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Erschienen in:

Open Access 02.02.2022 | Infektiologie

Pathogenese, Klinik und Therapie des Erysipels

verfasst von: Dr. C. Borst, Dr. D. Symmank

Erschienen in: hautnah | Ausgabe 1/2022

Zusammenfassung

Das Erysipel ist eine häufig vorkommende, akut auftretende, bakterielle Infektion der Haut, welche oft mit Systemzeichen einhergeht. Ursächlich für diese häufige Dermatose sind zumeist β‑hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (Streptococcus pyogenes). Typischerweise dringen Bakterien durch einen Substanzdefekt in die Haut ein und siedeln sich in den superfiziellen Lymphgefäßen der Dermis an. Das Erysipel tritt üblicherweise an der unteren Extremität auf, kann aber jedes Körperareal betreffen. Klinisch zeichnet es sich durch eine Rötung mit flammenartigen Ausläufern, einer Schwellung und Überwärmung des betroffenen Areals aus. Die Rötung kann aufgrund der Oberflächlichkeit des Entzündungsprozesses in der Regel gut von gesundem Gewebe abgegrenzt werden. Im Bereich des respektiven Lymphabstromgebiets kann es zu einer reaktiven Lymphadenopathie kommen. Darüber hinaus können sich die Patienten mit Fieber, Schüttelfrost und Tachykardie präsentieren. Laborchemisch zeichnet sich die Erkrankung durch eine Erhöhung der Leukozytenzahl mit Neutrophilie, des C‑reaktiven Proteins und der Blutsenkungsgeschwindigkeit aus. Therapeutisch kommt Penicillin zum Einsatz, wobei Clindamycin eine bewährte Therapiealternative darstellt. Das Erysipel heilt meist komplikationslos ab, allerdings können sich chronisch-rezidivierende Verläufe etablieren.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Das Erysipel ist eine häufig vorkommende Hautinfektion, welche in der vorantibiotischen Zeit oftmals schwerwiegende Konsequenzen hatte. So starben zum Beispiel Papst Alexander VIII 1691 sowie Papst Gregory XVI 1846 an ernsten Komplikationen des Erysipels und auch Richard Wagner berichtete von wiederkehrenden Ausbrüchen der Krankheit.
Wie auch Herpes zoster wurde das Erysipel früher oft Antoniusfeuer genannt, nicht zuletzt aufgrund des brennenden Schmerzes der Krankheit [1, 2]. In der heutigen Zeit ist das Erysipel noch immer eine der häufigsten dermatologischen Diagnosen, doch ernsthafte Komplikationen sind vor allem seit der Verwendung von Penicillin selten geworden.
Das Erysipel ist noch immer eine der häufigsten dermatologischen Diagnosen
Das Erysipel, umgangssprachlich auch Wundrose oder Rotlauf genannt, hat in der Regel eine gute Prognose und schwere Ausgänge sind oft dem fehlenden Zugang zum Gesundheitssystem beziehungsweise einer ausbleibenden oder insuffizienten Behandlung zuzuschreiben.

Definition

Das Erysipel ist eine durch Bakterien ausgelöste Entzündung der oberflächlichen Dermis und Lymphgefäße, die sich klinisch als schmerzhafte Rötung mit scharfer Begrenzung und flammenartigen Ausläufern, Schwellung und Überwärmung präsentiert. Im deutschen Sprachgebrauch ist der Begriff „Erysipel“ terminologisch klar von der „begrenzten Phlegmone“ abgegrenzt. Letztere bezeichnet einen durch Bakterien induzierten, dunkelroten bis lividen Entzündungsprozess, der die tieferen Hautschichten und Subkutis involviert, weswegen die Grenze zum gesunden Gewebe weniger scharf verläuft als beim Erysipel.
Im angloamerikanischen Raum kommt es dagegen zu einem Verwaschen der Begrifflichkeiten. Der Begriff „Erysipel“ wird teils als „erysipelas“, teils aber auch mit dem Begriff „cellulitis“ übersetzt wird. Unter dem englischsprachigen Begriff „cellulitis“ wiederrum versteht man hingegen manchmal „Erysipel“, manchmal „begrenzte Phlegmone“, fallweise dient der Terminus aber auch als Überbegriff für bakterielle Haut- und Weichgewebeinfektionen im Allgemeinen [3, 4].

