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1. Assistenzroboter zur physischen Alltagsunterstützung: z. B. Roboter für Hebe- und Kraftaufgaben, Serviceroboter, Orientierungsroboter, Roboter für Bring- und Holdienste.
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2. Soziale Roboter: sozialemotionale Unterstützung, Angebot von Gesellschaft und Begleitung im Alltag (z. B. „Kuschelroboter“, Unterhaltungs-, Motivations- und Kommunikationsroboter)
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3. Mobilitätsunterstützende Roboter: Unterstützung bei Bewegungseinschränkungen, insbesondere beim Aufstehen, Gehen und Greifen (z. B. Exoskelette).
01.05.2023 | Pflege | PFLEGE & WISSENSCHAFT
Pflegeroboter unterstützen Pflegekräfte, aber sie ersetzen sie nicht
Erschienen in: PRO CARE | Ausgabe 4/2023
Kurzfassung
Der Einsatz intelligenter Robotertechnologie im Gesundheitswesen, konkret in der Pflege und Betreuung alter Menschen, schlägt medial regelmäßig hohe Wellen. Der Begriff „Pflegeroboter“ weckt im gesellschaftlichen Diskurs sowohl Erwartungen wie Ängste. Robotersysteme sind bereits jetzt in verschiedenen patientennahen und -fernen Bereichen im Gesundheitswesen im Einsatz und können nach Einsatzgebiet und Funktion kategorisiert werden. Speziell zu Einsatz und Nutzen sozial assistiver Roboter (SAR) gibt es sowohl immer mehr wissenschaftliche Evidenz, also auch positive Praxisbeispiele. Viele gesellschaftliche, finanzielle, ethische und rechtliche Fragen gilt es noch zu klären. Im Lichte der demographischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, sowie dem beeindruckenden technischen Fortschritt der letzten Jahre ist jedoch die Frage nicht ob, sondern wie, wo und letztlich wann intelligente und autonome Roboter in der Altenpflege Einsatz finden werden.
Technische und digitale Innovationen nehmen im wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs über die Zukunft der Pflege eine immer bedeutendere Stellung ein. Technische Assistenzsysteme wie autonom agierende Roboter sollen zukünftig älteren Menschen ermöglichen, möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu Hause zu führen. Im Kontext der stationären Pflege sollen diese Systeme primär Betreuungspersonal unterstützen und entlasten, aber auch die Lebensqualität der betreuten Personen fördern [6]. Damit verbunden ist auch die Hoffnung, die jetzt schon existierende Lücke zwischen Fachkräfteangebot und -bedarf in der Altenpflege durch derartige technische Entwicklungen zu reduzieren [5].
Dort, wo wenige, aber repetitive und vergleichsweise einfache Schritte zur Durchführung von definierten Aufgaben notwendig sind, leisten Roboter bereits wertvollen Einsatz. In der industriellen Produktion und Logistik sind solche Systeme schon lange nicht mehr wegzudenken. Auch in vielen größeren Gesundheitseinrichtungen gibt es etablierte robotische Systeme, die die hochkomplexen logistischen Prozesse unterstützen oder autonom durchführen, wie etwa den Transport von Lebensmitteln, Verbrauchsmaterial, Wäsche und Abfällen [2]. Deren Einsatz setzt Investitionen in Digitalisierung und technische Ausstattung der Einrichtungen für beispielsweise flächendeckende drahtlose Netzwerke, Kontaktschleifen, RFID Technologie, Laserscanner, sowie Abstands- und Bewegungssensoren voraus [2].
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In Anlehnung an den Arbeitsbericht des Büros für Technikfolgenabschätzung können ausgehend von der Systematik zur Begutachtung der Pflegebedürftigkeit, drei Kategorien von Pflegerobotern unterschieden werden [5]:
In Abgrenzung zu diesen pflegeunterstützenden Systemen finden sich im Gesundheitssystem eingesetzte Roboter noch in den Bereichen Service- und Transportrobotik (z. B. autonome Wäschelogistik), Therapie/Rehabilitationsrobotik und Haushaltsrobotik (z. B. Reinigungs- und Mähroboter).
Der Einsatz von intelligenten Robotern hat eine Vielzahl von ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Implikationen, die es zu diskutieren und klären gilt [1]. Im Lichte der Komplexität des Aufgabenfeldes wird es aber insbesondere eine Frage der technischen Machbarkeit sein, ob Roboter eine wesentliche Unterstützung für Pflegekräfte sein werden.
