BHS Technologies GmbH wurde 2017 von den Medizintechnikern und Ingenieuren Markus Hütter, Michael Santek und dem Softwarespezialisten Gregor Burger gegründet. Von Anfang an war es die Vision der Gründer, medizinische Geräte mit der besten verfügbaren Technologie für die Chirurgen aller medizinischen Disziplinen zu entwickeln. Diese Leitidee und der größte Innovator hinter RoboticScope® – dem ersten medizinischen Gerät von BHS Technologies – war, dass sich medizinische Geräte an die Chirurgen anpassen müssen, nicht umgekehrt.

Was war das wichtigste Ziel?

Hinkkanen: Am Anfang der Konzeption stand die Frage, wie ein funktionelles und effizientes medizinisches Gerät geschaffen werden kann, das nicht nur die Ergonomie des Chirurgen schützt, und idealerweise auch die Patienten schützt, indem es die Arbeitsbelastung des Chirurgen reduziert und die Effizienz während der chirurgischen Eingriffe erhöht.

Die Antwort dieser Frage wurde in empirischen Forschungsergebnissen gefunden: Neben dem Wissen und der Erfahrung gehören die Hände des Chirurgen zu den wichtigsten Werkzeugen bei der Durchführung medizinischer Operationen – und diese Werkzeuge sollten während des medizinischen Eingriffs frei bleiben.

Die Verwendung eines konventionellen Mikroskops und damit die Notwendigkeit, die Hände ständig aus dem eigentlichen Operationsfeld zu entfernen, hat gezeigt, dass die manchmal erzwungene, unergonomische Haltung des Chirurgen nach der Anpassung des Auges sowie die damit einhergehende oft eingeschränkte Sicht auf den Situs sowohl Konzentrationsmangel des Chirurgen als auch haltungsbedingte Schmerzen verursachen können.

Je nach Art des medizinischen Eingriffs kann ein manuelles Mikroskop dutzende Male verstellt werden, um den gewünschten Blickwinkel, die gewünschte Zoomstufe und Schärfe zu erreichen. Die Idee lag daher nahe, die natürlichen Kopfbewegungen des Operateurs zur Steuerung der Bewegung des RoboticScope® zu nutzen, ohne dass der Chirurg die Hände vom Operationsfeld nehmen muss.

Visualisiert

Dieses kurze Video zeigt die Funktionsweise von RoboticScope®: https://cutt.ly/Yd10ImO

Was waren die Herausforderungen bei der Entwicklung?

Hütter: Da wir die Idee zu diesem Produkt von Anfang an sehr klar im Kopf hatten, waren die größten Herausforderungen bei der Entwicklung nicht unbedingt die Entwicklung selbst, sondern die dafür erforderlichen Fachkräfte, Mittel und Infrastruktur zu finden und daraus eine einheitliche systematische Organisation zu bilden, die miteinander zielorientiert schöpferisch agieren kann.

Seit wann und wo ist ihr System im Einsatz?

Hinkkanen: Am 27. März 2020 wurde das RoboticScope®, als Medizinprodukt Klasse I, mit dem CE-Zertifikat versehen und ist somit für den operativen Einsatz in der Europäischen Union uneingeschränkt zugelassen. Wir haben die ersten Produkte nach Österreich, Schweiz, Griechenland, Türkei und Italien verkauft.

Ist es mit anderen Systemen kombinierbar? Ich denke da an den DaVinci-Operationssystem.

Hütter: Es gibt robotische Systeme, ähnlich dem DaVinci®-Operationssystem, bei denen eine Kombination mit unserem System durchaus als machbar erachtet werden könnte. In diesem Kontext würde die Visualisierung anhand des RoboticScope® bewerkstelligt werden.

Andere Beispiele von Systemen, die möglicherweise kompatibel sein könnten, sind die Geräte von Microsure oder Medical Micro Instruments.

Für welche Anwendungen ist RoboticScope besonders gut geeignet?

Hütter: Überall dort, wo man sehr kleine Strukturen sehen muss – beispielsweise in chirurgischen Fachgebieten wie Neurochirurgie, HNO, Plastischer Chirurgie, Wirbelsäule oder im Veterinär-Bereich.

Ist eine Weiterentwicklung angedacht?

Hütter: Wir entwickeln dieses Produkt andauernd weiter. Für die Zukunft ist unser Plan und das Ziel, auch weitere Produkte für die Chirurgen in aller Welt zu entwickeln.

Durch das digitale System werden wir Impulse in Richtung Gebrauchstauglichkeit setzten, bei denen wir mit Informationen von Nutzern das System spezifisch verfeinern. Damit kann das Einsatzbereite interdisziplinär erweitert werden. Visualisierungen im Bereich der Tumorchirurgie sind für uns interessant, um den Chirurgen ein System zu entwickeln, wo minimal invasiv gearbeitet werden kann.

Aus der Praxis

PD Dr. Dr. Jan Dirk Raguse, Chefarzt der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Fachklinik Hornheide, hat das RoboticScope® erstmals für den Bereich der mikrochirurgischen Rekonstruktion im Kopf-Hals-Bereich eingesetzt. Er sieht vor allem in der leichten Handhabung die Vorteile dieses Systems:

„Es könnten sich neben den getesteten neue Indikationen ergeben, die ergonomisch bisher nicht zugänglich waren.“ Insbesondere für die Disziplinen der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde sowie der Neurochirurgie sieht Raguse Möglichkeiten.

BHS Technologies

BHS Technologies GmbH wurde 2017 in Innsbruck von Markus Hütter (CEO), Gregor Burger (CSO) und Michael Santek (CTO) gegründet. Seit Mai 2020 ist das Unternehmen mit dem weltweit einzigartigen RoboticScope® auf dem Markt. Für die Entwicklung des RoboticScopes® wurde BHS Technologies unter anderem mit dem Tiroler Innovationspreis 2019 der Wirtschaftskammer Österreich sowie dem FutureZone Award, als bestes Start-up 2019, ausgezeichnet. BHS Technologies beschäftigt 40 MitarbeiterInnen.

Weitere Informationen: www.bhs-technologies.com


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Metadaten
Titel
Hände weg – Kopfarbeit
Publikationsdatum
18.08.2020
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 29-34/2020

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