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20.03.2023 | Onkologie | Studiennews | Online-Artikel

ProtecT-Studie: keine Übertherapie bei lokalisiertem Prostatakrebs

verfasst von: Dr. Thomas Meißner

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Eine britische Langzeitstudie liefert jetzt den Beweis dafür, warum Männer mit neu diagnostiziertem, lokal begrenztem Prostatakarzinom eher zurückhaltend behandelt werden sollten.

Männer mit lokal begrenztem Prostatakarzinom haben eine sehr gute Prognose – egal wie sie behandelt werden. In der jetzt veröffentlichten Auswertung der britischen Langzeitstudie ProtecT lebten nach im Median 15 Jahren noch 97 Prozent der Patienten. Dabei gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den initial radikal behandelten Studiengruppen (Prostatektomie oder Strahlentherapie) und der Gruppe mit aktiver Überwachung (N Engl J Med 2023; online 11. März).
„Unsere Studie liefert den Beweis, dass die Überlebenszeit nach einem per PSA-Test nachgewiesenen Prostatakrebs lang ist“, schreiben Professor Freddie Hamdy von der Universität Oxford, Vereinigtes Königreich, und Koautoren. Dies gelte unabhängig von der angewandten Methode zur Risikostratifizierung. Die potenziell tödliche Erkrankung könne offenbar nicht leicht durch eine radikale Behandlung beeinflusst werden.

„Vergleichsweise aggressivere Therapie kann mehr schaden als nützen“

Und weiter: Eine vergleichsweise aggressivere Therapie könne mehr schaden als nützen, je nach Ausmaß mit frühen radikalen Behandlungsmaßnahmen assoziierten Nebenwirkungen. „Eine Überbehandlung bei Männern mit neu diagnostiziertem, lokal begrenztem Prostatakarzinom kann vermieden werden, indem kritisch abgewogen wird zwischen den kurz- und langfristigen Auswirkungen der Behandlungen auf die Miktions-, Darm- und Sexualfunktionen, wobei das Progressionsrisiko in Betracht zu ziehen ist.“
In der Studie ProtecT (Prostate Testing for Cancer and Treatment) war zwischen 1999 und 2009 im gesamten Vereinigten Königreich bei über 82.000 Männern zwischen 50 und 69 Jahren ein PSA-Test vorgenommen worden. Davon hatten mehr als 2.600 Männer ein lokal begrenztes Prostatakarzinom. Von diesen Patienten mit einer kalkulierten Lebenserwartung von noch mindestens zehn Jahren und für die noch eine Behandlung in Frage kam, waren 1643 in eine Studie zur Bewertung der Wirksamkeit von verschiedenen Behandlungen eingeschlossen worden. Sie erhielten nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 1:1:1 eine aktive Überwachung, eine Prostatektomie oder eine Strahlentherapie in Kombination mit einem neoadjuvanten Androgenentzug. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zu Beginn der Studie diverse heutige Methoden zur Abschätzung des Progressionsrisikos noch nicht zur Verfügung standen, etwa die multiparametrische Magnetresonanztomografie oder bildgestützte Prostatabiopsien. Im Verlauf der Studie stellte sich heraus, dass bei einem großen Teil der Patienten die Stratifizierungsmethoden versagt hatten, da es zu einem teils deutlichen Progress kam. Etwa ein Drittel der Männer hatte zum Diagnosezeitpunkt tatsächlich ein mittleres oder gar hohes Risiko.

Ähnliche Überlebensraten

Dies hatte dennoch keinen Einfluss auf die durchschnittlichen Überlebensraten: Nach im Median 15 Jahren waren in der Gruppe mit aktiver Überwachung 3,1 Prozent der Patienten an der Krebserkrankung gestorben, 2,2 Prozent in der Prostatektomie-Gruppe und 2,9 Prozent in der Strahlentherapie-Gruppe – kein signifikanter Unterschied (p=0,53).
Obwohl die Männer in der Gruppe mit aktiver Überwachung am häufigsten Metastasen entwickelten (9,4 versus 4,7 versus 5,0 Prozent), ergaben sich daraus keine krankheitsbedingten Überlebensnachteile. Eine klinische Progression trat im Untersuchungszeitraum bei 25,9 Prozent (Überwachung), 10,5 Prozent (Prostatektomie) und 11,0 Prozent (Strahlentherapie) auf. Nach 15 Jahren hatte jeder Vierte aus der Überwachungsgruppe noch keinerlei Behandlung erhalten und war noch am Leben. Seit die Studie begonnen hat, sind viele neue Systemtherapien für fortschreitende Erkrankungen verfügbar. Es sei wahrscheinlich, dass sie zur Verlängerung der Überlebenszeiten der Studienteilnehmer beigetragen haben, erklären Hamdy und Koautoren. „Dieser Befund ist bemerkenswert und beruhigend für eine so häufige Krebserkrankung.“

Inwieweit beeinflussen Ängste die Therapieentscheidungen?

Die Autoren weisen außerdem darauf hin, dass Entscheidungen, den Behandlungsansatz in den ersten Jahren zu ändern, oft ohne Anzeichen der Krankheitsprogression getroffen worden waren und wahrscheinlich auf Ängste der Patienten oder ihrer Ärzte zurückgeführt werden müsse. „Angst mit der Entfernung der Prostata zu behandeln, verursacht jedoch eher größere Probleme“, schreibt der Uroonkologe Professor Oliver Sartor von der Tulane Medical School in New Orleans in einem Editorial.
Sartor weist auf heute deutlich verbesserte Bildgebungsoptionen zum aktiven Monitoring von Patienten hin sowie auf zunehmend praktizierte lokale Behandlungsmethoden.

Quelle: Deutsche Ärztezeitung

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