Gewisse mechanische und physikalische Limitationen von Robotern (z. B. Verhältnis Größe und Gewicht vs. Hebekraft) werden auch in Zukunft dessen Einsatz für körperlich anspruchsvolle Tätigkeiten im Heimsetting einschränken [3]. Auch besteht der Tätigkeits- und Verantwortungsbereich der Pflege (vgl. pflegerische Kernkompetenzen lt. Gesundheits- und Krankenpflegegesetz) aus einer Vielzahl komplexer, sowie kognitiv, emotional und körperlich anspruchsvoller Tätigkeiten. Ob ein Roboter zukünftig das notwendige Maß an Flexibilität, Empathie, Kreativität und letztlich die Managementkompetenzen besitzen wird, die der Pflegeberuf voraussetzt, ist ungewiss. Der Einsatz von Robotern in der Pflege und Betreuung wird also in näherer Zukunft weniger in den eigentlichen Pflegetätigkeiten liegen und schon gar nicht in jenen, in welchen aktuell der größte Personalmangel besteht, dem gehobenen Gesundheits- und Krankenpflegedienst. Insofern ist der Begriff Pflegeroboter irreführend und sollte vermieden werden.
Nichtsdestoweniger deutet vieles darauf hin, dass Roboter im Pflegesektor zukünftig verstärkt Einsatz finden. In Studien konnten autonome Robotersysteme positiven Nutzen stiften, insbesondere in den Bereichen soziale Interaktion und Kommunikation, Alltagsgestaltung, Bring- und Holdienste, Gefahrenvermeidung [u. a. 3, 4, 6, 7, 8, 10]. Neben der Verbesserung der Usability, der technischen Verlässlichkeit und der Reduktion der Anschaffungskosten wird sich voraussichtlich insbesondere die künstliche Intelligenz autonomer Roboter stark entwickeln. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen scheint also der zukünftig breite Einsatz von Robotern zur Unterstützung für Pflege- und Betreuungskräfte realistisch, auch wenn die großen Versorgungsprobleme damit nicht zu schließen sein werden.
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Das größte Potenzial für Robotik in der Altenpflege sieht Alfred Häussl BScN MSc, von der Medizinischen Universität Graz, in der Kommunikation und für Kognitionsoder Bewegungsübungen. Tatsächliche Tätigkeiten der Pflege werden, seiner Voraussicht nach, nicht so schnell von Robotern übernommen werden können.
Was sagt der Forschungs- und Wissensstand zum Einsatz von Robotern in der Altenpflege?
HÄUSSL: Der Einsatz von Robotern in der Altenpflege ist ein Thema, das aktuell kontrovers, sowohl in der Forschung, als auch in der Praxis diskutiert wird. Einerseits gibt es Studien, die hervorheben, welche Vorteile Roboter in der Altenpflege haben, wie z. B. eine Unterstützung für pflegende Angehörige und Pflegekräfte. Andererseits gibt es auch Bedenken, sowohl hinsichtlich der möglichen negativen Auswirkungen auf die soziale Interaktion, als auch auf die menschlichen Beziehungen zwischen Pflegebedürftigen und Pflegekräften.
Einige Studien zeigen, dass Roboter in der Lage sein können, bestimmte Aufgaben, wie das Überwachen von Vitalfunktionen, das Erinnern an Medikamenteneinnahme oder das Durchführen von Kognitionsoder Bewegungsübungen für Senioren zu unterstützen. Darüber hinaus kann der Einsatz von Robotern auch die Belastung von Pflegekräften verringern und ihnen mehr Zeit für andere wichtige Aufgaben geben, indem Roboter zum Beispiel Transportwege (Wäscheoder Materiallieferungen) übernehmen. Andere Studien haben des Weiteren gezeigt, dass die Einführung von Robotern in der Altenpflege zu einer Zunahme der menschlichen Interaktion führen kann. Es gibt jedoch Bedenken hinsichtlich der Kosten, die durch die Anschaffung und Instandhaltung von Robotern entstehen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einsatz von Robotern in der Altenpflege ein komplexes Thema ist, dessen Vor- und Nachteile genau abgewogen werden müssen. Es ist wichtig, dass der Einsatz von Robotern in der Altenpflege sorgfältig geplant und überwacht wird, um sicherzustellen, dass sie eine echte Unterstützung für die Pflegebedürftigen und ihre Pflegekräfte darstellen.
Lässt der technische Stand dieser Systeme einen sinnvollen und ökonomischen Einsatz mittelfristig überhaupt zu?