Epidemiologie

Wie in einer slowenischen Studie gezeigt wurde, zählt das Erysipel mit einer jährlichen 1‑Jahres-Inzidenz von 113 pro 100.000 Einwohnern zu einer sehr häufigen dermatologischen Erkrankung [5]. Sie betrifft meist ältere Personen (medianes Alter: 67 Jahre; [5, 6]). Das Erysipel tritt insgesamt häufiger bei Frauen (58,2 %) als bei Männern (41,8 %) auf.
Untersucht man die unterschiedlichen Altersgruppen, zeigt sich, dass mehr männliche als weibliche Personen in der Altersgruppe von 0–49 Jahren an einem Erysipel erkranken, wohingegen in den Altersgruppen 65–74 Jahre und ≥ 75 Jahren die Inzidenz bei Frauen höher ist [5]. Üblicherweise tritt das Erysipel an der unteren Extremität (n = 177/229), gefolgt von Gesicht (n = 29/229), oberer Extremität (n = 12/229) und anderer Lokalisation (n = 11/229) auf [6].

Pathogenese und Erreger

Erregerspektrum

Verursacht wird das Erysipel zumeist durch β‑hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (Streptococcus pyogenes; GAS) und in selteneren Fällen auch durch Gruppe-C- oder Gruppe-G-Streptokokken. Ein Nachweis des Erregers gelingt selten und weist in manchen Fällen meist Streptokokken, seltener Staphylococcus aureus in der Kultur nach.
Ein Nachweis des Erregers gelingt selten
Hierbei ist stark umstritten, ob in diesen Fällen Staphylococcus aureus tatsächlich als ursächlicher Erreger angesehen werden kann [7]. Ein Erysipel bei Neugeborenen ist oft auf Gruppe-B-Streptokokken (Streptococcus agalactiae) zurückzuführen, welche ebenfalls für viele perianale und -vaginale Erysipele insbesondere bei Schwangeren ursächlich sind [8].

Pathogenese

Die Haut bietet eine sehr gute Schutzschicht gegen das Eindringen von Erregern jeglicher Art. Auch Streptokokken wird unter anderem durch das Ablösen der oberen Schicht des Stratum corneum keine Möglichkeit gegeben, an einer epidermalen Zelle anzudocken und in tiefere Schichten einzudringen. Eine Läsion oder Abrasion der Haut, wie es zum Beispiel bei einer pilzbedingten Mazeration im Interdigitalraum der Füße, einem Ulcus oder auch einer traumatischen Wunde der Fall ist, bietet genug Bindungsstellen für GAS [9].
Das sogenannte M‑Protein spielt dabei sowohl für das Eindringen in die Haut als auch für die Virulenz des Bakteriums eine wichtige Rolle. Das M‑Protein bildet längliche Strukturen an der Außenseite des Erregers und wird auch für eine epidemiologische Klassifizierung der unterschiedlichen Stämme von S. pyogenes genutzt. Über 150 solcher verschiedenen „emm“-Typen sind dabei bekannt, welche in 5 emm-Muster (A–E) unterschieden werden können.
Dabei sind Muster A–C sehr gut geeignet, den Nasopharynx zu infiltrieren. Das emm-Muster D ist vor allem bei Hautinfektionen zu finden und das Muster E zeichnet sich durch eine effiziente Infiltration beider Gewebe ab. Nach der Bindung des M‑Proteins und dem Eindringen des Bakteriums in tiefere Schichten erfolgt die Ausbreitung zumeist über die Lymphbahnen (oft sichtbar durch rote Streifen auf der Haut).
Nur in seltenen Fällen lässt sich eine Invasion ins Blut feststellen
Nur in seltenen Fällen lässt sich eine Invasion ins Blut feststellen. Der Beginn der Kolonisation des Bakteriums führt auch zu einer Reaktion des Immunsystems. Die klinischen Charakteristika des Erysipels entstehen durch das vermehrte Einwandern von Immunzellen an den Ort der Infektion und deren Reaktion auf Exotoxine von S. pyogenes (Abb. 1).
Auch hier spielt das M‑Protein eine wichtige Rolle, da es von zum Beispiel neutrophilen Zellen erkannt wird und zu einer Ausschüttung ihrer Granula führt. Initial zeigt sich histopathologisch damit eine Infiltration neutrophiler Granulozyten, ein dermales Ödem sowie eine Dilatation der Blutgefäße. Ein Anschwellen der Lymphgefäße sowie, vor allem bei rezidivierenden Erysipelen, eine Zerstörung der Lymphbahnen führt klinisch zu einem sichtbaren Lymphödem [10, 11].

