Nein, ich gebe Ihrem Kind kein Antibiotikum

Phytotherapeutika zeigen bei respiratorischen Infekten hervorragende Wirkung. Häuﬁg kommen Eltern mit ihren Kleinkindern in die Ordination: Das Kind hat Fieber, zeigt Symptome einer Rhinitis, otoskopisch erkennen Sie ein zart gerötetes Trommelfell. Alles in allem: ein eindeutiger viraler Infekt. Hier ist, so Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer in seinem Vortrag im Rahmen eines Symposiums, das anlässlich des 19. Pädiatrischen Frühlings auf Schloss Seggau stattfand, kein Antibiotikum indiziert; nur: „Wie sagen Sie es den Eltern?“ Von Seiten der Eltern ist oft der Wunsch nach einem Antibiotikum sehr stark; sie versprechen sich dadurch eine rasche und einfach zu handhabende Methode, die Genesung ihres Kindes voranzutreiben. Zum Anspruchsdenken der Eltern addiert sich das Sicherheits denken der Eltern, aber auch des Arztes. „Nein sagen ist hier ganz wesentlich“, bekräftigte Zwiauer. Österreich sei zwa im internationalen Vergleich in der Verordnung von Antibiotika sparsam; Zurückhaltung in der Anwendung dieser potenten Wirkstoﬀe ist allerdings eine Aufgabe, der wir uns global stellen müssen,setzte der Experte fort. Phytotherapie-Alternative zur Antibiotikagabe? Die Phytotherapie bietet bei respiratorischen Infekten wirksame Alternativen zur Gabe von Antibiotika, ist sie doch als vermutlich älteste medizinische Therapiemethode anzusprechen. Bis 1800 war sie eine unumstößliche Grundlage aller Arnzeibücher, durch Aufkommen der Naturwissenschaften wurde sie allerdings in die Ecke gedrängt. Im 20. Jahrhundert erlebte die Phytotherapie im westeuropäischen Kulturkreis eine Renaissance: Aufgrund laufender Verbesserungen der Analytik konnte zusätzlich zur empirischen eine naturwissenschaftliche Bewertung der Wirkstoﬀe und Wirkstoﬀkombinationen erstellt werden. Es wurden Studien zur klinischen Wirksamkeit erstellt: die Begriﬀe „good clinical practice“und„evidence based medicine“hielten auch hier Einzug. Heute gibt es Phytotherapeutika, die als registrierte Arzneispezialitäten der EMA gelistet sind; ein eigener Ausschuss für die Zulassung pﬂanzlicher Heilmittel wurde 2004 gegründet: das Committee ob Herbal Medicinal Products (HMPC). Das Kind in der Praxis Für die Behandlung von respiratorischen Infekten bei Kindern sind pﬂanzliche Arzneistoﬀe gut geeignet: Sie sind wirksam bei milden bis moderaten klinischen Krankheitsbildern. Bei Beurteilung einer Atemwegsinfektion sind, so Zwiauer, das klinische Bild, der Verlauf und die Kenntnis der Differentialdiagnosen wichtig. 90% sind viral bedingte Erkrankungen. Schon 1mm Schleimhautschwellung kann zu einer Reduzierung des Lumens der Atemwege von ca 40% führen. „Hier können wir mit einem pﬂanzlichen Arzneimittel beginnen, also primär kein Antibiotikum verordnen“, betont der Experte. In Österreich zeichnet sich bereits eine Trendwende ab, allerdings werden noch immer zu rasch Antibiotika verschrieben. Heilpﬂanzen und ihre Wirkungen Die Heilwirkung von Pﬂanzen resultiert aus additiven Eﬀekten der Einzelkomponenten einer Pﬂanze oder von Pﬂanzenteilen: Blüten, Blätter, Samen, Rinden und Wurzeln sind Ausgangsmaterialien für die Extraktion. In einem solchen Extrakt ﬁnden wir mehrere hundert Wirkstoﬀe, die natürlichen Schwankungen unterliegen. Aufgabe der pharmazeutischen Industrie, die sich mit der Produktion von Phytotherapeutika befasst, ist es, eine Standardisierung und eine Deﬁnition der Menge der Wirkstoﬀe eines pﬂanzlichen Arzneimittels herzustellen. Diese Standardisierung beginnt schon bei der Auswahl der Zuchtpﬂanzen, über den Herstellungsprozess bis zum fertigen Extrakt. Efeublätter (hederahelix), Thymiankraut (thymi herba), Spitzwegerich (plantago lanceolata), Primel (primula veris), Enzian (gentianalutea) und Eibischwurzel (althaea radix) sind Pﬂanzen, die bei Atemwegsinfekten wirksame Hilfe bieten: Ihre Extrakte haben reizmildernde, entzündungshemmende und schleimlösende Wirkungen. Einige Pﬂanzenwirkstoﬀe sind auch antimykotisch, antiviral und/oder antimikrobiell wirksam. Immunstimulation, Spasmolyse derBronchien – auch diese Wirkungen ﬁnden sich bei einigen Arzneipﬂanzen. Studien belegen Wirksamkeit Immer mehr rezente Studien wurden in den letzten Jahren zum Thema Phythotherapie publiziert. Beispiele dafür sind u. a. Efeuextrakte, Kapland Pelargonie und die Thymian/Efeu Kombination. Eine vergleichende Anwendungsbeobachtung an über 7.000 Kindern und Erwachsenen mit akuter Bronchitis untersuchte die Wirkung einer Thymian/Efeu Präparation vs. N-Acteylcystein und Ambroxol; das Ergebnis: Höchste Heilungs-und Besserungsquoten bei der Beseitigung der Symptome durch Thymian/Efeu bei Erwachsenen und Kindern.[1] Die Wirksamkeit einer kombinierten Phytotherapie (Thymian und Efeu bzw. Thymian und Primel) bei akutem Husten wurde in einem systematischen Review zweier kontrollierter Studien bestätigt [2]. Eine synergistisch sekretolytische, antivirale und antibakterielle, antiphlogistische und immunmodulierende Wirkung konnte nachgewiesen werden. Eine Kombination von Eisenkraut, Enzianwurzel, Holunderblüten, Sauerampferkraut und Schlüsselblumenblüten - in gepulverter Form oder als Extrakt hat sich in den Indikationen Rhinitis sowie akuter und chronischer Sinusitis in der Praxis langjährig bewährt. Klinische Indikationen Klare Indikationen für pﬂanzliche Arzneimittel sind akuter und chronischer Husten und die akute Rhinosinusitis. Für die Indikation Rhinosinusitis wurde die Phytotherapie mit einem patentierten Misch-Extrakt oder deﬁnierten Eucalyptusextrakten sogar in die S2k-Leitlinie (DGHNO-KHC/ DEGAM)mitaufgenommen[3]. Die Phytotherapie gehört in ärztliche Hand Phytotherapie ist wirksam und wird meist gut vertragen,sie kann allerdings auch – und speziell bei Kindern – Nebenwirkungen verursachen: Ätherische Öle, wie Eukalyptus-Öl, Menthol, Creol oder Campher können bei Säuglingen und Kleinkindern zu lokalen Reaktionen wie Hautreizungen bzw. Reizungen der Atemwege sowie zu allergischen Reaktionen führen. Bei Kindern dieser Altersgruppe können ätherische Öle über den Kratschmer-Reﬂex zu einem Atemstillstand führen. „Es ist daher vor einer Selbstmedikation mit ätherischen Ölen bei Säuglingen und Kleinkindern unter zwei Jahren ohne ärztliche Konsultation zu warnen!“– so Zwiauer. Neben pharmakologischen Kenntnissen über die Medikation geht es um die Diﬀerentialdiagnosen und die Indikation: Banaler Husten vs. Keuchhusten, banale Tonsillitis vs. Tonsillitis mit β-hämolysierenden Streptokokken. „Die ärztliche Kunst versteht es, unter Zusammenschau des klinischen Bildes und aller diagnostischer Kriterien, Diﬀerentialdiagnosen und Behandlungsoptionen zu entscheiden, welche Medikation dem Kind zur Genesung verhilft“, so Zwiauer. Literatur 1. Ismail C, Willer G, Steindl H(2003) Bronchipret in acute bronchitis. Schweizerische Zeitschrift für Ganzheitsmedizin 15:171–175; 2. Schroeder K,Fahey T(2002) Systematic review of randomised controlled trials of over the counter cough medicines for acute cough in adults. BMJ324:329; 3. https://www.awmf.org/leitlinien/ detail/ll/017-049.html Quelle: Symposium der Fa. Bionorica,„Nein, ich gebe Ihrem Kind kein Antibiotikum“; 23.5.2019, Schloss Seggau, Leibnitz,Österreich. Nachbericht: Dr. Renate Lessky-Höhl

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