HÄUSSL: Der technische Stand von Robotern hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht. Meiner Meinung nach ist ein sinnvoller und ökonomischer Einsatz in Form von SAR mittelfristig schon möglich. Es gibt bereits viele innovative Lösungen, die für bestimmte Anwendungsbereiche (z. B. Kommunikation, Anleitungen, Informationen, Anweisungen, Erinnerungsfunktionen) in der Altenpflege geeignet sind. Diese Lösungen zeigen, dass es möglich ist, Roboter in der Altenpflege einzusetzen, um Pflegekräfte zu unterstützen.
Es gibt jedoch noch viele Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, bevor ein sinnvoller und ökonomischer Einsatz von Robotersystemen in der Altenpflege möglich ist. Ein wichtiger Faktor ist beispielsweise die Finanzierung: Derzeit sind viele Lösungen für einen breiten Einsatz in der Altenpflege noch zu teuer. Es müssen auch Lösungen gefunden werden, die die Bedürfnisse und Wünsche der Pflegebedürftigen und ihrer Familien berücksichtigen und den Einsatz von Robotern akzeptabel machen.
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Wieso sind insbesondere Pflegepersonen gegenüber dem Einsatz von Robotik im Pflegebereich skeptisch?
HÄUSSL: Gründe, warum Pflegepersonen Skepsis gegenüber dem Einsatz von Robotik im Pflegebereich haben, können vielfältig sein. Diese reichen von Bedenken hinsichtlich der Qualität der Anwendung bis hin zu technischen Problemen, Datenschutz und Sicherheit, den Kosten und dem Verlust der Arbeitsplätze. Viele Pflegepersonen kennen Robotik nur aus den Medien und haben sich noch nie konkret mit dem Thema auseinandergesetzt. Deswegen bestehen auch oft viele Vorurteile. Es ist wichtig, dass die Bedenken und Sorgen der Pflegepersonen ernst genommen werden und dass Lösungen gefunden werden, die die Pflegequalität verbessern, den Schutz der Daten sicherstellen und den Einsatz von Robotern in der Altenpflege für alle Beteiligten akzeptabel machen.
In Hinblick auf die bisherige Erfahrung und Forschung, wo sehen Sie die größten Potenziale und was benötigt es noch, um diese zu heben?
HÄUSSL: Bisher gibt es bereits einige erfolgreiche Anwendungen von Robotik in der Altenpflege, bei denen Potenzial zur Verbesserung der Lebensqualität, der Sicherheit und der Effizienz erkannt wurden. Derzeit das größte Potential für Robotik in der Altenpflege sehe ich in der Kommunikation (z. B. Anleitung, Erinnerungen, Information) und für Kognitions- oder Bewegungsübungen. Es gibt einige Studien, die den positiven Effekt von Kognitions- & Bewegungsübungen, welche von Robotern angeleitet und motiviert werden, aufzeigen. Ein weiteres großes Potenzial von Robotern im Pflegebereich liegt in der Unterstützung bei Transporttätigkeiten. So können Wäsche und Materiallieferungen innerhalb einer Einrichtung von Robotern übernommen werden und entlasten hierbei das Personal. Zusätzlich können durch Roboter auch Getränke und andere Gegenstände zu den Bewohnern gebracht werden. Somit wird das Personal entlastet und kann sich um andere Tätigkeiten kümmern. Es muss hier noch in aller Deutlichkeit gesagt werden, dass Roboter technisch noch nicht in der Lage sind, Pflegetätigkeiten, wie zum Beispiel das Waschen/Duschen von Bewohnern durchzuführen.
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Stefanie Ebner ist als interne Projektleiterin für das Forschungsprojekt “PUR” im Caritas-Altenpflegeheim St. Marienhaus in Konstanz direkte Anwenderin eines Pflegeroboters.
Der Assistenzroboter LIO war/ist im Rahmen eines Forschungsprojekts im Einsatz.
Im Projekt PUR (Pflegeunterstützender Assistenzroboter in der Pflege) ging es darum, herauszufinden, was ein Assistenzroboter leisten muss und kann, um in der Pflege als Unterstützung wahrgenommen zu werden und eine spürbare Entlastung für die Pflege zu sein. Innerhalb des Projekts hat sich die Uni Konstanz mit der Frage befasst, ob ältere Menschen in der Entwicklung von Sprachassistenten wie Google oder Siri benachteiligt werden.
Ort und Art des Einsatzes von LIO
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LIO fährt tagsüber im Autonomie-Modus. Das bedeutet, dass er zu bestimmten Zeiten zu bestimmten Orten navigiert. Dort steht er dann und wartet, bis sich jemand mit ihm beschäftigt. Hauptsächlich ist LIO für die Beschäftigung der Bewohner zuständig, im Sinne von Geschichten vorlesen, Sportübungen ausführen, Witze erzählen etc. Ein Nebenprojekt war die Desinfektion der Türklinken. Dabei fährt LIO abends an das Dienstzimmer. Die Pflege montiert ihm eine UV Lampe auf den Rücken. Nachts fährt LIO dann den Flur ab und desinfiziert die Türklinken mit der UV-Lampe.