Pathogenese eines möglichen Rezidiverysipels

Bisher ist noch nicht bekannt, welche Ursachen zu einem Wiederauftreten des Erysipels führen, jedoch ist mit einer Rezidivrate von ca. 30 % in einer Zeit von 2–4 Jahren zu rechnen [12]. Generelle Risikofaktoren des Erysipels begünstigen oft auch ein Rezidiv (siehe Abschnitt „Risikofaktoren“). Vermutet wird eine Persistenz der bakteriellen Besiedelung im Gewebe. Hierbei ist noch nicht eindeutig geklärt, wie es zu dieser Persistenz kommt.
Eine Möglichkeit wäre, dass sich GAS intrazellulär vor der Penicillinbehandlung versteckt. Dies ist möglich, da Penicillin nur eine sehr schlechte intrazelluläre Penetranz zeigt. Streptokokken scheinen dabei verschiedene Methoden einzusetzen, um sowohl in Immunzellen, epidermalen Zellen (Keratinozyten) sowie auch Endothelzellen zu verbleiben.
Ein wichtiger Moderator dieser Mechanismen ist das M‑Protein, welches zum Beispiel mit Fibronektin sogenannte Adhäsionskomplexe bildet, die in weiterer Folge intrazellulär in sogenannten „Caveosomes“ verbleiben, ohne mit dem Lysosom zu verschmelzen. Auch die Interaktion mit Plasminogen erhöht die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Invasion in Keratinozyten [13]. Derzeit liegen noch nicht genügend Studien vor, um eine Besserung der Rezidivrate durch beispielsweise stärker intrazellulär wirksame Antibiotika zu belegen.

Diagnostik

Diagnostisch ist die Kombination der klassischen klinischen Präsentation (asymmetrische, scharf-begrenzte Rötung, Schwellung und Überwärmung, Fieber) und erhöhten Entzündungswerten (Leukozyten, C‑reaktives Protein [CRP], Blutsenkungsgeschwindigkeit [BSG]). Zur Diagnosesicherung sind Blutkulturen nachrangig, da der Erregernachweis in weniger als 10 % der Fälle gelingt [6, 14]. Aus entnommenen Hautproben gelingt der Erregernachweis in ca. 20–30 % der Fälle. Aufgrund der Invasivität hat die Entnahme der Gewebeprobe in der klinischen Routine allerdings einen zu vernachlässigenden Stellenwert [15].

