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23.05.2023 | Onkologie | Fallbericht | Online-Artikel

Mammakarzinom kehrt als „Panzerkrebs“ zurück

verfasst von: Thomas Müller

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Ein Jahr dauert es, bis eine ältere Frau eine Erklärung für die erythematösen Papeln und die sklerotischen Plaques auf ihrem Bauch bekommt. In einer Stanzbiopsie lassen sich schließlich Brustkrebszellen nachweisen. Der Tumor ist als Carcinoma en Cuirasse zurückgekehrt.

Die Hautläsionen um den Bauch herum beginnen klein, werden immer größer und fangen stark zu jucken an. Die über 70-jährige Frau konsultiert daher ihren Hausarzt, der eine Pilzinfektion vermutet und sie mit Selensulfid, topischem Terbinafin und Hydroxyzin behandelt. Dies führt jedoch zu keiner Besserung, der Juckreiz persistiert. Schließlich wendet sich die Frau ein Jahr nach dem Krankheitsbeginn an Dermatologinnen und Dermatologen um Dr. Sarah Ibrahim vom Rush University Medical Center in Chicago.
Dort ergibt die körperliche Untersuchung auf dem vorderen Rumpf und dem oberen Abdomen hyperpigmentierte, indurierte und sklerotische Plaques mit überlagernden Schuppen, die mit festen, erythematösen Papeln besetzt sind. Bekannt ist den Ärztinnen und Ärzten eine Brustkrebserkrankung aus dem Jahr 2007. Die Patientin war an einem infiltrierenden duktalen Mammakarzinom erkrankt und hatte sich beide Brüste abnehmen sowie mit Tamoxifen behandeln lassen, anschließend war sie aber nicht mehr zu den Nachsorgeuntersuchungen erschienen.
Das Team um Ibrahim veranlasst eine Stanzbiopsie, da die Morphologie den Verdacht auf kutane Metastasen aufkommen lässt, es hält aber auch andere Ursachen wie Majocchi-Granulome, Morphea und Autoimmunerkrankungen des Bindegewebes für möglich.

Zellen mit typischem Single-File-Muster

Die Stanzbiopsie ergibt eine tiefe dermale interstitielle und periadnexe Infiltration von relativ unscheinbaren Zellen mit atypischen Kernen. Charakteristisch ist eine Anordnung der Zellen in senkrecht zur Oberfläche verlaufenden Linien (Single-File-Muster). Immunhistochemisch lassen sich Östrogen- und Progesteronrezeptoren sowie andere Brustzellmarker nachweisen. Die Patientin erhält die Diagnose Carcinoma en Cuirasse und wird in die Onkologie überwiesen. Dort bekommt sie eine Therapie mit Tetrozol als Teil eines palliativen Managements.
Carcinoma en Cuirasse gilt als seltene Form kutaner Tumormetastasen, die Quelle ist meist ein Mammakarzinom, die Hautmanifestationen können jedoch auch von Lungen-, Nieren- und gastrointestinalen Tumoren stammen, berichten Ibrahim und Mitarbeitende. Klinisch manifestieren sich die Läsionen zuerst als erythematöse Papeln oder Knoten. Während die metastatischen Zellen in die oberflächlichen lymphatischen Gefäße eindringen, entwickeln die Läsionen eine sklerotische und fibrotische Erscheinung, die klinisch an eine Morphea erinnert. Die Läsionen gehen oft mit Blutungen, Juckreiz oder übelriechendem Ausfluss einher. Zu den diffusen, hyperpigmentierten Plaques bildet sich nicht selten ein Hintergrunderythem. Da die Hautläsionen den Brustkorb oft wie ein Panzer umschließen, hat sich der Begriff „Panzerkrebs“ (Cuirasse, französisch für Panzer) etabliert.
Das Carcinoma en Cuirasse kann als Erstmanifestation eines Brusttumors in Erscheinung treten, häufiger entwickelt es sich jedoch bei Personen mit bekannter Brustkrebs-Vorgeschichte und einer Behandlung wie Mastektomie, Chemotherapie und Strahlentherapie. Die Histopathologie zeigt typischerweise tumoröse Zellen, die in Linien organisiert sind. Das umgebende Gewebe ist dicht fibrotisch, mit reduzierter Vaskularisierung. Sehr wichtig ist die Immunhistochemie, um die Diagnose zu bestätigen und die Herkunft der Tumorzellen zu bestimmen, geben die Dermatologen zu bedenken.
Die geringe Vaskularisierung erschwert jedoch die Therapie. Derzeit setzen Ärztinnen und Ärzte vor allem auf hormonelle Interventionen, Chemotherapie, lokale Bestrahlung und Hauttransplantation. Die Prognose des Carcinoma en Cuirasse ist sehr unterschiedlich und hängt von der Krebsart ab, von der es ausgeht. Im Median leben Betroffene mit Brustkrebs als Ursprung noch knapp 14 Monate.

Literatur:
1Ibrahim SA et al. Carcinoma en Cuirasse. JAMA Dermatol 2023; https://doi.org/10.1001/jamadermatol.2022.5934

Quelle: springermedizin.de

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