Bilaterale Mastektomie ohne Einfluss auf die Brustkrebs-Mortalität

Nach einer bilateralen prophylaktischen Mastektomie wird das Risiko, an einem kontralateralen Mammakarzinom zu erkranken, stark gesenkt. Jedoch ist laut einer kanadischen Studie das Brustkrebs-spezifische Sterberisiko gleich hoch wie bei Frauen, die lediglich eine unilaterale Mastektomie bzw. Lumpektomie erhalten. chotiga / Stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell) × Immer häufiger entscheiden sich Frauen mit Krebs in einer Brust für eine prophylaktische bilaterale Mastektomie. Der Grund für die Entscheidung ist u. a. die Verringerung des Risikos einer zweiten primären Krebserkrankung und die Hoffnung, dass dadurch das Sterberisiko sinkt. Jedoch konnte bis dato kein positiver Effekt einer bilateralen prophylaktischen Entfernung des Brustdrüsengewebes auf die Mortalität der Patientinnen nachgewiesen werden. Auch nicht in einer aktuellen Studie von drei Wissenschaftlern um Vasily Giannakeas vom College Research Institute des Women’s College Hospital in Toronto, Kanada.1 Für die Kohortenstudie wurde die Registerdatenbank des „Surveillance, Epidemiology, and End Results (SEER)“-Programms des US National Cancer Institute verwendet, um Frauen mit einseitigem Brustkrebs zu identifizieren, die zwischen 2000 und 2019 diagnostiziert wurden. Die Daten von insgesamt 661.270 Patientinnen standen zur Verfügung (Stadien 0–III, mittleres Alter: 59 Jahre). Mit Hilfe eines 1:1:1-Matchings je nach dem chirurgischen Ansatz (Lumpektomie vs. unilaterale Mastektomie vs. bilaterale Mastektomie) wurden drei gleich große, eng gematchte Kohorten mit jeweils 36.028 Frauen erstellt. Jede der drei Gruppen wurde hinsichtlich des Diagnosejahres, des Alters bei der Diagnose, des histologischen Subtyps, des Stadiums, des Östrogenrezeptorstatus und des Propensity-Scores abgeglichen. In der Analyse wurde das kumulative 20-Jahres-Risiko für den Tod durch Brustkrebs verglichen. Die Patientinnen wurden ab sechs Monaten nach der Diagnose des ersten Mammakarzinoms bis zum Tod aus beliebiger Ursache oder bis zum Ende des Studienzeitraums (November 2021) nachbeobachtet. 69 von 1.000 Patientinnen entwickeln kontralateralen Tumor Das Risiko unter den Frauen nach einer bilateralen Mastektomie, an einem kontralateralen Mammakarzinom zu erkranken, war um einiges niedriger als in den beiden Vergleichsgruppen: In der Lumpektomiegruppe gab es 766 Patientinnen (2,1% der Kohorte) mit kontralateralem invasivem Brustkrebs, in der Gruppe mit einseitiger Mastektomie 728 Patientinnen (2,0%) und in der Gruppe mit beidseitiger Mastektomie 97 Patientinnen (0,3%). Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass das Risiko einer kontralateralen Krebserkrankung 20 Jahre nach der Diagnose 6,9% beträgt (in der Gruppe mit Lumpektomie und einseitiger Mastektomie). Das Auftreten einer kontralateralen Krebserkrankung erhöht das spätere krebsspezifische Sterberisiko um das Vierfache. Jedoch schien die präventive Operation das Sterberisiko im 20-Jahres-Zeitraum nicht zu verringern: An Brustkrebs starben 8,54% der Frauen in der Lumpektomiegruppe, 9,07% in der Gruppe mit einseitiger und 8,50% in der Gruppe mit beidseitiger Mastektomie. Die kumulative 20-Jahres-Sterblichkeit an Brustkrebs in den jeweiligen Gruppen betrug 16,3%, 16,7% und 16,7%. Von den Frauen, die an kontralateralem Krebs erkrankten, waren 15 Jahre später 32,1% verstorben, von den Patientinnen, die keinen kontralateralen Krebs entwickelten, waren es 14,5%. Metastase oder Primärtumor? „Die Vorbeugung von kontralateralem Krebs durch eine präventive Operation schien das Sterberisiko im 20-Jahres-Zeitraum nicht zu verringern“, schreiben die Wissenschaftler um Giannakeas zu ihren Ergebnissen. Es ist nach wie vor nicht ganz geklärt, ob die kontralateralen Tumoren Metastasen der ersten Krebserkrankung darstellen oder neue Primärtumoren mit dem Potenzial zur Metastasierung sind. „Unsere Ergebnisse stellen Letzteres jedoch infrage“, so die Forschungsgruppe. Es könnte vielmehr sein, dass ein kontralaterales Rezidiv einen Marker für ein Risiko darstellt, das schon präsent ist. Dies vermuteten Forschende um B. Fisher schon im Jahr 1991 in der Zeitschrift Lancet, allerdings ging es damals um ipsilaterale Rezidive. Das Wiederauftreten eines ipsilateralen Brusttumors erwies sich als starker unabhängiger Prädiktor für eine Fernmetastasierung. Laut Fisher et al. ist ein Rezidiv ein Risikomarker und nicht die Ursache für Fernmetastasen. „Wenn die Zunahme der Todesfälle nach einem kontralateralen Tumor auf die Metastasierung des zweiten Krebses zurückzuführen wäre, würden wir erwarten, dass eine beidseitige Mastektomie sich positiv auswirken würde“, konstatieren die Forschenden um Giannakeas. Die Studiengruppe sieht auch Schwächen in ihrer Untersuchung: Es waren weder Daten zu einer möglichen endokrinen Therapie vorhanden, welche die Risiken für kontralateralen Krebs bei ER-positiven Patientinnen beeinflusst hätte, noch waren Angaben zu einer Familienanamnese bezüglich BRCA1- bzw. BRCA2-Mutationen vorhanden. Zusätzlich wurden Risikofaktoren für einen Tumor in der kontralateralen Brust, wie zum Beispiel eine Chemotherapie, nicht berücksichtigt. Referenz: 1Giannakeas V et al. Bilateral Mastectomy and Breast Cancer Mortality. JAMA Oncol 2024; https://doi.org/10.1001/jamaoncol.2024.2212 Quelle: springermedizin.de

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