Klinische Präsentation

Das Erysipel ist eine lokale, nicht-purulente, bakterielle Infektion mit akutem Auftreten. Sie zeichnet sich klinisch durch eine meist schmerzhafte, scharf-begrenzte Rötung mit flammenartigen Ausläufern, Schwellung und Überwärmung im betroffenen Areal aus. Auf der Suche nach einer möglichen Eintrittspforte zeigt sich beispielsweise eine pilzbedingte Mazeration in den Zehenzwischenräumen, ein mit Diabetes mellitus Typ 2 assoziiertes Malum perforans, eine traumatische Wunde nach einem Unfall oder ein Ulkus venöser oder arterieller Genese.
Das Erysipel tritt in der Regel asymmetrisch auf und involviert zumeist die untere Extremität
In der Regel tritt das Erysipel asymmetrisch auf und involviert zumeist die untere Extremität. Zusätzlich ist der Entzündungsprozess oft von einer regionalen Lymphknotenschwellung begleitet. Darüber hinaus kann es zu Fieber, Schüttelfrost und einer Tachykardie kommen. Fakultativ kann es zu Einblutungen (hämorrhagisches Erysipel), Blasenbildung (bullöses Erysipel) und Gewebsnekrose (nekrotisierendes Erysipel) kommen [6, 16].

Komplikationen

In seltenen Fällen kann es zu Komplikationen wie einer Sepsis, septischen Arthritis, Endokarditis, Glomerulonephritis, Osteomyelitis oder einem Toxic-shock-Syndrom kommen [16, 17]. Da das Erysipel die Lymphwege affiziert, kann es in weiterer Folge zu einem Lymphödem kommen, welches wiederum die Entstehung eines Rezidiverysipels begünstigt [16].

Labor

Führt man ergänzend zur klinischen Untersuchung eine Blutabnahme durch, so findet man – wie bei bakteriellen Infektionen generell – erhöhte Entzündungsmarker, die nicht krankheitsspezifisch sind. Im Blutbild zeigt sich eine Leukozytose mit Neutrophilie [18]. Weitere klassische Entzündungsmarker, die im Rahmen der Infektion erhöht sind, sind die Akute-Phase-Proteine C‑reaktives Protein (CRP) und Fibrinogen [19].
Zudem ist die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) in der Regel als unspezifisches Entzündungsreichen erhöht [16, 18]. Abseits der bekannten und bewährten Entzündungsmarker wurden in der medizinischen Literatur weitere Studien zu neueren Biomarkern, wie etwa dem „delta neutrophil index“ (DNI; Anteil unreifer Granulozyten), dem Thrombozytenvolumen sowie Serum-YKL-40 und Serum-Procalcitonin, publiziert [2022].

Risikofaktoren

Das Erysipel ist eine Erkrankung, bei welcher Pathogene durch Brüche in der Hautbarriere in das Gewebe eindringen. So führten Faktoren, die zu solchen Schäden in der Hautbarriere führen, zu einem gehäuften Auftreten eines Erysipels. Zu solchen lokalen Risikofaktoren gehören beispielsweise Ulcera, eine Pilzinfektionen der Haut und Gewebstraumata. Zu Komorbiditäten, die gehäuft mit der Erkrankung an einem Erysipel vergesellschaftet sind, zählen bereits stattgehabte Erysipele in der Anamnese sowie chronische Ödeme (zum Beispiel Lymphödem, durch chronisch-venöse Insuffizienz, durch tiefe Venenthrombose).
Hinsichtlich anderer Erkrankungen wie Diabetes mellitus, peripherer arterieller Verschlusskrankheit, Malignomen und chronisch-obstruktive Lungenerkrankung sind die Studienergebnisse kontroversiell hinsichtlich ihrer Eigenschaft als Risikofaktoren, die die Entstehung eines Erysipels möglicherweise begünstigen. Kontroversen bestehen ebenso hinsichtlich einer Adipositas als Risikofaktor [12, 2329].