Reaktion der Bewohner und deren Angehöriger sowie Mitarbeiter
Die Bewohner reagieren überwiegend positiv auf ihn. Die Damen unterhalten sich mit ihm, wenn er an ihnen vorbeifährt. Einzelne Bewohner zeigten aber auch Ängste und Intoleranz ihm gegenüber. Bei den Angehörigen gibt es gemischte Reaktionen, überwiegend aber positive. Die erste Reaktion der Mitarbeiter war positiv und vor allem zeigten sie anfangs großes Interesse und Neugierde.
Bedarf des Roboters an „Pflege“ und Betreuung, bzw. digitaler Kompetenz der Mitarbeiter
Bewohner können mit ihm alleine nicht interagieren. Dafür ist die Bedienung noch zu steif und nicht flexibel genug. Es muss daher immer eine Pflegekraft oder eine Betreuungskraft dabei sein. LIO ist sehr komplex und daher für Mitarbeiter, die sich mit digitalen Zusammenhängen nicht auskennen, eher schwieriger zu bedienen.
Potenziale solcher Assistenzroboter für die nähere Zukunft
Ich denke, dass ein solcher Roboter unterstützen kann, wenn die Usability stimmt und die Handhabung grundsätzlich intuitiv ist. Ein Assistenzroboter muss an den Endanwender angepasst sein. Nur dann dient er auch als spürbare Entlastung und Unterstützung.
Ein Konsortium rund um die Medizinische Universität Graz und Joanneum Research DIGITAL (Projektkoordinator) führte das FFG-geförderte Projekt AMIGO durch. In diesem Projekt wurde die Standardversion des Roboters „Pepper“ zum intelligenten Robotersystem „Coach Pepper“, das Personen mit Demenz bei einem Tablet-Training mit motivierenden Verhaltensweisen unterstützt. Ziel war es, die Effekte von Coach Pepper auf Personen mit Demenz zu untersuchen. Als Intervention erhielten 16 Probanden Coach Pepper (Roboter und Tablet-Training) und die Kontrollgruppe (n=16) nur das Tablet-Training [9]. Der Vergleich der Lebensqualität zwischen der Roboter- und der Tablet-Gruppe zeigte eine signifikant stärkere Zunahme der Lebensqualität in der Robotergruppe.
Ergebnisse der qualitativen Interviews zeigten, dass Personen mit Demenz hauptsächlich positiv auf Pepper reagierten, was sich wiederum positiv auf deren Angehörige auswirkte. Allgemein hatten sie keine Angst oder Abneigung vor Pepper. Sie empfanden Pepper als lieb, nett und lustig. Hinsichtlich Nützlichkeit, Kommunikation und soziale Kontakte wurde Pepper gut angenommen, integriert und oft als Familienmitglied betrachtet. Seine Anwesenheit war nicht störend, sondern wurde großteils als Bereicherung empfunden. Pepper wurde ein positiver sozialer Kontakt in Form eines Freundes, Kindes und/oder Ansprechpartners. Er fördert Kommunikation bei Personen mit Demenz, aber auch die Kommunikation mit und Kontakte zu anderen. Die Personen mit Demenz lebten auf und es entstanden Bindungen zu Pepper, die eine gewisse Traurigkeit nach Peppers Auszug mit sich brachten. In Hinblick auf sinnvolle Beschäftigungen stimulierte Pepper besonders durch Musik und Tanz. Die Personen mit Demenz sangen und tanzten gerne mit Pepper und sie mochten auch die individuellen Photobücher. Diese halfen ihnen, Vergangenes zu reflektieren und waren eine positive Beschäftigung. Das Gedächtnis wurde damit zusätzlich angeregt.
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Allgemein kann gesagt werden, dass Pepper signifikant die Lebensqualität der Probanden in der Robotergruppe erhöhte. Die stärkste Zunahme der Lebensqualität war im Bereich der Gefühle zu verzeichnen. Aufgrund der ergänzenden qualitativen Ergebnisse kann diese Steigerung insbesondere auf die Förderung der Kommunikation und sozialen Kontakte durch Pepper zurückgeführt werden [9].
Das FFG-Folgeprojekt heißt AMIGA. In diesem Kooperationsprojekt zwischen der Medizinischen Universität Graz, Joanneum Research DIGITAL (Projektkoordinator) und weiteren Partnern wird Pepper ein kognitives Training mit Personen mit Depression durchführen.