Open Access 01.10.2024 | Menopause heute und morgen
Pessartherapie in der modernen Gynäkologie
Erschienen in: Gynäkologie in der Praxis | Ausgabe 3/2024
Pessare werden zur Behandlung verschiedener Beckenbodendysfunktionen wie u. a. des Beckenorganprolapses (BOP) oder der Belastungsinkontinenz und in Einzelfällen auch zur Unterstützung während der Schwangerschaft eingesetzt. Die Pessartherapie blickt auf eine lange Geschichte zurück und bleibt dabei auch heute eine wichtige konservative Behandlungsmethode in der Gynäkologie [1]. Denn in den letzten Jahrzehnten hat sich die Anwendung von Pessaren durch verbesserte Materialien und angepasste Formen erheblich weiterentwickelt, was zu einer höheren Zufriedenheit und besseren Ergebnissen bei den Patientinnen führte.
Ein Hauptanwendungsgebiet der Pessartherapie ist die Behandlung des Descensus uteri, einer Form des Beckenorganprolapses [2]. Diese Erkrankung tritt häufig bei älteren Frauen oder nach mehreren Geburten auf und kann erhebliche Beschwerden verursachen. Bei allen Formen des Prolapses kann ein Pessar das Herabsinken der Gebärmutter verhindern und Symptome wie Druckgefühl, Schmerzen und Schwierigkeiten beim Wasserlassen oder Stuhlgang lindern [3, 4]. Auch bei Belastungsinkontinenz, die durch eine Schwäche der Beckenbodenmuskulatur verursacht werden kann, bieten Pessare eine nichtchirurgische Lösung, die vielen Patientinnen eine verbesserte Lebensqualität ermöglicht [5, 6].
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In den 1970er-Jahren wurden Pessare hauptsächlich aus harten Materialien wie Gummi hergestellt, was oft unbequem war und die Anpassung erschwerte [1]. Heutzutage bestehen Pessare aus flexiblem, medizinischem Silikon, das sich besser an die Anatomie der Patientin anpasst und dadurch den Tragekomfort erheblich verbessert [4]. Es gibt verschiedene Formen von Pessaren, darunter Ring‑, Schalen- und Würfelpessare. Die Auswahl richtet sich nach Indikation und individuellen Bedürfnissen der Patientin [7]. Ringpessare werden am häufigsten eingesetzt und eignen sich gut für leichtere Prolapse, während Schalen- und Würfelpessare bei komplexeren Fällen oder bei gleichzeitiger Belastungsinkontinenz verwendet werden können [8].
Die korrekte Anpassung eines Pessars ist entscheidend für den Behandlungserfolg. In der Praxis wird das Pessar von einer gynäkologischen Fachkraft angepasst, wobei initial regelmäßig Kontrolltermine notwendig sind, um den Sitz zu überprüfen und eventuelle Anpassungen vorzunehmen [9]. Die richtige Größe und Form des Pessars müssen individuell bestimmt werden, um Komfort und Wirksamkeit zu gewährleisten [7]. Die Pflege der Pessare ist relativ einfach und beinhaltet eine regelmäßige Reinigung mit Wasser und milder Seife, um Infektionen und Reizungen zu vermeiden. Viele Patientinnen lernen, das Pessar selbst zu entfernen und wieder einzusetzen, was ihre Autonomie und Lebensqualität erhöht. Wir empfehlen unseren Patientinnen z. B., das Pessar untertags zu tragen und nachts zu entfernen, um die Bildung von Ulzera zu vermeiden.
Die Ergebnisse der Pessartherapie sind überwiegend positiv. Studien zeigen, dass viele Frauen durch die Verwendung eines Pessars eine signifikante Verbesserung ihrer Symptome und dadurch auch ihrer Lebensqualität erfahren [2]. Insbesondere das Druckgefühl im Beckenbereich und die Inkontinenzsymptome verbesserten sich deutlich. Komplikationen, wie Vaginalulzerationen oder Infektionen, treten selten auf und können durch regelmäßige Kontrollen und die Einhaltung von Hygienevorschriften weitgehend vermieden werden.
Langzeiterfahrungen haben jedoch gezeigt, dass Pessare zwar eine sichere und effektive Behandlungsmethode darstellen, jedoch nimmt die Zufriedenheit nach den ersten Jahren stetig ab [3, 10]. Wir führten an unserer Abteilung eine retrospektive Analyse durch, um die Nutzungsdauer und Abbruchgründe bei Vaginalpessaren zu untersuchen [11]. Im Zeitraum von 2007 bis 2022 entschieden sich von 779 Patientinnen 30 % der Patientinnen für eine Operation, meist innerhalb von 4 Monaten nach Beginn der Pessartherapie, während 47 % die Pessarverwendung fortsetzten. Abbruchgründe wie Ulzera, Schmerzen oder weitere Komplikationen waren vernachlässigbar gering. Störfaktoren wie Body-Mass-Index und Alter waren nicht signifikant für den Abbruch.
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Diese Erkenntnisse helfen, Patientinnen über den erwarteten Erfolg der Pessartherapie zu informieren, und unterstreichen die Bedeutung einer umfassenden Beratung und Betreuung der Patientinnen durch das medizinische Personal, um den Erfolg der Therapie zu maximieren und mögliche Komplikationen zu minimieren.
Die Pessartherapie hat sich im Laufe der Jahre als wertvolle Behandlungsoption bei urogynäkologischen Erkrankungen etabliert. Durch die Weiterentwicklung der Materialien und Anpassungstechniken haben sich Komfort und Wirksamkeit deutlich verbessert. Die nichtinvasive Natur der Pessartherapie macht sie zu einer attraktiven Alternative für Frauen, die keine Operation wünschen oder bei denen chirurgische Eingriffe nicht möglich sind. Mit fortlaufender Forschung und Entwicklung wird die Pessartherapie auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der gynäkologischen Praxis spielen. Ihre Vielseitigkeit und die Möglichkeit, sie an die individuellen Bedürfnisse der Patientinnen anzupassen, machen sie zu einem unverzichtbaren Instrument im Behandlungsspektrum der modernen Gynäkologie.
G. Carlin und M. Koch geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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