Klinische Scores

Bei chronischen Erkrankungen, wie etwa der Psoriasis und der atopischen Dermatitis, haben klinische Scores, welche die Krankheitsaktivität erfassen, breiten Einzug gefunden. So ist etwa der gut etablierte Psoriasis Area Severity Index (PASI) ein gängiges Mittel, um die Aktivität der zugrundeliegenden Psoriasis in Studien und der klinischen Routine zu messen [30]. Für die atopische Dermatitis wird beispielsweise der Eczema Area and Severity Index (EASI) herangezogen [31].
Im Gegensatz hierzu gibt es für das Erysipel – nicht zuletzt aufgrund des akuten Auftretens und der guten Behandelbarkeit mittels Antibiotika – bislang keinen Score, der zur Objektivierung der Krankheitsaktivität und des Therapieansprechens in der klinischen Routine etabliert ist. Einzelne Scores, wie etwa zur Bestimmung des Risikos der Entwicklung einer hämorrhagischen Unterform des Erysipels oder zur Bestimmung der Notwendigkeit der intravenösen Antibiotikaapplikation (Melbourne ASSET Score) sowie die Anwendung des modifizierten Dundee-Scores, mit welchem Patienten in 4 „severity classes“ eingeteilt werden, wurden in der medizinischen Literatur publiziert [3235]. So werden in der klinischen Routine in der Regel die klinische Symptomatik beziehungsweise die Entzündungsparameter als Maß der Krankheitsaktivität herangezogen. Die Dynamik derselben ist richtungsweisend, um das Therapieansprechen zu beurteilen.

Differenzialdiagnosen

Begrenzte Phlegmone

Es gibt einen großen klinischen Überlappungsbereich zwischen dem Erysipel und der begrenzten Phlegmone. Im Gegensatz zum Erysipel wird die begrenzte Phlegmone in der Regel durch Staphylococcus aureus ausgelöst und zeichnet sich durch einen nicht gut abgrenzbaren, dunkelroten bis lividen Entzündungsprozess aus, der ebenso überwärmt, aber ödematöser als das Erysipel ist.
Die Phlegmone involviert im Gegensatz zum Erysipel auch die tieferen Hautschichten und Subkutis und kann darüber hinaus auch zu einer eitrigen Gewebseinschmelzung führen. Die Entzündungsparameter (CRP, Leukozyten) sind einer Studie zufolge weniger stark ausgelenkt als beim Erysipel [18].

Abszess

Ein Abszess entspricht einer umschriebenen Eiteransammlung in der Dermis oder Subkutis, welcher sich klinisch als sehr schmerzhafte, erythematöse Erhabenheit darstellt, die im Gegensatz zum Erysipel fluktuierend ist und einer Inzision mit anschließender Drainage bedarf [36].

Nekrotisierende Fasziitis

Die nekrotisierende Fasziitis ist eine Infektion des tiefen Weichteilgewebes, die mit einer rasch fortschreitenden Zerstörung von Haut, subkutanem Fett und Muskelfaszien einhergeht und sich klinisch in einer Rötung, Schwellung, Schmerzen und Nekrosen manifestiert. Diese bakterielle Infektion verläuft fulminant und ist ein chirurgischer Notfall mit hoher Morbidität und Mortalität. Neben einer antibiotischen Breitspektrumtherapie ist ein aggressives Débridement des nekrotischen Gewebes – fakultativ bis hin zur Amputation – notwendig [37, 38].

Stauungsdermatitis

Die Stauungsdermatitis ist eine dermatologische Erkrankung, die vornehmlich an der unteren Extremität bei Patienten mit chronisch-venöser Insuffizienz, Niereninsuffizienz beziehungsweise Herzinsuffizienz und damit einhergehenden Beinödemen auftritt. Im Gegensatz zum Erysipel ist die Stauungsdermatitis fast immer symmetrisch an beiden Beinen zu finden und zeichnet sich durch ein Aufeinandertreffen von präfaszialem Ödem, Hyperpigmentierung, ekzematös-schuppender Rötung und fallweise Dermatoliposklerose und Ulcera aus [39].

