Skip to main content

02.05.2023 | Onkologie | Kongressbericht | Online-Artikel

Warum Intensiv- und Palliativmedizin enger zusammenarbeiten sollten

verfasst von: Rebekka Höhl

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Die Versorgung am Lebensende wird zunehmend auf die Intensivstationen verlagert. Eine Folge kann Übertherapie sein – oft auch aus dem Anspruchsdenken Angehöriger heraus. Beim DGIM-Kongress diskutierten Ärztinnen und Ärzte, wie eine bessere Verzahnung von Palliativ- und Intensivmedizinern den Raum für die ethische Entscheidungsfindung und das Überdenken von Therapiezielen erweitert.

In die Debatte um Überversorgung gehört auch ein neuer Blick auf die Palliativmedizin. Das machte Professor Friedemann Nauck von der Universitätsmedizin Göttingen auf dem DGIM-Kongress deutlich.
Er appellierte, dass Intensiv- und Palliativstationen enger zusammenarbeiten sollten. Der Grund: Eine alternde Gesellschaft, eine besser werdende Intensivmedizin und auch das Anspruchsdenken der Angehörigen von Patienten bedingen, dass die Inanspruchnahme der Versorgung am Lebensende zunehmend auf die Intensivstationen verlagert wird.
Ein Eindruck, den auch der Internist Dr. Jochen Dutzmann vom Universitätsklinikum Halle (Saale) teilt. „Wir haben eine Zunahme an Sterbefällen auf den Intensivstationen.“ Übertherapie finde häufig dort statt, wo auch das ethische Klima auf Station schwierig sei – weil Therapieentscheidungen und -ziele dann seltener überdacht würden. Und weil dann eher versucht werde, End-of-Life-Entscheidungen zu vermeiden – aus Unsicherheit, eigenen Ängsten und Stress heraus.
„Es ist viel einfacher, etwas zu tun, als etwas zu lassen“, sagte Nauck, der in Göttingen die Klinik für Palliativmedizin leitet. „Ich habe viel schneller eine Infusion angelegt, als dass ich Angehörigen erklärt habe, dass diese Infusion keine Verbesserung bringt.“ Würden Palliativmediziner bereits früh in die Versorgung einbezogen, könnten Therapieziele gemeinsam erörtert und nachjustiert werden. Und genau darum ging es in der Vortrags- und Diskussionsrunde: „Ethische Entscheidungsfindung auf der Intensivstation“.

„Das Therapieziel von heute muss morgen nicht mehr stimmen“

Intensiv- und Palliativmedizin hätten viele Gemeinsamkeiten, so Nauck weiter. „Wir haben es beide mit problematischen Therapiesituationen und einer hohen Dynamik zu tun, das Therapieziel von heute muss morgen nicht mehr stimmen“, erläuterte er. „Und wir versorgen in ethischen und medizinischen Grenzbereichen.“ Diese Gemeinsamkeiten könne man für eine gute Versorgung nutzen.
Palliativmedizinisches Handeln orientiere sich dabei an den Bedürfnissen des Patienten, nicht ausschließlich an den Diagnosen und noch weniger an Prognosen. Eine Sichtweise, die ebenfalls beim Andenken von Therapiewechseln zusammen mit Patienten und Angehörigen helfe. Von Therapieabbruch würde Nauck dabei nie sprechen. „Das ist ein juristischer Begriff. Es gibt keinen Therapieabbruch in diesem Sinne, es gibt einen Therapiewechsel“, sagte er. Das sollten die Teams auf den Stationen auch für sich selbst verinnerlichen.
Nauck nahm aber auch den eigenen Berufsstand in die Pflicht: Es sei nicht Aufgabe der Palliativmedizin, sich immer spezialisierter abzuschotten. Palliativmedizinisches Wissen müsse in die Klinikabteilungen und andere medizinische Berufe getragen werden.

Quelle: Deutsche Ärztezeitung 


print
DRUCKEN

Weiterführende Themen