Die zentrale Rolle wird deutlich bewusst

Gesundheits- und Krankenpflegepersonen stehen in der Patientenbetreuung an vorderster Front, dies trifft in der aktuellen Krisensituation durch die Verbreitung von COVID-19 noch viel eindrucksvoller in den Vordergrund und der Bedarf nach ausreichender Personalausstattung der Gesundheitseinrichtungen ist noch deutlicher geworden. Qualifiziertes Pflegepersonalfehlt an allen Ecken und Enden und die Versorgung der Schwächsten unserer Gesellschaft ist nicht mehr nur gefährdet, sondern oft schon schlicht nicht mehr menschenwürdig möglich. Die vielfältigen Aspekte der Einsatzbereiche der Gesundheits- und Krankenpflege in diesem Zusammenhang und die notwendigen Veränderungen erklärt die Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands, Ursula Frohner. Deren vorgesehene Amtsübergabe an einen noch zu wählenden Nachfolger verzögert sich aufgrund der derzeitigen Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit ebenfalls. Welche Rolle spielt die Gesundheits- und Krankenpflege in der Betreuung von Patienten mit COVID-19 Infektionen – bei leichten Erkrankungen ebenso wie bei schweren? Frohner: Gesundheits- und Krankenpflegepersonen aller Qualifikationsstufen haben zentrale Aufgaben in allen Settings Pflegepraxis und des Gesundheitswesens. Als Teil des Behandlungsteams versorgen Pflegepersonen Patientinnen und Patienten in allen Bereichen des Akutkrankenhauses, im Rahmen der Primärversorgung, sowie im gesamten Bereich der stationären und mobilen Pflege – und das zeigt sich aktuell sehr deutlich. Mit welchen Herausforderungen sind Gesundheits- und Krankenpflegepersonen in der ambulanten und in der stationären Langzeitpflege konfrontiert? Frohner: Die Anwendung von Schutzmaßnahmen ist insbesondere in diesen Bereichen von Bedeutung, da ältere Menschen ein hohes Gesundheitsrisiko haben, wenn sie mit COVID-19 infiziert werden. Zudem ist die Einhaltung von hygienischen Richtlinien bei pflegerischen Interventionen durch das Pflegepersonal von essenzieller Bedeutung. Es gilt darüber hinaus Menschen, die an Demenz leiden oder psychisch Kranke im Rahmen ihrer Möglichkeiten, für die Einhaltung der Schutzmaßnahmen zu gewinnen, obwohl etwa Mund- und Nasenmasken vielleicht als Bedrohung wahrgenommen, oder nicht toleriert werden. Worauf ist jetzt besonders zu achten? Frohner: In dieser außergewöhnlichen Situation gilt es in erster Linie, Prioritäten zu setzen und eine Akzeptanz für die Vermeidung von sozialen Kontakten zu erreichen. Menschen zu pflegen erfordert aber oftmaligen und direkten Kontakt mit Menschen. In der Pflegepraxis ist daher die korrekte Umsetzung von Hygienemaßnahmen, wie etwa die Händehygiene, sowie das Tragen von Schutzmasken und Schutzkleidung, je nach Erfordernis, von essenzieller Bedeutung, damit Pflegepersonen einerseits diese Erkrankung nicht verbreiten und sich aber auch selbst vor einer Infektion schützen. Wie können Gesundheits- und Krankenpflegepersonen am besten mit den Angehörigen von COVID-19 Erkrankten umgehen? Frohner: Hier sollte die Aufklärung über die richtige Anwendung von hygienischen Maßnahmen im Vordergrund stehen. Zudem sind Strategien für die Bewältigung der notwendigen Einschränkungen von sozialen Kontakten anzubieten, um eine Akzeptanz für die Maßnahmen zu erreichen. Welche Botschaft sollen sie Patienten im Akutkrankenhaus und Bewohnern in der Langzeitpflege geben, die nicht an COVID-19 erkrankt sind, aber durch die Informationen sehr verunsichert sind? Frohner: Die strikte Einhaltung der Schutzmaßnahmen und der Einschränkung von sozialen Kontakten auf das Notwendigste sind der beste Schutz, um sich nicht mit COVID-19 zu infizieren – daran führt kein Weg vorbei. Jedoch verfügt das österreichische Gesundheitssystem über genügend Kapazitäten, um Erkrankte zu versorgen. Ebenso gilt es, über Kontakte zu informieren, die beim Auftreten von Symptomen in Anspruch genommen werden können. Sehr wichtig ist aber auch, auf die positiven Auswirkungen bei Einhaltung der Maßnahmen hinzuweisen. Welche gesetzlichen Regelungen würden die Situation für die Gesundheits- und Krankenpflege in der Versorgung der Patienten vor allem im ambulanten Bereich erleichtern? Frohner: In dieser Krise wird einmal mehr sehr deutlich, dass momentane medizinische und pflegerische Versorgungsangebote an ihre Grenzen stoßen können, wenn sich der Versorgungsbedarf weiter verdichtet. Konkret fehlt der flächendeckende Einsatz des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege im Rahmen der Primärversorgung. Ebenso ist es bis dato nicht gelungen, Angebote des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege im niedergelassenen Bereich zu etablieren, die ihr gesamtes Fachwissen niedrigschwellig und insbesondere chronisch Kranken zur Verfügung stellen können. Hätten wir jetzt schon, wie im Regierungsprogramm angekündigt, Community Nurses, könnten wir etwa die Risikogruppe der älteren Menschen bedarfsorientiert gut versorgen und so die Akutkrankenhäuser wesentlich entlasten. Ein weiterer Punkt ist die zwar gesetzlich schon mögliche Folgeverordnung durch den gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege für Inkontinenzprodukte und Verbandsmaterialien, die mangels Akzeptanz der Sozialversicherungsträger allerdings noch immer nicht umgesetzt ist. Hier ist ein enormes Potenzial, unnütze Bürokratie zu vermeiden. Welche Schwachstellen der Gesetzgebung werden jetzt besonders deutlich? Frohner: Es ist längst überfällig, auch in Österreich das Berufsbild der Advanced Nursing Practitioners – ANP in die Versorgungsprozesse zu implementieren und das insbesondere für die Versorgung chronisch Kranker. Hier braucht es Ausbildung, eine gesetzliche Verankerung der Kompetenzbereiche und entsprechende Versorgungsaufträge – und das in allen Bundesländern gleich geltend. Welchen Rat geben Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen in der aktuellen Situation und in Anbetracht der derzeitigen Situation auch für die Zukunft? Frohner: Die zentrale Rolle des größten Gesundheitsberufes Gesundheits- und Krankenpflege in allen Versorgungssystemen des Gesundheits- und des Pflegewesens wird gerade jetzt einmal mehr sehr deutlich. Es ist unsere Aufgabe, unsere Kompetenzen zum Wohl der uns Anvertrauten anzuwenden. Es ist aber auch von enormer Bedeutung, sich dieser unverzichtbaren Aufgaben bewusst zu sein, und daher die entsprechende Verankerung der Gesundheits- und Krankenpflege im therapeutischen Team, in allen fachlichen Gremien und sämtlichen politischen Ebenen durch alle Gesundheits- und Krankenpflegepersonen einzufordern. Ursula Frohner Jeff Mangione/ Kurier / Picturedesk / picture alliance × Das Interview ist in der Procare Heft 4, Mai 2020, erschienen.

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