Tiefe Venenthrombose

Die tiefe Venenthrombose zeichnet sich durch Schmerzen, eine eindrückbare Schwellung der involvierten Extremität und eine verstärkte Venenzeichnung aus. Weiters berichten die Patienten von einem Druckschmerz entlang der betroffenen Vene. In der Blutuntersuchung zeigen sich in der Regel keine erhöhten Entzündungswerte [40].

Kompartmentsyndrom

Das Kompartmentsyndrom ist ein chirurgischer Notfall, der durch einen akuten Druckanstieg in einer Muskelloge bedingt ist. Ursächlich hierfür ist beispielsweise eine Einblutung nach einem Trauma. Als Folge des Druckanstiegs kommt es neben starken Schmerzen zu einer Minderdurchblutung und bei fehlender Therapie (Fasziotomie) zu Sensibilitätsstörungen und Nekrose [41].

Erysipelas carincomatosum

Beim Erysipelas carcinomatosum handelt es sich um eine Infiltration der Haut und Subkutis von Tumorzellen, welche über die über die Lymphwege metastasieren. Meist liegt dem Erysipelas carcinomatosum ein Mammakarzinom zugrunde, in selteneren Fällen befindet sich das Primum in Pankreas, Magen, Lunge, Rektum oder im Ovar. Klinisch ähnelt das Bild dem herkömmlichen, durch Bakterien bedingen Erysipel. Es zeigen sich scharf-begrenzte, rötliche, derbe Papeln und Plaques. Differenzialdiagnostisch sind die genaue Anamneseerhebung (Komorbiditäten, zeitliche Sequenz) und Histologie hilfreich [42].

Familiäres Mittelmeerfieber

Eine weitere Erkrankung, die das Erysipel mimt, ist das familiäre Mittelmeerfieber, welches zu den autoinflammatorischen Erkrankungen zählt. Hierbei kann es auch zu druckschmerzhaften, erythematösen, ödematösen Plaques mit scharfer Begrenzung an der unteren Extremität kommen. Im Gegensatz zum Erysipel ist das familiäre Mittelmeerfieber eine chronische Erkrankung, bei welcher – neben den Hauterscheinungen – rezidivierende Fieberschübe, Bauchschmerzen, Brustschmerzen, Gelenkschmerzen und Muskelschmerzen auftreten [43].

Therapie

Systemische Therapie

Da das Erysipel in der Regel nicht selbstlimitierend ist und unbehandelt zu Komplikationen führt, ist eine antibiotische Therapie erforderlich. Diese erfolgt in erster Linie mit Penicillin G. Dabei empfiehlt sich die intravenöse Gabe von 3 × 10 Mio. IU (zum Beispiel 3 × 6 g) Penicillin G. Die dreimal tägliche Gabe einer höheren Dosis hat sich hierbei in der Klinik als zuverlässiger und praxisbezogener gezeigt als die durch EUCAST (European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing) empfohlene viermal tägliche Gabe, welche auch eine nächtliche Gabe zur Folge hätte [4].
Die Therapie hat je nach Schwere der Erkrankung mindestens 7–10 Tage zu erfolgen. Gegebenenfalls kann auch auf eine ambulante, orale Gabe von Penicillin V (meist ca. 5–7 Tagen nach Beginn der Initialtherapie) zurückgegriffen werden. Bei Penicillin-Allergie empfiehlt sich die Gabe von Clindamycin mit einer dreimaligen Gabe von 0,6–1,2 g für 7–10 Tage. In weiterer Folge wäre auch eine Gabe von Clarithromycin (2 × 0,5 g) oder Moxifloxacin (1 × 0,4 g) möglich.
Sollte es klinisch nicht möglich sein, eine begrenzte Phlegmone auszuschließen, wie es zum Beispiel oft bei Infektionen im Gesicht der Fall ist, stellen Flucloxacillin (4 × 1 g) und Cefuroxim (3 × 0,75–1,5 g) eine geeignete Therapiealternative dar [4]. Beim Auftreten von mehr als 2–4 Erysipelen in einem Jahr sollte eine antibiotische Rezidivprophylaxe erwogen werden. Dabei muss immer eine individuelle Risikoabschätzung vor allem in Anbetracht gastrointestinaler Nebenwirkungen einer dauerhaften Antibiotikagabe stattfinden [12].
Die Prophylaxe durch eine perorale Gabe (Penicillin V, 2 × 0,25 g p.o. beziehungsweise 2 × 0,425 Mio. IU) ist besser belegt und praktischer als eine parenterale Gabe. Die Prophylaxe mit Penicillin V erfolgt 12 Monate, wobei die Schutzwirkung nach Absetzen der Medikation ihre Wirkung verliert. Alternativ wäre auch eine intramuskuläre Gabe von Benzylpenicillin Benzathin (1,2 Mega IU) alle 2–4 Wochen (abhängig vom Rezidivstatus) für 6–12 Monate möglich [4]. Für die Verwendung von anderen Wirkstoffen zur Prophylaxe des rezidivierenden Erysipels gibt es derzeit noch keine ausreichende Evidenz.

Ergänzende Behandlungsmöglichkeiten

Abseits der antibiotischen Therapie empfiehlt sich die Sanierung der Eintrittspforte. So sollte beispielsweise eine Interdigitalmykose antifungal behandelt und eine traumatische Wunde antiseptisch und mit passender Wundauflage versorgt werden. Begleitende Maßnahmen zur antibiotischen Therapie stellen Bettruhe, körperliche Schonung, kühlende Umschläge sowie medikamentöse Schmerzlinderung und Fiebersenkung dar.
Die Kompressionstherapie als abschwellende Maßnahme bei aktivem Erysipel wird kontroversiell betrachtet. In einer retrospektiven Studie konnte jedoch gezeigt werden, dass eine frühzeitige Kompressionstherapie nicht zu einer klinischen Verschlechterung oder zum Auslösen eines septischen Krankheitsbilds führt [44]. In einer anderen Studie wurde die Verwendung einer Vibrationstherapie ergänzend zur Standardtherapie untersucht. Die Vibrationstherapie hat zum Ziel, die Mikrozirkulation im Gewebe zu verbessern. Es konnte in dieser Studie gezeigt werden, dass die gesetzte Intervention die antibiotische Behandlungszeit verkürzt [45].

Zusammenfassung

Das Erysipel ist ein akut auftretendes, dermatologisches Krankheitsbild, das sich lokal durch eine scharf-begrenzte Rötung mit flammenartigen Ausläufern, Schwellung, Überwärmung und Schmerzen auszeichnet. Darüber hinaus kann es zu Fieber und einer Lymphadenopathie kommen. Diagnostisch ist die klinische Präsentation in Zusammenschau mit erhöhten Entzündungswerten (Leukozyten, Neutrophile, Fibrinogen, CRP, BSG). Das klassische Erysipel ist durch β‑hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (Streptococcus pyogenes) bedingt, welche durch Brüche in der Hautbarriere (zum Beispiel Ulcera, traumatische Wunden, Interdigitalmykose) eindringen und sich entlang der Lymphwege ausbreiten. Neben begleitenden Maßnahmen wie Sanierung der Eintrittspforte, körperlicher Schonung, Bettruhe und Schmerzlinderung erfolgt die Therapie antibiotisch in erster Linie mit Penicillin.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

C. Borst und D. Symmank geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
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Metadaten
Titel
Pathogenese, Klinik und Therapie des Erysipels
verfasst von
Dr. C. Borst
Dr. D. Symmank
Publikationsdatum
02.02.2022
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
hautnah / Ausgabe 1/2022
Print ISSN: 1866-2250
Elektronische ISSN: 2192-6484
DOI
https://doi.org/10.1007/s12326-022-00488-4

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